«Meine Frau ist die Cheftrainerin»
Als Verbandstrainer schwört Heinz Moser Fussballtalente auf Disziplin ein. Als Vater setzt er die Leitplanken weniger eng.
Beobachter: Sie waren Fussballer und trainieren jetzt Jungtalente. Wir nehmen an, Ihr 14-jähriger Sohn spielt auch Fussball...
Heinz Moser: Falsche Annahme! Er spielte Eishockey, hat jetzt aber damit aufgehört und setzt auf die Karte Schule. Er wird also nicht in meine Fussstapfen treten.
Beobachter: Eishockey? Ein Stich ins Herz des Fussballers.
Moser: Überhaupt nicht. Dominik hat zu Beginn auch Fussball gespielt, aber beim Hockey hatte er den besseren Trainer, der ihn mehr begeistern konnte. Die Rolle des Trainers ist zentral – und das sage ich jetzt nicht, weil ich selber einer bin.
Beobachter: Im Sport gibt es den Cheftrainer, der die Richtung vorgibt, und den Assistenten, der ihm zudient. Was sind Sie zu Hause?
Moser: Klar der Assistent – meine Frau ist die Cheftrainerin. Das hat damit zu tun, dass sie seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig war und erst kürzlich wieder eingestiegen ist. Wir waren in diesen 14 Jahren traditionell organisiert: meine Frau zu Hause bei den Kindern, ich an der Arbeit. Das war ein bewusster Entscheid. Zudem sind wir Fussballer Wandervögel, da ist es für die Familie nicht einfach, sich irgendwo zu etablieren.
Beobachter: Welche Erfahrungen als Berufssportler nützen Ihnen für Ihre Aufgaben als Erzieher?
Moser: Im Fussball lernt man, aus Einzelnen, die alle ihre Stärken und Schwächen haben, ein Team zu bilden. Davon profitiert man auch im Familienleben – das aus meiner Sicht ebenfalls eine Art Teamsport ist.
Beobachter: Welche Stärken bringen Sie ins Team Moser ein?
Moser: Ich bin positiv eingestellt, schaue immer nach vorn. Auch das habe ich im Sport gelernt. Das gebe ich auch den Kindern so weiter: Wenn ein Fehler passiert, ist er halt geschehen. Dann muss man schauen, dass man das Gleiche nicht noch einmal macht. Es geht immer irgendwie weiter.
Beobachter: Sie streichen die Parallelen zwischen dem Sport und der Erziehung heraus. Wo sehen Sie die Differenzen?
Moser: Das Umfeld ist völlig anders. Die Arbeit mit Fussballtalenten ist extrem leistungsorientiert. Da werden Analysen gemacht, daraus Zielvorgaben abgeleitet, diese wiederum kontrolliert – die Spieler müssen alles andere dem Sport unterordnen und verzichten können. In der Familie setzen wir den Kindern ebenfalls Ziele. Etwa dass sie eine gute Ausbildung machen. Aber unseren Kindern jenen absoluten Leistungsgedanken mitzugeben, den es im Sport braucht, das ist kein Thema – das würde auch nicht funktionieren. Da gibt es andere Werte, die zählen: Vertrauen, Offenheit, Zuneigung.
Beobachter: Im Leistungssport sind es Dinge wie Disziplin, Verzicht – also das Gegenteil. Fällt Ihnen dieser Spagat nicht schwer?
Moser: Nein, denn letztlich halte ich mich in beiden Bereichen ans gleiche Prinzip. Ich finde es wichtig, Leitplanken zu setzen – sowohl als «Assistent» zu Hause wie auch bei der Arbeit als Trainer. In der Familie verträgt es mehr Grosszügigkeit, im Ausbildungszentrum sind die Leitplanken enger gesetzt. Ich sage den Spielern oft: «Wir setzen euch Grenzen, ihr dürft sie durchaus ausreizen. Ihr dürft auch einmal neben die Leitplanken stehen, aber dann werden wir euch sehr schnell zurückpfeifen.»
Beobachter: Sind Sie als Vater auch so streng?
Moser: Ich denke nicht, auf jeden Fall trete ich nicht autoritär auf. Es ist mein Grundsatz, den Kindern ihre Persönlichkeit zu lassen. So holt man das Beste aus ihnen heraus.
Beobachter: Falls Ihre Kinder den Traum vom Spitzensport hätten: Würden Sie sie ermuntern?
Moser: Für unseren Sohn ist das kein Thema mehr. Aber wenn er den Weg von sich aus hätte gehen wollen, hätten wir ihn natürlich unterstützt, klar. Aber wir sind nicht die Eltern, die das Leben für ihre Kinder planen.
Beobachter: Ihre Tochter ist erst elf. Hat sie Ambitionen?
