Wird der Lohn gepfändet, gehts an die Existenz. Was übrig bleibt, ist das so genannte betreibungsrechtliche Existenzminimum. Dieser Betrag, auch Notbedarf genannt, soll der verschuldeten Person und ihrer Familie das Auskommen sichern. Er setzt sich zusammen aus einem fixen Grundbetrag und den variablen Kosten für den Lebensunterhalt. Dazu gehören Wohn- und Heizkosten, Sozialbeiträge, besondere Berufsauslagen, Unterhaltsbeiträge, die Schulung der Kinder sowie die ärztlichen Behandlungen.

Der Grundbetrag variiert von Kanton zu Kanton. Solothurn geht beispielsweise für eine fünfköpfige Familie mit Kindern im Alter von drei, sechs und neun Jahren von einem monatlichen Grundbetrag von 2500 Franken aus, während es im benachbarten Bern 100 Franken weniger sind. Der fixe Grundbetrag muss für Nahrung, Kleidung und Wäsche, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt der Wohnung, Kulturelles und Strom genügen. Dazugezählt werden die variablen Kosten wie etwa die Miete – was rasch ein geschätztes Existenzminimum von 5500 Franken ergibt. Angenommen, das Einkommen der fünfköpfigen Solothurner Modellfamilie beträgt netto 6500 Franken, dann würden also rund 1000 Franken vom Lohn gepfändet. Diesen Betrag überweist der Arbeitgeber direkt dem Betreibungsamt.

Absurdes Prozedere bei den Steuern
Im Notbedarf fehlen allerdings die laufenden Steuerraten. Gemäss Bundesgericht dürfen sie nicht dem Existenzminimum zugerechnet werden. Die Begründung: Weil diese noch nicht fälligen Forderungen nicht in die Pfändung fallen, würde der Staat als Gläubiger bevorzugt. Das führt dazu, dass sich jemand kaum aus dem Teufelskreis der Verschuldung befreien kann, weil sich noch während der Abzahlung des Schuldenbergs neue Rechnungen anhäufen.

«Viele Betreibungsbeamte sagen mir, dass man mit dem Existenzminimum gar nicht leben kann, besonders wenn die Lohnpfändung während mehr als zwei Jahren durchgestanden werden muss», kritisiert Isaak Meier, Professor für Schuldbetreibungs- und Konkursrecht an der Universität Zürich, das bestehende System. Meier hat mit einer Forschungsgruppe eine Studie zum Existenzminimum erarbeitet. Die Reformvorschläge – etwa zur Berücksichtigung der laufenden Steuern und zur Angleichung des Existenzminimums an die Ansätze der Sozialhilfe – zeigten bislang politisch keine Wirkung.

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