Fertig Versteckspiel!
Die Schweizer Banken können nicht länger kneifen: Sie müssen allen Kunden detailliert Auskunft über verdeckte Gebühren geben. Nutzen Sie dafür unseren Musterbrief!
Veröffentlicht am 20. November 2012 - 08:40 Uhr
Im Folgenden finden Sie drei Musterbriefe zur Rückforderung der Retrozessionen:
Musterbrief 1:
Basisbrief, wenn Sie einen Vermögensverwaltungsvertrag haben.
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Musterbrief 2:
Falls Sie keinen Vermögensverwaltungsvertrag haben und Sie von Ihrer Bank bezüglich Anlagen nur beraten worden sind. Dieses Schreiben können Sie auch als Antwort auf eine bereits erfolgte Stellungnahme der Bank verwenden, falls die Bank Sie abgewimmelt hat mit der Begründung, Sie hätten keinen Vermögensverwaltungsvertrag.
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Musterbrief 3:
Falls Sie einen Vermögensverwaltungsvertrag haben und dieser eine Klausel enthält, wonach Sie auf Retrozessionen pauschal verzichten. Auch diesen Brief können Sie verwenden, wenn Sie von der Bank abgewimmelt worden sind mit der Begründung, Sie hätten im Vertrag auf eine Rückerstattung der Retrozessionen verzichtet.
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Der Kampf darum, welche Konsequenzen das Kickback-Urteil von Ende Oktober hat, ist in vollem Gang. Klar ist, dass Kunden mit einem Vermögensverwaltungsvertrag alle verdeckt gezahlten Entschädigungen gehören, die bisher Banken und Vermögensverwalter für sich abgezweigt haben (siehe: «Kickbacks: Das Geld gehört den Kunden»).
Recherchen des Beobachters zeigen nun: Alle Bankkunden, nicht nur jene mit einem Vermögensverwaltungsvertrag, haben Anrecht auf volle Transparenz. Banken und unabhängige Vermögensverwalter müssen allen Kunden Auskunft darüber geben, welche und wie viel Gebühren sie bei der Verwaltung von Geld einstecken.
Das Bundesgericht hatte bereits im August 2011 die unabhängigen Vermögensverwalter ausdrücklich verpflichtet, «auf Verlangen jederzeit über ihre Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen». Tun sie das nicht, laufen sie Gefahr, auch jene Entschädigungen an ihre Kunden geben zu müssen, die eigentlich dem Vermögensverwalter zustehen, etwa für den Aufwand, den er für den Verkauf eines Finanzprodukts betreiben muss.
Nach dem neusten Urteil des Bundesgerichts gilt das auch für Banken, die mit Kunden einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben. Aber nicht nur: Auskunft schulden die Banken auch Kunden ohne Vermögensverwaltungsvertrag, wenn sie ihnen einzelne Anlagefonds oder Finanzprodukte empfehlen. «Dazu sind sie gemäss Auftragsrecht verpflichtet», sagt Susan Emmenegger, Professorin für Bankenrecht an der Universität Bern.
Diese Auskunftspflicht umfasst damit deutlich mehr, als Banken und Vermögensverwaltern lieb sein kann. Das geht aus zwei rechtskräftigen Urteilen des Zürcher Handelsgerichts vom Mai 2011 hervor. Beide Male wurde die Credit Suisse verpflichtet, «über sämtliche Vergütungen und geldwerten Leistungen [...] Rechenschaft abzulegen». Die Grossbank musste danach «eine umfassende Abrechnung» über die Berechnungsweise, die Höhe und den Erhalt solcher Zahlungen vorlegen und das «so weit möglich durch Urkunden» belegen. Für Emmenegger ein klares Signal, dass sich die Branche jetzt nicht mehr herausreden kann.
«Es ist bestimmt kein Fehler, wenn Kunden jetzt bei der Bank nachfragen und volle Transparenz über alle verdeckten Entschädigungen einfordern», sagt auch der Zürcher Anwalt Daniel Fischer, der erfolgreich viele Lehman-Opfer vertreten hat. So erhalten Bankkunden erstmals Einsicht, wie viel es sie tatsächlich kostet, wenn sie ihre Gelder anlegen.
Volle Transparenz zu schaffen wird für die Banken teuer: Sie müssen jedem einzelnen Kunden jede verdeckte Zahlung offenlegen – und das für die vergangenen zehn Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt gemäss einem Urteil des Zürcher Obergerichts von 2001 erst, wenn das Auftragsverhältnis beendet wird. Banken und Vermögensverwalter verfügen zwar über die notwendigen Daten. Doch mit ihrer aktuellen Software seien sie nicht in der Lage, solche Zahlungen quasi auf Knopfdruck einzeln auszuweisen, sagt ein Insider.
Ob nur Kunden mit Vermögensverwaltungsvertrag entschädigt werden müssen, ist nach dem wegweisenden Bundesgerichtdurteil vom Oktober nicht geklärt. Diese Frage war nicht Gegenstand der Beratungen. Daraus könne man jedoch nicht ableiten, dass Kunden mit einem normalen Depot keine Ansprüche geltend machen können, sagt Bankenrechtlerin Susan Emmenegger. Es werde jedoch schwierig und teuer, dieses Recht vor Gericht durchzusetzen. Ein Verfahren bis vor Bundesgericht kostet leicht mehrere zehntausend Franken, und bis ein Urteil gefällt ist, verstreichen gut und gern fünf, sechs Jahre.
«Wem die Banken jetzt vollen Einblick in die Retrozessionszahlungen gewähren, der sollte sich die Bankauszüge der letzten zehn Jahre genau ansehen», sagt der Zolliker Anwalt und Professor Alexander de Beer. Finden sich darin Hinweise, dass Anlagen häufig umgeschichtet wurden oder im Depot sehr viele hauseigene Finanzprodukte liegen, liege der Verdacht nahe, dass der Vermögensverwalter sich hohe Provisionen sichern und sich bereichern wollte. Das sei eine gravierende Verletzung der Treuepflichten gegenüber dem Kunden.
De Beer empfiehlt in solchen Fällen, wegen drohender Verjährung rasch juristischen Rat einzuholen: «Es kann dabei um bedeutend grössere Summen gehen als bei der Rückforderung von Retrozessionen.»
Allerdings dürften es solche Klagen vor Gericht schwer haben, warnt Susan Emmenegger. Allein der Nachweis der Schadenhöhe sei eine sehr komplizierte Sache. Solche Prozesse seien höchstens für sehr vermögende Anleger eine Option, sagt auch de Beer. Die müssen aber meist gar nicht bis vor Bundesgericht gehen. Die Entschädigungen, die Opfern des Hedge-Fonds-Jahrhundertbetrügers Bernard Madoff gezahlt wurden, zeigen in aller Klarheit: Bei sehr betuchter Klientel verhalten sich die Banken oft überraschend kulant.