Firmen sind zu neugierig
Immer mehr Firmen verlangen von Bewerbern grundsätzlich einen Strafregisterauszug. Das ist fast immer rechtswidrig.
Veröffentlicht am 5. Juli 2016 - 10:51 Uhr
Wer sich bei Denner bewirbt, muss einen Strafregisterauszug vorlegen, sei es für eine Stelle im Laden, im Lager oder in der Putztruppe. Auch die Reinigungs- und Unterhaltsfirma ISS Facility Services, mit fast 12'000 Angestellten einer der zehn grössten Arbeitgeber der Schweiz, verlangt einen – «auf Wunsch vieler Kunden», sagt Personalchef Remo Wehrli. Selbst im Telefonverkauf sollen Bewerber frei von Vorstrafen sein, etwa beim Blaulicht-Verlag, der das Magazin der Stadtzürcher Polizeimusik herausgibt.
Die Firmen handeln meist rechtswidrig. Ein Strafregisterauszug darf nur verlangt werden, wenn die Stelle absolute Integrität erfordert, etwa bei einem Bankdirektor oder einem Polizisten, sagt Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser von der Uni St. Gallen. Ebenfalls zulässig ist es bei Arbeitnehmern, die mit besonders schutzbedürftigen Personen zu tun haben. Mündlich darf der Arbeitgeber Auskunft verlangen, aber nur zu Delikten, die in direktem Zusammenhang mit der Stelle stehen, sagt Geiser. Für die Firma besteht zwar die Gefahr, angelogen zu werden. Doch das Gesetz gewichtet das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers höher.
Man verlange den Strafregisterauszug, weil alle Filialmitarbeiter im Kassenbereich arbeiteten, heisst es bei Denner. Eine Lockerung sei aber in Diskussion. Auch beim Blaulicht-Verlag gelobt man Besserung. Man bedaure den Fehler sehr und werde künftig die Stelleninserate gemäss Arbeitsrecht verbessern, so Verlagsleiter François Güntensperger.
«Wer eine Stelle nicht erhält, weil er eine Strafe verbüssen musste, tut sich schwer, in der Gesellschaft wieder Fuss zu fassen. Die Wiedereingliederung ist dann massiv erschwert», sagt Ursula Uttinger, Präsidentin des Datenschutz-Forums Schweiz. «Somit untergräbt die Forderung nach einem Strafregisterauszug unser Strafvollzugssystem, in dem Resozialisierung ein Grundpfeiler ist.»
Immerhin können Bewerber Vorstrafen verschweigen, die nichts mit dem Arbeitsfeld zu tun haben. Und allenfalls die Firma bei ihrer Gewerkschaft melden.
2 Kommentare
Abgesehen davon, dass der Auszug meist illegal ist, nervt mich folgendes:
Meine Frau brauchte für eine Bewerbung in einem Pflegeheim einen solchen Auszug (OK, berechtigt). Was mich daran am meisten nervt, ist, dass wenn der online beantragt wird, kann nur mit Kreditkarte, Twint oder ähnlichem bezahlt werden. Eigentlich müsste er ja kostenlos sein, für etwas bezahlen wir schließlich Steuern. Aber es ist mit dem online-Gedöns überall das Gleiche: Die Arbeit wird dem Kunden, Antragsteller, etc. auf's Auge gedrückt, dafür soll er aber dann auch gefälligst bezahlen. Da wir solche Zahlungsmodalitäten nicht unterstützen fuhren wir halt per Auto die 26km (ein Weg) zum nächsten Amt um den Auszug zu beantragen.