Editorial: Männerdiskriminierung ist eine Realität
Chefredaktor Balz Hosang äussert sich zu Gleichstellung. Und zu Diskriminierung durch das neue Scheidungsrecht.
Veröffentlicht am 4. März 2003 - 00:00 Uhr
Wer sich für Gerechtigkeit einsetzt, muss sich auch für die Frauenrechte stark machen. Gestern wie heute. Denn Gleichberechtigung ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Es scheint uns heute zwar undenkbar, dass ein Männerstaat der weiblichen Mehrheit das Stimm- und Wahlrecht verweigert. Und doch ist genau dies in der Schweiz vor 44 Jahren geschehen: Die Frauen erhielten die politische Gleichberechtigung erst 1971. Um Lohn- und Chancengleichheit wird weiter gekämpft. Noch immer steckt Diskriminierung tief im System, herrscht keine Eile, die Missstände zu beseitigen. Frauen beklagen sich zu Recht. Es ist deshalb heikel, als Mann über Männerdiskriminierung zu schreiben – auch wenn sie im Alltag unschwer feststellbar ist.
«Frauen gehören an den Herd, erziehen die Kinder und sorgen für das traute Heim.» Mit dieser Rollenzuweisung haben die Männer lange Zeit freiwillig und gerne auf den häuslichen Führungsanspruch verzichtet, da dieser mehr Pflichten als Rechte versprach. Selbst bei neueren Gesetzen hat das von Männern dominierte Parlament klaglos hingenommen, dass den Frauen eine bestimmende Rolle eingeräumt wird: im Scheidungsrecht, im Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder.
Es ist eine besondere Tragik, dass gerade die Männer, die am wenigsten in den alten Geschlechterrollen verhaftet sind, heute am stärksten darunter leiden: Wer als geschiedener Mann ein guter Vater bleiben möchte, hat es nicht leicht, diesen Anspruch umzusetzen. Er bleibt auf das Wohlwollen seiner Exfrau, der Vormundschaftsbehörden und Gerichte angewiesen. Die Leidtragenden sind dabei nur zu oft die Kinder.
Unsere Titelgeschichte (siehe Artikel zum Thema: «Scheidung: Zankapfel Kind») zeigt: Solange wir weiterhin in Geschlechterrollen denken, werden wir zu keinen fairen Lösungen kommen. Wenn mit der Ehe eine Partnerschaft begründet wird, muss auch die Scheidung partnerschaftlich erfolgen. Ein gemeinsames Sorgerecht für gemeinsame Kinder darf nicht vom einseitigen Willen der Frau abhängig sein.
Das neue Scheidungsrecht ist alles andere als vollkommen. Eine gute Seite hat es allerdings: Da jede zweite Ehe geschieden wird, erleben Tausende von Männern hautnah, wie brutal sich Geschlechterdiskriminierung auswirken kann. Und damit reift hoffentlich die Erkenntnis, dass nur partnerschaftliche, gleichberechtigte Lösungen Sinn machen – im Scheidungsrecht, aber auch ganz allgemein in Staat und Wirtschaft.