Das Erbe geht stiften
Ein Familienstreit, eine Stiftung, die keiner kennt, ein hemdsärmliger «Mediator» und ein Persilschein von Hans W. Kopp: Im Baselbiet zieht eine Scheidung weite Kreise.
Veröffentlicht am 15. März 2005 - 11:00 Uhr
Das Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 29. Mai 2002 lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Pius Eisenring muss seiner Exfrau 3,2 Millionen bezahlen. Die Summe entspricht dem geschätzten Wert zweier Liegenschaften in Birsfelden und Brissago, die dem pensionierten Unternehmer aus dem Baselbiet gehören.
Eisenring aber, der mit seiner Exfrau Elisabeth und den auf ihrer Seite stehenden Söhnen Rolf und Dieter seit Jahren einen erbitterten Streit über die Abfindung führt, zahlt zunächst gar nichts und erst nach langem Hin und Her einen Teilbetrag: rund 1,3 Millionen Franken, die er zum grössten Teil als Hypothek auf seine Liegenschaften aufnimmt.
Pius Eisenring wird von seiner Familie betrieben. Die beiden Liegenschaften in Brissago und Birsfelden werden gepfändet, eine Zwangsversteigerung wird angesetzt. So weit die wenig spektakuläre Geschichte eines heftigen Streits um Geld und Güter. Erst mit einem neuen Hauptdarsteller artet das Theater um die Regelung des Eisenring-Erbes aus.
Auftritt Thomas G. Schönenberger. Durch die öffentliche Pfändungsanzeige auf Pius Eisenrings Probleme aufmerksam geworden, dient er sich dem alten Herrn an und gewinnt dessen Vertrauen. Auf seiner Homepage präsentiert sich der 51-jährige Schönenberger als «Med. Ing.» und als Inhaber eines «Master of Business Administration» (MBA) und preist sich unter anderem als Spezialist für Firmensanierungen und «geregelte Konkurse» an.
«Mediator» mit forschen Methoden
Am 24. März 2004 nimmt Schönenberger Kontakt mit den Söhnen und der Exfrau auf, gibt sich als «Mediator» aus und schlägt einen «runden Tisch» vor. So solle eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden. Das Gespräch, das kurz darauf tatsächlich stattfindet, endet ergebnislos, die beiden Seiten sind so zerstritten wie zuvor. Schönenberger versucht in der Folge, mit der greisen Ex-Ehefrau Elisabeth Eisenring direkt in Kontakt zu treten. Er klingelt unangemeldet an ihrer Wohnungstür, folgt ihr zum Einkaufen und ins Restaurant und lässt erst von ihr ab, als Bekannte die Polizei rufen wollen.
Es folgen seitenlange Briefe: «Vater Eisenring», schreibt Schönenberger, habe «nun Massnahmen ergriffen. So sind alle restlichen Häuser mit einem Handstreich nicht mehr einfach erreichbar und mit einem weiteren Handstreich aus dem Eigentum und somit nicht mehr im Erbgut.» Was das bedeutet, erfährt die Familie bald.
Diskreter Auftritt Hans W. Kopp: Der Rechtsanwalt ohne Patent – dieses hatte ihm das Zürcher Obergericht 1995 entzogen – hatte im Frühling 2004 ebenfalls Schönenbergers Dienste in Anspruch genommen und ihn dabei nach eigenem Bekunden «kennen und schätzen gelernt». Laut «Sonntags-Blick» bewahrte Schönenberger Kopps vor der drohenden Zwangsversteigerung ihrer Villa «Drei Eichen» (siehe Nebenartikel «Finanzberatung: Die Kopperative»). Jetzt konnte sich Hans W. Kopp erkenntlich zeigen. Am 6. Juli gründet Pius Eisenring auf Anraten Schönenbergers die «Pius-Eisenring-Stiftung» und setzt sich als Präsident ein. Recherchen des Beobachters zeigen: Die Stiftungsurkunde stammt aus Kopps Feder, und Kopp ist es auch, der Stifter Eisenring zur Verurkundung ins Zürcher Notariat Riesbach begleitet.
