Beobachter: Was war für Sie das beste Ereignis im November 2008 der neue Job oder die Geburt Ihres ersten Kindes?
Thorsten-D. Künnemann: (lacht) Das Kind. Auf jeden Fall.

Beobachter: Vaterschaftsurlaub lag da wohl nicht drin?
Künnemann
: Nein, ich war gerade in der Einarbeitungszeit, das ging gar nicht. Nur zwei Tage um die Geburt herum.

Beobachter: Wie hat sich das Familienleben angelassen?
Künnemann
: Sehr gut: keine Wehwehchen, keine Probleme. Nur das Durchschlafen klappt noch nicht immer. Die ersten Monate schlief Paul bei uns im Bett, jetzt geht das aber nicht mehr, weil er schon so gross ist.

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Beobachter: Gross? Er ist doch erst sechs Monate alt.
Künnemann
: Ja, aber ich bin 2,03 Meter gross und meine Frau 1,77. Paul ist schon so gross wie andere Kinder mit einem Jahr. Ich hoffe, das geht nicht so weiter – ich hatte als Jugendlicher Probleme wegen meiner Grösse.

Beobachter: Inwiefern?
Künnemann
: Ich kann zum Beispiel keinen Skisport betreiben – mit Schuhgrösse 51,5 findet man keine Skischuhe. Und ich wollte früher Pilot werden – ging nicht, da ich fürs Cockpit zu gross bin.

Beobachter: Zurück zu Paul. Lesen Sie Erziehungsratgeber?
Künnemann
: Das Buch «Babyjahre» von Remo Largo hat uns sehr geholfen. Er nimmt einem die Angst, wenn das Kind nicht in die Norm passt. Er schreibt, dass jedes Kind individuell ist, Entwicklungsschritte unterschiedlich schnell ablaufen. Dass man sich also nicht quälen soll mit ständigen Vergleichen. Ich habe beispielsweise erst mit drei Jahren sprechen gelernt. Verwandte und Bekannte waren besorgt, meine Mutter nahm es aber zum Glück gelassen. Und es ist ja doch noch etwas aus mir geworden – und ich spreche heute eher zu schnell (lacht).

Beobachter: Gibt es schon so etwas wie eine Tagesstruktur für Ihren Sohn?
Künnemann: Ja, so wie ich das aus meiner Kindheit kenne. Wir frühstücken gemeinsam und essen auch zusammen zu Abend – ich bin um sieben zu Hause. Ich spiele mit ihm, ziehe ihn um, und meine Frau bringt ihn dann gegen neun ins Bett. Sie macht das ganz toll, singt ihm was vor, er verabschiedet sich von Stofftieren und Papa, immer nach demselben Muster. Sie findet, dass er allein einschlafen muss, und schimpft mit mir, wenn ich ihn auf den Arm nehme, zum Beruhigen, wenn er nicht gleich schlafen will. Das ist konsequent, das finde ich auch gut, nur fehlen mir dafür manchmal die Ruhe und die Geduld. Aber es ist natürlich ein Erfolgserlebnis, wenns dann klappt.

Beobachter: Sie haben einen anspruchsvollen Job, arbeiten mehr als 100 Prozent. Verbringen Sie denn genug Zeit mit Ihrem Sohn?
Künnemann
: Nein, leider nicht. Ich würde gern mehr mitkriegen. Dafür ist es abends und am Wochenende umso intensiver. Und Paul hat die schöne Angewohnheit, dass er lacht und jauchzt, wenn ich nach Hause komme.

Beobachter: Stehen Sie nachts auf, wenn der Kleine brüllt?
Künnemann: In letzter Zeit höre ich ihn meist vor meiner Frau. Vor Mitternacht versuche ich ihn zu beruhigen. Wenns nicht klappt oder später wird, stillt sie ihn. Das dauert nicht lange, und wir schlafen alle wieder ein.

Beobachter: Als junger Vater hat man noch Ideale: Als welchen Erziehungstypen sehen Sie sich?
Künnemann
: Wir haben keine konkreten Erziehungsziele. Was ich aber aus meiner Kindheit mitgenommen habe, ist grosse Zuversicht, Vertrauen und die Geborgenheit der Familie. Dafür bin ich meiner Mutter sehr dankbar, und das möchte ich auch an Paul weitergeben. Er soll ein selbstsicherer und zufriedener Mensch werden.

