Nachkommen zahlen für politische Sünden
Das Erbrecht unterscheidet nicht zwischen ehelichen und ausserehelichen Kindern – schon seit 23 Jahren. Dennoch gibt es noch immer Nachkommen, die beim Erben leer ausgehen.
Veröffentlicht am 29. August 2001 - 00:00 Uhr
Maya Althaus kann es noch immer nicht fassen: Als ihr Vater vor anderthalb Jahren starb, erbte sie nichts – als einzige leibliche Tochter. Bevorzugt wurden die Kinder der Geschwister ihres Vaters, die sie nicht einmal kennt.
Wie konnte es dazu kommen? Maya Althaus und ihr Vater hatten ein gutes Verhältnis. Die heute 65-Jährige reiste oft von ihrem Engadiner Wohnort ins Zürcher Oberland und pflegte ihren Vater. Sie half ihm auch, seine finanziellen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, und in seiner Wohngemeinde war sie als Ansprechpartnerin bekannt. Bei Problemen fragte die Gemeinde regelmässig bei Maya Althaus an, da ihr Vater praktisch blind war und viele alltägliche Dinge nicht mehr allein regeln konnte.
Rigide Moral beeinflusst Gesetz
Maya Althaus’ einziges Handicap: Sie ist ein aussereheliches Kind. Ihr Vater ging nach ihrer Geburt nur eine so genannte Zahlvaterschaft ein. Das heisst: Er zahlte zwar Unterhaltsbeiträge, hatte aber keinerlei familienrechtliche Verpflichtungen. Die Zahlvaterschaft ermöglichte es ihm, still und heimlich für sein aussereheliches Kind zu zahlen, ohne dass seine Vaterschaft bekannt wurde. Er galt also rechtlich nicht als Vater und wurde im Zivilstandsregister nicht als solcher eingetragen.
Die Folge: Maya Althaus ist nicht erbberechtigt. Dies obwohl im schweizerischen Kindesrecht von 1978 steht, dass ein uneheliches Kind einem ehelichen gleichgestellt ist.
Das Problem: Bei der Gesetzesrevision wurde die Zahlvaterschaft nicht rückwirkend aufgehoben.
Bis 1978 wurde bei ausserehelichen Kindern zwischen der Zahlvaterschaft und der Vaterschaft mit Standesfolge unterschieden. Letztere bedeutete eine weit gehende Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen: Ein mit Standesfolge anerkanntes Kind war – mit Einschränkungen – auch erbberechtigt.
Bei der Revision des Kindesrechts wurde nur das Kindesverhältnis mit Standesfolge dem ehelichen Kind erbrechtlich gleichgestellt – nicht aber die Zahlvaterschaft. Kinder von Zahlvätern wie Maya Althaus sind deshalb häufig auch heute noch vom Erbe ausgeschlossen.
Unrecht in Kauf genommen
«Der Gesetzgeber hat damals bewusst in Kauf genommen, dass gewisse Leute ungleich behandelt werden», sagt Hermann Schmid vom Bundesamt für Justiz. «Dass das ungerecht ist, versteht sich von selbst. Doch das war damals halt eine politische Entscheidung.»
Der Vater von Maya Althaus hatte es versäumt, seine Tochter testamentarisch zu begünstigen. Hätte er sie mit Standesfolge anerkannt oder seine blosse Zahlvaterschaft bis Ende Dezember 1979 dem neuen Recht unterstellt, könnte sie heute auch ohne Testament sein Erbe antreten.
Nicht nur Maya Althaus empfindet diese Regelungen als ungerecht, auch Cyril Hegnauer, der «Vater» des neuen Kindesrechts, hat Verständnis für die Enttäuschung von Maya Althaus: «Ich habe damals getan, was ich konnte. Mehr aber war politisch einfach nicht möglich.»
Maya Althaus will sich damit jedoch nicht zufrieden geben: «Ich kämpfe weiter gegen das ungerechte Gesetz.»