Wer zum Kuckuck ist dein Vater?
Warum ein Vaterschaftstest gleich nach der Geburt das Beste für das Kind wäre.
Veröffentlicht am 22. Juli 2014 - 08:39 Uhr
Ausser bei Findelkindern ist bei jedem Neugeborenen sofort klar, wer die Mutter ist. Meist weiss nur die Mutter, wer der Vater des Kindes ist. Männer müssen ihren Emotionen, ihren Überzeugungen, ihrem Glauben oder ihren Hoffnungen vertrauen.
Gewissheit könnte der medizinische Fortschritt bringen: Ein Vaterschaftstest gleich nach der Geburt würde jeden späteren Zweifel am biologischen Erzeuger beseitigen. Er würde auch dem Kind Klarheit über seine Abstammung bringen – und die Kenntnis über seine Abstammung ist das Recht eines jeden Kindes.
Doch nach geltendem Recht ist es möglich, dass es mit einer Lüge konfrontiert wird, sobald es das Licht der Welt erblickt. Als Vater wird nämlich derjenige ins Zivilstandsregister eingetragen, der mit der Mutter verheiratet ist. Ist sie nicht verheiratet, gilt jener Mann als Vater, der das Kind anerkennt. Liegt das im Interesse des Kindes?
Statt diese Frage zu diskutieren, bespricht die Nation seit Wochen, ob und wann ein Vaterschaftstest erlaubt sein soll. Diese Diskussion scheint in einen Kampf der Geschlechter auszuarten. Auf der einen Seite stehen die Männer, die es als ihr Persönlichkeitsrecht betrachten, jederzeit erfahren zu dürfen, ob sie ihre Gene weitergegeben haben oder nicht. Auf der anderen Seite die Frauen, die nicht unter Generalverdacht stehen wollen, dass nicht derjenige der Vater ist, den sie angeben. Beide Seiten täten gut daran, ihre Argumente in den Hintergrund zu stellen und den Fokus auf das Kindeswohl zu richten.
Man schätzt, dass in jeder Schulklasse mindestens ein Kuckuckskind sitzt – eines also, das tatsächlich einen anderen Vater hat, als es glaubt. Das verunsichert. Täglich erkundigen sich Männer beim Beobachter-Beratungszentrum zum Thema Vaterschaftstest. Rechtsexperten mahnen stets zur Vorsicht: Wenn ein Mann einen Test ohne Einwilligung der Mutter veranlasst, macht er sich strafbar. Niemand darf das genetische Material eines anderen ohne dessen Einwilligung untersuchen. Und weil ein kleines Kind sein Okay nicht geben kann, braucht es das Einverständnis der Mutter. Doch selbst wenn ein Test mit dem Einverständnis der Mutter erfolgt und sich herausstellt, dass Kind und Vater nicht verwandt sind, wird das Zivilstandsregister nicht automatisch geändert. Zuerst müssen dafür die Gerichte mit einer Klage bemüht werden – und Vaterschaftsklagen sind kompliziert.
Diese Gesetze gehören ersatzlos gestrichen. Rechtssicherheit würde ein obligatorischer Vaterschaftstest unmittelbar nach der Geburt des Kindes bringen. Was spricht dagegen, dass die Hebamme dem Baby nicht nur zur Bestimmung von allfälligen Stoffwechselkrankheiten etwas Blut aus der Ferse nimmt und den Vater auffordert, sich bitte schön ein Haar auszureissen oder eine Speichelprobe abzugeben? Wenn er sich weigert oder es sich herausstellt, dass er nicht der biologische Vater ist, müssten sich die Behörden auf die Suche nach dem Erzeuger machen.
Vielleicht wäre der Vater dann unbekannt. Aber immerhin würde so sichergestellt, dass nur tatsächliche Väter im Zivilstandsregister eingetragen werden. Dieser formale Akt ist von grosser Bedeutung, regeln doch die Personendaten Zivilstand, Name, Staatsangehörigkeit und Verwandtschaft. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Erbrecht.
Nach geltendem Recht ist das Kind dem Partner seiner Mutter ausgeliefert, der ihr vertraut, einen Seitensprung nicht für möglich hält und sich deshalb für den Vater hält. Und es ist der Mutter ausgeliefert, die ihrem Partner ein Kuckuckskind untergejubelt hat. Das ist unfair.
Erst recht unfair ist es, wenn das Kind die unangenehme Wahrheit erst zu einem Zeitpunkt erfährt, wo es längst seinen Platz im familiären Beziehungsgeflecht gefunden hat. Man stelle sich die Zehnjährige vor, die von einem Tag auf den anderen realisiert, dass ihr geliebter Papi nicht der ist, für den sie ihn gehalten hat – eine schmerzhafte Erfahrung, die eine funktionierende emotionale Verbindung nachhaltig stören kann. Auch deshalb braucht es von allem Anfang an klare Verhältnisse.
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