Wer hat etwas gegen süsse Kinderfotos?
Viele Eltern stellen Bilder ihrer Kinder ins Internet oder verschicken sie. Fachleute raten davon ab.
Veröffentlicht am 4. Dezember 2019 - 11:25 Uhr
Martin sieht seine zweijährige Tochter Milena jeden zweiten Samstag – für ein paar Stunden. Dann postet er Fotos von ihr auf Facebook. Etwa wie die Kleine nackt im Bädli planscht. Oder Videos von einem Tobsuchtsanfall.
Fabienne, die Mutter von Milena, stört sich sehr daran. Vor allem, weil so auch ihr unbekannte Leute Aufnahmen des Mädchens ansehen können. Sie möchte, dass man ihrem Ex das Posten und Versenden der Fotos verbietet.
Solche Situationen gibt es tausendfach: Familienmitglieder und Freunde stellen Personenbilder auf Social Media, ohne zuvor nachzufragen . Wie ist die Rechtslage?
«Das Recht am eigenen Bild ist ein höchstpersönliches Recht, das jeder Person bereits ab der Geburt zusteht», erklärt die Basler Datenschutzexpertin Sandra Husi. «Man soll selber bestimmen können, wer welche Informationen über einen zur Kenntnis nehmen oder bearbeiten darf – und zu welchem Zweck.»
Gemeinsam mit der Basler Kinderanwältin Rita Jedelhauser hat Husi näher untersucht, ab welchem Alter Minderjährige als urteilsfähig gelten können in Sachen «Bilder von mir auf Social Media». Sie kommen zum Schluss: «Etwa vom Kindergartenalter an. Wenn sich ein Kind dann beim Fotografieren abwendet, ist das zu respektieren.»
Es geht in dieser Phase also vor allem um das Recht, Nein zu sagen. Ab etwa zehn Jahren wandelt sich das hin zum Entscheiden. Spätestens ab zwölf ist das Kind urteilsfähig und bestimmt allein, ob jemand sein Bild posten darf.
Ab dem Kindergartenalter gilt somit: Wer gegen den Willen oder ohne Einwilligung des betroffenen Kindes ein Bild auf Social Media, in einem Gruppenchat oder auf Whatsapp veröffentlicht , verletzt dessen Persönlichkeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Adressatenkreis «überschaubar» und «bekannt» ist. Auch das Versenden in Familienchats auf Whatsapp gilt rechtlich als Veröffentlichung.
Wie steht es nun um die zweijährige Milena? Sie ist klar noch nicht urteilsfähig. Sie muss in dieser Frage durch ihre Eltern vertreten werden .
Als Leitgedanke gilt hier: Elterliche Sorge erlaubt nicht, gegen die Interessen des Kindes zu handeln. «Bilder, die entwürdigend sind oder die Intimsphäre verletzen, sind nie von der elterlichen Sorge gedeckt», erklärt Expertin Rita Jedelhauser. Die Nacktbilder in Milenas Fall verletzen also automatisch ihre Persönlichkeit. Das gilt auch für den vermeintlich niedlichen Tobsuchtsanfall, der aus Milenas Perspektive als entwürdigend betrachtet werden muss.
Hinzu kommt: Es gibt keine Garantie dafür, dass die Bilder quasi «in der Familie» bleiben. «Vielen Eltern ist nicht klar, wie öffentlich Social Media trotz aller Privatsphäre-Einstellungen sind und wie wenig Kontrolle man über ein einmal gepostetes Bild hat», so Rita Jedelhauser.
Viele Aussenstehende haben zudem ein Interesse am digitalen Leben von Kindern und Jugendlichen. «Von Pädophilen über grosse Internethändler, die dem Kind massgeschneiderte Werbung schicken, hin zu Versicherungen, die aufgrund von Bildanalysen zu einem späteren Zeitpunkt eine Deckung ablehnen», warnt die Expertin.
Den beteiligten Erwachsenen muss also bewusst werden, dass es um die Privatsphäre des Kindes geht – und es ernst zu nehmende Risiken gibt. Hier kann ein aufklärendes Gespräch in der Familie helfen.
Falls Milenas Vater aber kein Einsehen hat: Wie kann Mutter Fabienne ihm das Posten der Fotos verbieten lassen?
Erste Anlaufstelle für Unterstützung ist hier die Kindesschutzbehörde Kesb. Sie kann, wenn weder Gespräche noch Aufklärung zum Ziel führen, als letztes Mittel Kindesschutzmassnahmen anordnen. Beispielsweise kann ein Elternteil aufgefordert werden, gewisse Bilder zu löschen. Oder die Behörde kann jemandem verbieten, inskünftig bestimmte Bilder zu posten – und allenfalls eine Busse androhen wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Anordnung.