Moser: Sie hat früh mit Ballett begonnen, noch bevor sie fünf war. Dort ist sie sehr engagiert und ehrgeizig. Jetzt interessiert sie sich für die Tanzakademie Zürich. Das ist ein Förderprojekt ähnlich dem, wie ich es in Emmen für den Fussballverband mache.
Beobachter: Dann müsste Ihre Tochter schon als 12-, 13-Jährige weg von zu Hause. Keine Probleme damit?
Moser: Ich gebe zu: Wenn meine Kleine einfach so nach Zürich ginge, da hätte ich schon meine Bedenken. Und zwar als Vater, denn als Talent-Trainer stehe ich ja irgendwie auf der anderen Seite. Aber wenn es Daphne damit ernst ist, würde ich versuchen, ihr auf unserer Seite den Rückhalt zu geben, damit sie den Versuch starten kann. Ich weiss, dass sie gerne daheim ist, dass sie Bezugspersonen in der Familie braucht. Der Weggang von zu Hause ist ein grosser Schritt – für beide Seiten. Von mir aus muss es nicht so früh sein.
Beobachter: Sie selber haben irgendwann zu Hause verkündet: «Ich will Fussballer werden.» Wie war das?
Moser: Ich war etwa 16, als ich dieses Ziel formulierte. Sportler ist zwar nicht gerade eine alltägliche Berufswahl, damals schon gar nicht. Doch es gab keine Probleme. Mein Vater war total sportbegeistert und hat mich sogar noch etwas gepusht. Dafür bin ich ihm natürlich ewig dankbar.
Beobachter: Wie sind Sie sonst erzogen worden?
Moser: Meine Eltern hatten eine klare Linie, und zwar so, dass wir Kinder uns begleitet fühlten, aber nicht eingeengt. Ich hoffe, es gelingt meiner Frau und mir ebenso gut, hier die richtige Mischung zu finden.
Beobachter: Ein Erfolgsrezept?
Moser: Finde ich schon. Aber einfach so kopieren, das wäre keine gute Idee. Wenn man selber Eltern wird, setzt man sich ja nicht hin und sagt: «So, das ist jetzt unser Erziehungskonzept.» Man muss hineinwachsen, spüren, was am besten ist. Und manchmal macht man auch Fehler, die man nachher wieder korrigieren muss. Das ist ja auch gut so. Und die Kinder sollen ruhig merken, dass auch die Eltern Fehler machen.
Beobachter: Ihre Kinder sind in einem Alter, in dem sie die Welt langsam für sich selber entdecken wollen. Wie viel Auslauf geben Sie ihnen?
Moser: Wir begleiten sie relativ nah. Wenn sie also etwas los haben, ein Fest oder so, dann lassen wir sie nicht einfach gehen, sondern dann wird alles organisiert – wir bringen sie hin und holen sie ab. Bisher gab es noch keine Rückmeldungen, dass sie das stört.
Beobachter: Haben Ihre Kinder einen eigenen Computer im Zimmer?
Moser: Ich habe daheim ein Büro mit einem PC, den alle benützen können – wobei der Ärger jeweils gross ist, wenn ich daheim arbeite. Dominik hat beim Eintritt ins Kollegi einen eigenen Computer für sein Zimmer bekommen. Und Daphne ist natürlich auch schon am «Bohren»
Beobachter: Wissen Sie, was Ihr Sohn auf dem PC macht?
Moser: Eine vollumfängliche Kontrolle haben wir nicht, wir wollen auch nicht Polizist spielen. Unser Zusammenleben basiert auf Offenheit und Vertrauen, deshalb habe ich auch hier das Vertrauen, dass er den Computer vernünftig nutzt.
Beobachter: Was sollen Ihre Kinder mit 20 über Sie sagen?
Moser: Hoffentlich nicht bloss: «Er war mal ein passabler Fussballer!» (Lacht.) Schön wäre, wenn sie rückblickend das Gefühl haben, dass wir sie mit Liebe und einem Urvertrauen unterstützt haben auf ihrem Weg zur Selbständigkeit. Und dass sie auch als junge Erwachsene nicht den Eindruck erhalten, dass das jetzt vorbei ist, sondern dass sie auch in Zukunft auf uns zurückgreifen können.
Heinz Moser, 42, betreut als Nachwuchstrainer des Schweizerischen Fussballverbands die U-17-Nationalmannschaft und leitet das Ausbildungszentrum in Emmen, wo die grössten Talente der Deutschschweiz gefördert werden. Von 1986 bis 2003 spielte er als Profifussballer 481 Partien in der höchsten Schweizer Liga, unter anderen beim FC Luzern (Meister 1989, Cupsieg 1992), bei YB und dem FC Sion (Cupsieg 1995, 1996). Mit seiner Frau Renate und den Kindern Dominik, 14, und Daphne, 11, lebt er in Ennetbürgen NW.