Ich habe noch nie etwas bei einer meiner Liquidationen gekauft. So etwas tut man nicht. Es macht einen schlechten Eindruck. Ausserdem würde mir das Einkaufserlebnis fehlen, wenn ich bei mir einkaufte.

Ich führe seit 30 Jahren Liquidationen durch, meist im Auftrag von Erben, Nachlassverwaltern oder Willensvollstreckern. Manchmal nennen wir diesen meist mehrtägigen Anlass auch einfach «Verkauf», weil das Wort «Liquidation» für viele einen negativen Unterton hat – so, als müsste da jemand das Tafelsilber verscherbeln, aus schierer Not. Vom «Baur au Lac» zum Beispiel haben wir die Inneneinrichtung verkauft. Die Swissair hingegen haben wir damals liquidiert; da wussten sowieso alle, was Sache war.

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Das Liquidationsgeschäft habe ich von meinem Vater übernommen, schon mein Grossvater hatte ein Antiquitätengeschäft. Ich glaube, das Liquidationsbusiness ist ein typisch schweizerisches Geschäft; nur in wenigen anderen Ländern gibt es ähnliche Angebote. Ich arbeite auf Provisionsbasis, also für einen Prozentsatz des Verkaufserlöses.

Jürg Hoss, Liquidator

Quelle: Christian Schnur
Das Bargeld lag in den Schubladen

Es gibt auch Anfragen, die ich ablehnen muss, weil sich der Aufwand gar nicht lohnt. Ich versuche immer, den Auftraggebern keine falschen Hoffnungen zu machen. Sage ich, eine Liquidation ergebe 200000 Franken und bringe dann nur 180000, ist das schlecht. Sage ich, ich rechne mit 150000 Franken und komme dann auf 180000, ist das erfreulich. Ich habe auch schon ziemliche Mengen Bargeld in den Schubladen gefunden. Da freuten sich die Erben.

«Liquidation klingt für viele so, als müsste jemand aus schierer Not sein Tafelsilber verscherbeln.»

Jürg Hoss

Zuletzt haben wir eine Zwölfzimmervilla am Zürichberg liquidiert. Die Besitzerin ist verstorben, der Erlös geht an eine Stiftung. Zwei Wochen lang haben wir Schubladen geräumt, Waren gesichtet, viel geputzt. Ich muss immer lachen, wenn die Leute an eine Liquidation kommen und sagen: «Die hat dann schön gelebt!» Sie ahnen nicht, wie lange wir aufgeräumt und abgestaubt haben.

Diskretion ist etwas vom Wichtigsten

Die Preise für den Verkauf mache ich alle selber, da kommt mir die langjährige Erfahrung zugute. Ich erkenne zum Beispiel die Etiketten auf der Rückseite von Bildern, weiss, welchen Ruf eine bestimmte Galerie hatte. Ich lasse auch mit mir reden, vor allem gegen Ende einer Liquidation.

Ich versuche, möglichst viel über den Menschen zu erfahren, dessen Nachlass ich liquidiere. Aus zwei Gründen: Zum einen haben die Käufer oft Fragen, interessieren sich für die Geschichte eines bestimmten Gegenstands, die natürlich eng mit der des Besitzers verknüpft ist. Zum anderen kommen an Liquidationen oft auch Menschen, die in irgendeinem Verhältnis zum Eigentümer standen. Da muss man dann verhindern, dass über einen Verstorbenen schlecht geredet wird oder dass Dinge ausgeplaudert werden, die nicht an die Öffentlichkeit gehören. Diskretion ist etwas vom Wichtigsten, was ein Liquidator bieten muss. Gerade bei der Zürichberg-Villa, die wir letzte Woche liquidiert haben, war es wichtig, dass ich gewisse Gesichter erkannte, denn dem Verkauf war ein langwieriger Erbschaftsstreit vorausgegangen. Ich wollte um jeden Preis verhindern, dass sich die Kontrahenten vor fremden Leuten treffen.

«Es kann schon vorkommen, dass 100 Leute Schlange stehen.»

Jürg Hoss

Zum Thema Diskretion gehört auch, dass man an unseren Liquidationen keine Hinweise auf die ehemaligen Besitzer findet. Ich stelle immer sicher, dass in Bilderrahmen keine Familienfotos sind, dass nichts zum Verkauf gelangt, was angeschrieben ist oder sonst Rückschlüsse auf den Eigentümer zuliesse. Ich möchte, dass die Leute wissen: Der Hoss ist kein Flohmarkt. Deshalb sperren wir vor Liquidationen auch die Zugänge ab, damit sich niemand einen Vorteil verschaffen kann, indem er sich vorher darüber informiert, wo die spannenden Sachen stehen. Am Morgen vor der Liquidation kann es dann schon vorkommen, dass 100 Leute Schlange stehen. Deshalb steht auch immer ein Sicherheitsdienst bereit. Gestohlen wird zum Glück relativ selten.

Streitende Erben sind undankbar

Am schwierigsten ist es für mich, wenn Erben streiten. Das finde ich undankbar, denn wenn man erbt, darf es eigentlich nur einen Gedanken geben: Man erhält ein Geschenk. Trotzdem halte ich die Erbschaftssteuerinitiative für problematisch. Zum einen, weil es unendlich schwierig ist, ein Erbe zu bewerten – gerade wenn es um Kunst geht, was ja bei wohlhabenden Familien oft ein wichtiger Faktor ist. Es kommt nicht nur darauf an, wer die Bilder bewertet, sondern auch wo. Im Kanton Zürich kann ein Bild einen völlig anderen Wert haben als im Kanton Aargau. Zum andern regeln wirklich Vermögende ihren Nachlass rechtzeitig, indem sie zum Beispiel den Wohnsitz wechseln.