Beobachter: Wie soll das gehen?
Künnemann
: Gute Frage. Erziehung sollte wohl beides vermitteln: einerseits Sicherheit und Geborgenheit in der Familie und anderseits das Vertrauen, es allein schaffen zu können. Ich habe jetzt schon Angst, wenn ich daran denke, dass er sich mal allein auf den Schulweg machen muss. Meine Mutter liess mich mit 14 Jahren allein durch Deutschland reisen – wenn ich da an Paul denke, oje, das mit dem Loslassen fällt mir bestimmt schwer.

Beobachter: Was spielen Sie mit Ihrem Jungen? Mit Teddybär, Rasseln oder Bauklötzen?
Künnemann
: Noch läuft sehr viel über Worte ab. Manchmal erzähle ich ihm nur ruhig und sachlich, was alles geschehen ist am Tag, und er lacht und freut sich darüber. Oder ich werfe ihn in die Luft und fange ihn wieder auf, das liebt er auch.

Beobachter: Glauben Sie an die gängigen Rollenmuster, wonach Jungs eher auf Maschinen abfahren und Mädchen auf Puppen?
Künnemann
: Als Biologe bin ich fasziniert, wie viele Unterschiede in Physiologie und Verhalten Männern und Frauen offenbar angeboren sind. Gleichzeitig erlaubt eine unglaubliche Lernfähigkeit dem Menschen, sich sehr flexibel an verschiedene Situationen anzupassen. Dabei beeinflussen Eltern natürlich durch ihr Verhalten die Kinder. Die Kombination von angeborenem und erlerntem Verhalten macht uns zu dem, was wir sind. Ich lasse mich jetzt mal im persönlichen Experiment überraschen, welche Spielzeugpräferenzen unser Kind entwickelt.

Beobachter: Aber was, wenn sich Ihr Junge dereinst überhaupt nicht für naturwissenschaftliche Phänomene interessiert: Hätten Sie dann eine Sinnkrise?
Künnemann
: Nein. Er soll einfach etwas machen, was ihm Spass macht und für ihn sinnvoll ist. Ich fände auch Künstler oder Bäcker gut; ich selber wäre früher gern Schauspieler geworden. Man muss aber natürlich sagen, dass Paul in eine akademische Familie hineingeboren wurde, das wird ihn vielleicht beeinflussen. Meine Frau beschwert sich schon manchmal, was ich ihm alles für wissenschaftliches Zeug erzähle.

Beobachter: Ihre Begeisterung für die Naturwissenschaft spürt man ja förmlich. Muss diese Neugierde, wie Natur und Technik funktionieren, zuerst geweckt werden oder ist sie in jedem Kind drin?
Künnemann
: Ich glaube, diese Wissbegierde zeichnet uns Menschen aus. Immer wenn unser Weltbild erschüttert wird, sind wir verblüfft oder erstaunt und fragen: Warum ist das so? Schon Babys haben eine angeborene Vorstellung davon, wie die Dinge funktionieren sollen. Tun sie es nicht, werden sie neugierig und fragen nach. Aber natürlich kann man dies fördern, immer wieder bewusst Weltbilder erschüttern – zum Beispiel hier im Technorama mit über 500 Experimenten Natürlich können das Eltern auch daheim: den Kindern immer wieder Neues zeigen, etwas, was sie nicht erwarten. Das Staunen der Kinder darüber hält ihre Neugierde wach.

Beobachter: Wir nehmen an, Sie erschüttern Pauls Weltbild andauernd?
Künnemann
: Ständig, ja.

Beobachter: Wie war das bei Ihnen selber? Wann und wie hat Sie die Faszination für Naturwissenschaft gepackt?
Künnemann
: Ich habe schon früh Sachbücher verschlungen, vor allem Tiere haben mich schon immer fasziniert, und meine Mutter hat mich da immer gut mit Lektüre versorgt. Ich wusste schon als Sechstklässler, dass ich mal Biologie studieren will. Ich bin am Meer aufgewachsen, direkt hinter dem Deich, so habe ich schon früh die Naturgewalten kennengelernt. Ich hatte eine tolle Kindheit.

Beobachter: Was wünschen Sie sich, was Paul über Sie sagt, wenn er 20 ist?
Künnemann
: Ich würde mich freuen, wenn er über uns als Eltern sagen kann: Ihr habt immer hinter mir gestanden, mich in meinen Vorhaben unterstützt. Ihr habt mir mit eurer Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit ein Vorbild gegeben, ich konnte mich immer auf euch verlassen, und deshalb konntet ihr das auch von mir einfordern. Und eure Zuversicht hat mir sehr geholfen: Egal, was passiert, es kommt schon gut.