Büro und Bett teilen
Mit dem Partner auch im Beruf zusammen zu sein finden viele traumhaft. Bei einer Trennung folgt jedoch häufig das böse Erwachen.
Veröffentlicht am 6. Januar 2002 - 00:00 Uhr
Jeannette Stieger zahlte teuer für das Vertrauen, das sie ihrem Lebenspartner entgegenbrachte. In einem langwierigen Prozess musste sie sich ihren Lohn für die jahrelange Mitarbeit im Geschäft des Partners erstreiten. Und ein Ende der Auseinandersetzung ist noch nicht abzusehen.
Jeannette Stieger war 18 Jahre alt und machte eine Lehre als Verkäuferin, als sie Ende 1991 Roland Huber (Name geändert) kennen lernte. Der junge Mann erzählte der neuen Freundin von seinen Plänen, eine eigene Bäckerei zu eröffnen. «Er meinte, es wäre doch lässig, wenn wir dies zusammen tun könnten», erinnert sich Jeannette Stieger. «Und so habe ich meine Lehre abgebrochen und ihm geholfen, zuerst bei der Renovation der Räumlichkeiten, dann als Verkäuferin im Laden.» Das junge Paar zog zusammen, und Jeannette Steiger arbeitete fortan in Hubers Betrieb, bis die Beziehung 1995 auseinander ging.
Es ist unumstritten, dass zwischen Jeannette Stieger und ihrem Freund ein Arbeitsvertrag bestanden hat. Denn die Leistung der Frau war weit mehr als blosser Freundschaftsdienst. Einzelheiten wurden jedoch nie geregelt. Weder wurde ein fester Lohn vereinbart, noch lässt sich beweisen, dass ein solcher je ausbezahlt wurde. Jeannette Stieger: «Am Anfang lief das Geschäft nicht gut, da wurde ich vertröstet. Wegen der Steuern wurden zwar Lohnausweise für mich erstellt – 2000 Franken pro Monat. Doch erhalten habe ich das Geld nie. Ich fühlte mich ausgenützt.»
Jeannette Stieger wäre vielleicht nie vor Gericht gegangen. Doch eines Tages kam eine Nachsteuerrechnung über 9000 Franken für das Gehalt, das sie nie bezogen hatte. Der Steuerbeamte riet ihr, sich an eine Anwältin zu wenden. Es folgte ein erbitterter Rechtsstreit. Vier Gerichte befassten sich mit dem Fall, bis das Bundesgericht im April 2001 definitiv anerkannte, dass Jeannette Stieger von ihrem ehemaligen Lebensgefährten Lohnzahlungen in Höhe von über 60'000 Franken zugut hat.
Klare Verträge sind wichtig
Der Fall Stieger ist ein Lehrbeispiel dafür, wie wichtig schriftliche Abmachungen und eine klare Buchführung sind, wenn Konkubinatspaare nicht nur Privates, sondern auch das Berufsleben miteinander teilen. Roland Huber berief sich im Prozess erfolglos darauf, der Lohn seiner Freundin sei durch Kost und Logis abgegolten worden. Ausserdem habe sie im Lauf der Zeit insgesamt fast 30'000 Franken vom Geschäftskonto bar bezogen, was als Lohnzahlung zu betrachten sei. Die Richter schmetterten diese Argumente ab: Der gemeinsame Haushalt habe mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun und könne «daher nicht als Gegenleistung für die geleistete Arbeit gewertet werden». Und was die Barbezüge betrifft, gebe es keinen Beweis, dass Stieger das Geld nicht für geschäftliche Zwecke verwendet habe.
Schliesslich machte Roland Huber geltend, er habe während des Konkubinats zahlreiche Ausgaben für den Lebensunterhalt der Freundin getätigt, und stellte entsprechende Rückforderungen. Doch auch hier blitzte er ab, denn Abmachungen über die Aufteilung der Lebenshaltungskosten, auf die man eine Rückforderung hätte abstützen können, gab es keine.
Und so konnte Jeannette Stieger nach vierjährigem Rechtsstreit den Gerichtssaal als Siegerin verlassen. Ob sie das sauer verdiente Geld allerdings jemals zu Gesicht bekommen wird, ist fraglich: Der frühere Partner und Chef will lieber in Konkurs gehen, als seine Schuld zu begleichen.