Bankberater prellt Kunden
Falsch beraten: Ein UBS-Berater veruntreut im grossen Stil Kundengelder. Die Bank schiebt die Schuld den vertrauensseligen Kunden zu.
Veröffentlicht am 31. August 2009 - 21:10 Uhr
Ein wahres Bijou! Das jahrhundertealte Bauernhaus wirkt lichtdurchflutet, modern umgebaut und ist mit Sinn fürs Detail eingerichtet. Kein Wunder, hat doch Hans-Peter Mathys rund 3000 Arbeitsstunden in den Umbau des Eigenheims in Büetigen BE gesteckt und, soweit das möglich war, alles selbst gemacht. Ein Zimmer und mehrere Nebenräume sind noch Baustellen. Denn der langgehegte Traum wurde für den 47-jährigen gelernten Maurer, seine 57-jährige Frau Brigitte und ihre vier Kinder kurz vor der Vollendung zum Alptraum.
Das Unheil nahm seinen Lauf, als ein UBS-Berater dem Ehepaar Mathys anerbot, sich persönlich um alles zu kümmern. Also brachte Brigitte Mathys die Rechnungen von Handwerkern und Materiallieferanten jeweils zur UBS, den Rest erledigte der smarte Banker. Dass dies ein äusserst ungewöhnliches Vorgehen ist, wussten die in administrativen Dingen unerfahrenen Mathys’ nicht. «Er nannte dies ‹Dienst am Kunden›», erinnert sich Brigitte Mathys.
Lange geht alles gut, bis Lieferanten über unbezahlte Rechnungen klagen. Der Berater erfindet Ausreden. Als Mathys’ damit drohen, den Direktor der zuständigen UBS-Filiale in Grenchen SO zu benachrichtigen, bittet der Berater sie inständig, dies nicht zu tun: «Sonst verliere ich meinen Job!» Mathys’ lassen sich beruhigen, werden aber erneut misstrauisch, als er vorschlägt, die Hypothek nicht nur um 40'000 Franken aufzustocken, wie dies für die Umbauarbeiten nötig wäre, sondern gleich um 200'000 Franken. Das mache man heutzutage so, den Rest könnten sie jederzeit zurückzahlen.
Dann geht es Schlag auf Schlag. Kaum ist die Hypothek ausbezahlt, verschwindet das Geld: Der UBS-Mann hebt in vier Tranchen innerhalb einer Woche über 171'000 Franken von Mathys’ Konten ab. Und plötzlich ist er nicht mehr erreichbar. Als sich der UBS-Berater am 1. Dezember 2008 der Polizei stellt, sitzen Mathys’ auf einem Schuldenberg. Der Banker benutzte ihr Hypothekargeld, um andere Löcher zu stopfen: Vermutlich mehr als 100 weitere UBS-Kunden der Filiale Grenchen hat er mit angeblich todsicheren, superrentablen Anlagegeschäften übers Ohr gehauen. Dem mutmasslichen Millionenbetrüger droht eine mehrjährige Haftstrafe – das Geld aber ist weg.
Die UBS stellt sich jetzt auf den Standpunkt, das gehe sie alles nichts an. Die Grossbank verlangt vom Ehepaar Mathys Zins- und Amortisationszahlungen für die Hypothek – also für Geld, das ihr Berater wahrscheinlich unterschlagen hat. Für jede Abbuchung gebe es eine Unterschrift von Brigitte Mathys, begründet die UBS ihre Haltung – auch für jene, die nicht für das Bezahlen von Handwerkerrechnungen verwendet wurden. «Wir haben ihm einfach geglaubt», sagt die gelernte Goldgiesserin fassungslos. Sie muss heute jede freie Stunde arbeiten gehen, damit die Familie die dringendsten Rechnungen bezahlen kann.
So oder so macht es sich die Grossbank zu einfach. Sie hätte viel früher merken müssen, dass etwas nicht stimmt. Mathys’ umfangreicher Umbau war von Anfang an ein Fall für einen Baukredit, nicht für eine Hypothek. Nur in dieser rechtlichen Form übernimmt die Bank die Bezahlung von Handwerkerrechnungen – gegen eine Gebühr zwar, dafür wird alles geprüft. Mit einem Baukredit statt einer Hypothek hätte die Unterschlagung gar nicht passieren können. UBS-interne Richtlinien sehen für Fälle wie den der Familie Mathys klar einen Baukredit vor. «Aufgrund der uns vorliegenden Unterlagen können wir nicht nachvollziehen, warum trotzdem eine Hypothek gewählt wurde», sagt die UBS heute. Sprecherin Eveline Müller bestätigt, dass das Dossier bankintern nie überprüft wurde, bis der Fall aufflog, «weil nichts auf Unregelmässigkeiten hindeutete».
Das alles nützt dem Ehepaar Mathys wenig. Ob die UBS eine Mitschuld trifft oder ob Mathys’ grobfahrlässig vertrauensselig waren, werden nun die Gerichte entscheiden müssen.