Als Zweck der Eisenring-Stiftung wird die Förderung der Holzbildhauerei und des ökologisch sinnvollen Gartenbaus festgelegt. In einem Artikel in der «Basellandschaftlichen Zeitung» stellt Stifter Eisenring zudem die Ausrichtung eines «Pius-Eisenring-Preises» in Aussicht und nennt seinen 80. Geburtstag, den 26. März 2005, als Datum für die Preisverleihung. Davon ist aber weder bei Holzbildhauern noch unter Ökogärtnern etwas bekannt.
Das eigentliche Ziel der Stiftung dürfte eher wenig mit Wohltätigkeit zu tun haben. Mit dem Einverständnis Eisenrings und mindestens zum Teil mit Vollmachten ausgerüstet, verlagert Schönenberger in den folgenden Wochen das gesamte Vermögen des Unternehmers in die Stiftung: Liegenschaften, Bargeld, selbst die Autos gehören plötzlich zum Stiftungsvermögen – und sind damit vor dem Betreibungsamt, der Exfrau und den Söhnen sicher.
Billig sei das nicht gewesen, sagt Pius Eisenring dem Beobachter. «Etwa 50'000 Franken» habe er dem Finanzberater bisher bezahlt: «Zeitweise kam fast jede Woche eine Rechnung.» Eisenring hat die Zügel weitgehend aus der Hand gegeben. Er habe «Herrn Schönenberger schon einige Vollmachten erteilt», sagt der Stifter.
Die Versteigerung zu Brissago
In einer davon ermächtigt Eisenring seinen Finanzberater Schönenberger, «im Zusammenhang mit Forderungen inkl. Vrbindlichkeit (sic!) jeglicher Art eine Erklärung abzugeben. Es handelt sich für die Liegenschaften Lavaterstr. 7 u. 9 in Birsfelden. Die Vollmacht muss auch für die Liegenschaft in Brissago gültig sein.»
Diese Liegenschaften sind die einzigen, die sich nicht in der Pius-Eisenring-Stiftung befinden. Sie wurden vor Schönenbergers Auftauchen gepfändet. Weil das ganze übrige Vermögen Eisenrings in der Stiftung steckt, sind Nachpfändungen unmöglich – obschon die Versteigerung der erwähnten Liegenschaften nur einen Bruchteil des geschuldeten Betrags ergibt.
Der magere Erlös der Hausversteigerung hat einen handfesten Grund: Kurz vor der konkursamtlichen Versteigerung werden dort zwei Dienstbarkeiten ins Grundbuch eingetragen: ein lebenslanges Wohnrecht für Pius Eisenring und ein vom Käufer an Eisenring zu bezahlender Barbetrag – ein Grundpfandtitel – von 300000 Franken. Die beiden Einträge verfehlen ihre abschreckende Wirkung auf potenzielle Käufer nicht: Am Steigerungstag finden sich im Gemeindehaus Brissago nur zwei Interessenten ein: Eisenrings Sohn Rolf und ein Tessiner Pizzeriabesitzer. Letzterer ersteigert die Villa mit Sicht auf den Lago Maggiore für 301000 Franken. «Hätte ich nicht mitgeboten, so wäre die Liegenschaft zum Anfangspreis von 1000 Franken verscherbelt worden», sagt Rolf Eisenring, der hinter dem Käufer einen Strohmann vermutet. Sein Verdacht nährt sich aus einem kurzen Gespräch nach der Versteigerung: Für 350000 Franken bietet ihm der Käufer die ersteigerte Villa gleich wieder an. Begründung des Pizzeriabesitzers: Er habe die Liegenschaft nie gesehen und nur im Auftrag von Thomas Schönenberger geboten. Inzwischen will er sich an diese Aussage nicht mehr erinnern und einen Thomas Schönenberger nicht kennen. Wohnrecht und Grundpfandtitel sind mittlerweile aus dem Grundbuch gelöscht.
In der Familie Eisenring geht der Streit um die fast zwei Millionen Franken unvermindert weiter. Die Söhne befürchten, dass das in die Stiftung eingebrachte Vermögen ihres Vaters ohne dessen Zutun verscherbelt wird. Sie versuchen, den 80-Jährigen bevormunden zu lassen. Dieser reagierte mit einer Forderung von je 2,15 Millionen Franken für Schadenersatz und Genugtuung und der wenig überraschenden Ankündigung: «Im Übrigen teile ich dir mit, dass ich dich enterbt habe.»
Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht, die Söhne wollen weiterkämpfen. Ihre Mutter Elisabeth Eisenring jedoch ist Anfang März gestorben.