Wettpinkeln - besonders wertvoll
«Sind die Spielzeugheinis jetzt völlig närrisch geworden und wollen unsereins auf den Arm nehmen? Oder bin ich der Idiot und habe am Ende meine Jugend gar mit unnützen Spielen verbummelt?»
Veröffentlicht am 19. Dezember 2008 - 08:31 Uhr
Zuerst stiess ich auf diesen verschwurbelten Satz: «Wenn Kinder schaukeln, werden die Sinneseindrücke im Gehirn sortiert.» Er stand nicht in einer Fachzeitschrift für Nervenheilkunde, sondern in der Montageanleitung für die Schaukel, die ich meiner kleinen Tochter gekauft hatte.
Beim Weihnachts-Grosseinkauf flogen mir dann lauter solche verschwurbelten Sätze zu. «Die Forschung hat gezeigt, dass beim Seilhüpfen auch Fähigkeiten wie Körperbewusstsein, Selbstvertrauen und Konzentrationsvermögen gestärkt werden.» Eine Elektronikfirma pries die Vorzüge von Spielkonsolen folgendermassen: «Sie trainieren den Bizeps.» Das ist zumindest nicht unoriginell. Nicht mal der gute alte Franz Carl Weber kommt mehr ohne diesen pseudowissenschaftlichen Quark aus. Man wähnt sich im Frühförderprogramm eines Elitekindergartens. Wehe, ein Spielzeug fördert nicht mindestens die Kreativität. Oder logisches Denken. Oder die Motorik.
Sind die Spielzeugheinis jetzt völlig närrisch geworden und wollen unsereins auf den Arm nehmen? Oder bin ich der Idiot und habe am Ende meine Jugend gar mit unnützen Spielen verbummelt?
Wettpinkeln zum Beispiel. Das war zu unserer Zeit ja sehr en vogue. Zumindest in meinen Kreisen. Aber der Nutzen? Es fördert die Feinmotorik, könnte man argumentieren. Und das Selbstbewusstsein kommt irgendwie auch auf seine Rechnung.
Aber was bringt denn Schach? Gewiss keinen so schnellen Muskelaufbau wie die Spielkonsolen. Immerhin können wir dem Spiel zugutehalten: Man lernt, Bauern für ein grösseres Ziel zu opfern – und dass man Schlachten verlieren darf, nur die letzte nicht. Da muss man auch kein Machiavelli sein, um das gut und nützlich zu finden.
Der Zauberkasten wiederum ist eine exzellente Schule für jeden künftigen PR-Berater: Wo sonst lernt man besser, das Publikum zu verführen, indem man es vom Wesentlichen ablenkt? Und erst das Leiterlispiel: Gefeuerte Investmentbanker wären jetzt froh um die Erfahrung des «Zurück an den Anfang!». Wo sonst kann man den brutalen Absturz von ganz oben nach ganz unten sozusagen im Trockenen üben?
Und verbieten Sie Ihrem Kind ja nicht das Wettsaufen: Das trainiert nämlich den Gleichgewichtssinn. Und was ist ein Strip-Poker anderes als eine spielerische Erkundung des menschlichen Körpers?
Nun bin ich beruhigt. Ich habe nichts verpasst. Bin kein Idiot. Und rate den Spielzeugheinis: Relax! Geht einfach mal wieder schaukeln, denn wenn Spielzeugheinis schaukeln, werden die Sinneseindrücke im Gehirn sortiert – und haltet einfach die Klappe. Kinder wollen nämlich nur eins: spielen.