«Wenn jemand per Klage ein soziales Netzwerk dazu bringen will, ein Bild zu löschen, wäre meines Erachtens das Gericht zuständig», so Jedelhauser. Falls ein urteilsfähiges Kind allein vor Gericht ginge, würde dieses einen Prozessbeistand ernennen.
Denkbar sei auch, dass die Kesb einem Kind als Schutzmassnahme eine Beiständin zur Seite stellt. Sie würde – je nach Alter – mit dem Kind besprechen, was es tun will, es selber vertreten oder einen Anwalt mandatieren. Hier sei juristisch noch vieles unklar, so Jedelhauser. Auch wenn Schadenersatz oder Genugtuung gefordert werden, ist das Gericht zuständig.
Sandra Husi und Rita Jedelhauser stellen klar: Zu wünschen ist, dass Behörden und Gerichte sich gar nicht erst mit Persönlichkeitsverletzungen von Kindern befassen müssten. Sondern dass die Eltern beim Posten von Fotos ihrer Kinder bewusst und vorsichtig vorgehen.
Denn was im Netz ist, bleibt im Netz. Diesen digitalen Fussabdruck werden Kinder später wohl nie mehr los. Die Eltern sollten ihnen die Chance lassen, sich eine eigene digitale Biografie zu erschaffen.
Wenn es unbedingt sein muss: So macht man Fotos von Kindern im Internet sicherer.
- Kinder beispielsweise von hinten oder ohne direkte Aufnahme des Gesichts ablichten
- Nie Namen und Adressen nennen
- Keine Angaben zu gesundheitlichen Beschwerden machen
- Vorher bewusst die Perspektive wechseln: «Würde ich solche Bilder von mir im Netz gezeigt haben wollen?»
Wann sind Kinder alt genug für ein Social-Media-Profil? Wie können Eltern ihre Kinder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Medien erziehen? Antworten dazu lesen Beobachter-Mitglieder im Merkblatt «Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen».
6 Kommentare
Schutz der Kinder, muss Priorität haben. Was sind das für Erwachsene, Eltern, welche überhaupt auf die Idee kommen, Kinderfotos öffentlich zu präsentieren?
Also das mit dem Kindergartenalter ist etwas unglücklich formuliert. Jedes Kind soll respektiert werden, wenn es sich abwendet. Dies bitte unabhängig vom Alter. Das Kind wird nie beweisen können, dass es sich erst abgewendet hat und dann dazu überredet, ermuntert etc. wurde. Drum soll auch unbedingt respektiert werden, wenn Eltern nicht wollen, dass ihr Kind fotografiert wird und das solange wie die Eltern für ihre Kinder verantwortlich sind, also maximal bis zum Alter von 18 Jahren. Die Realität ist aber, dass die Schule sich zwar daran halten muss, wenn Eltern das ausdrücklich verbieten. Lehrpersonen geben den Eltern mit Nachdruck zu verstehen, dass sie das nicht gut finden. Das kann ein Kind in einen Konflikt bringen oder zumindest ein ungutes Gefühl auslösen, weil es diese Uneinigkeit spürt.
Huch, mir wird gerade schwindelig, was da schon alles als Problem auf uns einprasselt. Jaja überall lauern gierige Typen die nur drauf warten, ein "Kleines" nackt zu sehen, mir kommt das sowas von lächerlich vor, sorry. Wie ist es mit Menschen die schon gestorben sind? Wie ist es mit Jesus der an allen möglichen Orten aufgehängt, an Nägeln, sich darstellen lassen muss? Ich würde mir das verbittet haben mich so darstellen zu lassen. Selbst wenn ich schon tot, wäre, 'ehm bin ja wiederauferstanden', gell. Jetzt an Weihnachten ganz kurz: Bitte mal nachdenken ! Am Radio kam gerade "Es werde Licht" von Udo Jürgens. Spinne 'ich' jetzt, dass mir solche Gedanken aufkommen, oder die Welt? Und was ist in den letzten 100 Jahren gegangen? Verdingbuben, Religion, etc. Wie gesagt mir schwindelt es. Frage noch: Wo sind eigentlich Psychologen, die die menschliche Seele bearbeiten und entschlüsseln ?
(für 180.- Franken /Stunde)
Es ist stolz der jeweilige person, welche ihre kinder ins netz stellt. Doch es kann kontraproduktiv sein, wenn man etwas persönliches preis gibt. Wie bereits im bericht erwähnt, wenn es einmal im netz ist, bleibt es im netz.