Fotolabortest: Die Farben variieren so stark wie die Preise
Nur gerade zwei von sieben getesteten Entwicklungslabors erhielten die Gesamtnote «sehr gut». Die meisten Labors schickten farbstichhaltige oderschlecht korrigierte Bilder zurück.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Ein bisschen mehr links! Stopp! Okay!» Die junge Frau lächelt entspannt in die Kamera hinter ihr schimmert der Fluss. «Noch etwas vor Stopp! Super!» Jetzt lächelt auch der Fotograf. Das Souvenir ist im Kasten.
Szenen dieser Art dürften sich rund um den Erdball ähneln. Erinnerungsfotos sind mittlerweile das Salz jeder Ferienreise geworden. Aber auch im häuslichen Familienleben sind die Papierbilder nicht mehr wegzudenken: Die Einzigartigkeit des Moments scheint ohne das Bild gefährdet. Ein Foto kann Erinnerungshilfe sein, Trophäe, Vergewisserung, Souvenir: ein komfortables Mittel jedenfalls, ein Erlebnis unvergesslich zu machen.
Allerdings: Die Enttäuschung kommt nicht selten mit den entwickelten Bildern. Denn plötzlich ist darauf die Freundin vor dem Fluss gar nicht mehr zu erkennen, erahnt werden kann statt ihres Lächelns nur noch ihre Silhouette. Oder die frühlingshafte Panoramaansicht der Stadt mit See wird zum impressionistischen Stadtgemälde hinter Nebelmeer. Mit andern Worten: Das Fotolabor hat gepfuscht.
Der Beobachter machte die Probe aufs Exempel. Ein erfahrener Fotoingenieur belichtete mit acht identischen Kameras Nikon FM 2 jeweils zwei durchschnittliche 135-Farbnegativ-Filme. Die Aufnahmen, die er erstellte, waren alle absolut identisch. Auf den ersten Blick unterschieden sich die Sujets nicht von Laienaufnahmen. Doch wurde jedes Foto genaustens geplant: Studioporträts mit genau definierten Lichtverhältnissen, Postkartenfotos und normierte Farbtafeln waren dabei, aber auch Aussenaufnahmen bei diffusem Licht, Personen im Gegenlicht, verschwommene Sujets oder deutlich zu dunkle Fotos.
An zwei verschiedenen Wochentagen wurde das Material in den dafür vorgesehenen Filmtaschen an sieben grosse Labors verschickt. «Fotolabo Club», «Color Labor AG» und «Kodak Photo Service SA» arbeiteten besonders schnell. Eine ganze Woche warteten wir hingegen auf die Fotos von der Firma «Extra Film AG»: Dafür kamen die Fotos in einem Kuvert voll von Werbung anderer Versandfirmen.
Farbstiche in den meisten Fotos
Wie stand es mit der Qualität? Grundsätzlich war das Resultat erfreulich. Von den rund 500 Fotos waren nur zwei leicht verschmutzt! Ein sehr gutes Resultat im Vergleich zu einigen Firmen im Ausland: Dort kommen Verunreinigungen, entstanden durch verschmutzte Fotorollen im Entwicklungsprozess oder Staubfäden bei der Belichtung, oft vor.
Dennoch war die Qualität der ausgewerteten Bilder sehr unterschiedlich. Nur gerade zwei Labors schafften es, die Farben neutral wiederzugeben. Beim Rest zogen sich leichte Gelb-, Rot- oder Grünstiche durch den ganzen Film, auch wenn dies nicht bei allen Sujets als störend empfunden wird. Die Hautfarbe etwa wirkt bei einem Rotstich rosiger, ein leichter Gelbstich kann ein Foto wärmer machen.
Farben sind Geschmackssache. Deshalb liessen wir drei Testpersonen die Fotos subjektiv beurteilen.
Jost J. Marchesi ist Fotoingenieur und Fachlehrer für Fotografie an der Allgemeinen Berufsschule Zürich. «In der Farbfotografie ist vor allem in den letzten zehn Jahren viel passiert», erklärt er. «Dank der Computerisierung wurden Maschinen entwickelt, die eine schnelle und zuverlässige Farberkennung ermöglichen.»
Die moderne Fotoentwicklungsmaschine kann ausserordentlich viel und ersetzt den Menschen zum grössten Teil. So vergleicht sie bei jedem Fotosujet mindestens 32 Bildpunkte mit Hunderttausenden von gespeicherten Fotos und erkennt auf diese Weise mit 80prozentiger Sicherheit, ob es sich bei der Aufnahme um ein Porträt oder ein Postkartensujet handelt. Automatisch stellt sie die Farbgebung jeweils entsprechend ein: bei Himmel mehr Blau, beim Laubfrosch im Gras mehr Grün. Alle Nuancen kann aber auch die beste Maschine nicht erkennen.
Qualitätskontrollen sind teuer
Die Labors lassen deshalb Laborantinnen die Fotos kontrollieren. Es sind immer Frauen, da Männer von Natur aus das schlechtere Farbsehen haben. Die Fachfrauen suchen die schnell vorbeifahrenden Fotobänder nach fehlerhaften Fotos ab. Entweder korrigieren sie diese per Knopfdruck an der Maschine oder stempeln sie zum Ausschuss, der den Kunden nicht berechnet wird. In dieser Nachkontrolle liegt auch die Erklärung für die grossen Preisdifferenzen der einzelnen Labors. Je mehr Fotos von Hand korrigiert werden, je mehr Kontrolldurchgänge gemacht werden, desto teurer wird die Entwicklung.
Dies zeigt sich in unserem Test. Alle unterbelichteten Aufnahmen wurden zwar aufgehellt doch einzig das teuerste Labor korrigierte auch die dunklen Köpfe in Gegenlichtaufnahmen. «Jede Kopie wird einzeln kontrolliert, und in der Kontrolle wird entschieden, welches Bild nochmals kopiert wird», rechtfertigt Foto Bären Optik ihre Preise von Fr. 1.10 pro Foto. Wenn der Computer alle Arbeit leiste, koste ein Bild bloss die Hälfte
Billigangebote als Köder
Bei M-Budget, der Entwicklungskette der Migros, wirkt allein der Computer. Ein Bild kostet hier 25 Rappen. Das Testresultat war ernüchternd: Die Fotos kamen praktisch alle unkorrigiert zurück und es wurden alle berechnet.
Das Billigangebot der Migros gilt aber nur für das kleinste Fotoformat; alle weiteren Leistungen laufen bei der Migros auf der Classic-Linie, die keineswegs günstiger ist als andere.
Preisgünstig bei sehr guter Leistung zeigt sich das «Color Labor». Hier wird zudem ein Film gratis mitgeschickt. Generell ist zwischen Standardpreisen und Promotionspreisen zu unterscheiden. Per Werbeangebot aus dem Briefkasten erhalten Sie denselben Service zu einem wesentlich günstigeren Preis. Allerdings haben Sie hier im Reklamationsfall kein Rückgaberecht.
Abgeschnittene Köpfe, verschwommene Bilder oder Bilder ohne Sujets nützen
in den meisten Fällen den Kunden nichts. «Werke» dieser Art sollten zwar mitgeschickt, aber nicht berechnet werden. Die Labors stehen in einem harten Preiskampf; es wird spitz kalkuliert. Dementsprechend zeigt sich auch die Kulanz der Labors. Nur bei fünf von den acht getesteten Angeboten konnte man die schlechten Fotos zurückschicken. Der Fotolabo Club berechnet eine Filmpauschale, unabhängig davon, ob nur die Hälfte des Films belichtet war.
Dieses Labor bietet zudem noch etwas Einmaliges: Filme, die zu einem recht stolzen Preis bei ihnen bestellt werden können, werden zu einem Sondertarif entwickelt. Dieser reduzierte Preis steht hervorgehoben auf den Fototaschen. Die normalen Preise stehen kleingedruckt darunter. Deshalb empfehlen wir hier einmal mehr: Lesen Sie das Kleingedruckte.