Roland Flüeler ist nicht zu beneiden. Der Schwyzer Untersuchungsrichter soll die Verantwortlichen eines Millionenbetrugs mit Hunderten Geschädigten zur Rechenschaft ziehen. Ermittelt wird gegen sechs Mitarbeiter und den Verwaltungsrat der Ipco Investment AG in Pfäffikon SZ - wegen Veruntreuung, Betrug, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und Geldwäscherei. Ein Hauptverdächtiger ist Spanier und operierte von Madrid aus; der andere, der Schweizer Mike Niggli, ist nach Brasilien geflohen. Kein Problem für den langen Arm der Justiz, sollte man meinen: Wozu gibts Rechtshilfeabkommen? Doch Flüeler droht ein Fiasko - die Beschuldigten haben beste Chancen, ungeschoren davonzukommen.

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Das «Geschäftsmodell» der Ipco Investment AG ist schnell erklärt: Von 1996 bis Anfang 2004 sammelte die Gesellschaft von mehreren hundert Anlegern Gelder für Devisengeschäfte ein und versprach zweistellige Zinsen pro Jahr. Ipco gab vor, am Devisenmarkt nicht selber tätig zu sein, sondern sich eines Brokers zu bedienen - der FX Midex SL in Madrid. Die Anleger erhielten regelmässig Kontoauszüge, die hohe Renditen auswiesen. Was viele dazu verleitete, noch mehr zu investieren.

Die Auszahlung von angeblichen Gewinnen erfolgte anfänglich anstandslos.Doch dann fiel das Kartenhaus in sich zusammen: Die Midex - in Spanien auf einer «schwarzen Liste» unseriöser Broker - hatte nur fiktive Gewinne ausgewiesen. Das Geld der Anleger, Dutzende Millionen Franken, soll grösstenteils direkt auf die Konti der Drahtzieher geflossen sein.

Die Ipco-Verantwortlichen gaben sich unwissend und traten die Flucht nach vorn an. Sie erstatteten Strafanzeige gegen eigene und Midex-Mitarbeiter. Alle Angeschuldigten im Schwyzer Strafverfahren weisen denn auch den Betrugsvorwurf von sich.

«Ich habe mein Erspartes verloren»
Die Eidgenössische Bankenkommission verfügte 2005 den Konkurs der Ipco. Die Aussichten für die 505 registrierten Gläubiger sind trostlos: Die Aktiven von rund 2,5 bis drei Millionen Franken decken vermutlich nur gut drei Prozent aller Forderungen, die sich auf rund 68 Millionen Franken belaufen. «Ich habe mein Erspartes verloren», sagt einer der Betroffenen, ein Bauer aus dem Emmental. Dass er sich von hohen Renditeversprechen blenden liess, dafür «hintersinne» er sich jeden Tag.

Zwischen der Schweiz und Spanien gibt es ein Rechtshilfeabkommen, das auch die Übernahme von Strafverfahren einschliesst. Auf dieser Grundlage nimmt die zuständige ausländische Behörde das Gesuch aus der Schweiz entgegen, ist aber nicht verpflichtet, ein eigenes Strafverfahren zu eröffnen. Auch im Fall Ipco geschieht das nicht. «Ich habe Spanien mehrfach ersucht, selbst Strafuntersuchung gegen jene Personen zu führen, die strafbare Handlungen in Spanien begangen haben dürften. Man war dazu nicht bereit», teilt Untersuchungsrichter Flüeler den Gläubigern mit. Der Madrider Untersuchungsrichter argumentiert, die Handlungen in Spanien seien Teil der in der Schweiz begonnenen strafbaren Handlungen. Daher sei er nicht zuständig.

Diese Haltung könne die Abklärungen «bezüglich entscheidender Aspekte allenfalls komplett verunmöglichen», so Flüeler. Kommt hinzu, dass Spanien eigene Staatsbürger nicht ausliefert. Die Konsequenz: Der Prozess in der Schweiz droht zu platzen. Um in Spanien doch noch ein Strafverfahren einzuleiten, versucht der Ipco-Konkursliquidator seit längerem, über eine Rechtsanwältin in Spanien die Pseudobroker der Ipco anzuklagen. Bislang ohne Ergebnis.

Die Staatsbürgerschaft erschlichen
Bis heute wurden im Fall Ipco Dutzende Rechtshilfegesuche an sieben Staaten gerichtet, wo die Ipco aktiv war oder Konti der Verdächtigen vermutet werden - einige Anfragen sind auch nach einem Jahr noch unbeantwortet. «Der Gesuchsteller kann das Tempo kaum beeinflussen», so Flüeler.

Solche zwischenstaatlichen Leerläufe sind keine Ausnahmeerscheinungen. Dazu Folco Galli, Mediensprecher im Bundesamt für Justiz: «Wir führen keine Statistik. Es kommt immer wieder mal vor, dass schweizerisches Ersuchen um Strafübernahme aus verschiedensten Gründen nicht zur Eröffnung eines Verfahrens führt.» Umgekehrt übrigens auch, pochen doch alle Staaten auf ihr Territorialprinzip.

Selbst Teilerfolge sind relativ. Als es um die Ipco brenzlig wurde, setzte sich einer der Hauptbeschuldigten, der Schweizer Mike Niggli, mit seinen Millionen nach Brasilien ab. Die Staatsbürgerschaft des südamerikanischen Staates hatte er kurz zuvor erhalten. Im November 2005 verurteilte das Schwyzer Kantonsgericht den flüchtigen Niggli in einem anderen Verfahren wegen Betrugs zu drei Jahren Haft. Auch Brasilien liefert seine Bürger nicht aus. Flüeler gelang jedoch der Nachweis, dass Niggli die brasilianische Staatsbürgerschaft mit einem gefälschten Leumundszeugnis erschlichen hatte. Er kam in Untersuchungshaft, mehrere Luxusautos und Immobilien wurden beschlagnahmt. Die brasilianische Staatsbürgerschaft wurde Niggli aberkannt. Während das Auslieferungsbegehren lief, setzte er sich aus dem Hausarrest ab. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Was mit dem beschlagnahmten Vermögen geschieht, ist offen.

Und: Zum Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Gerichten und den Gesuchten gehört der Faktor Zeit. Selbst wenn es doch noch zum Prozess kommt, dürften viele Vergehen bereits verjährt sein.

Privatdetektive: Professionelle «Leichenfledderer»

Millionenpleiten wie bei Ipco Investment locken private Ermittler an. In diesem Fall lancierten die beiden Deutschen Günter Hündl und Harald Krügel eine «Interessensgemeinschaft Ipco-Geschädigter», der sich nach eigenen Angaben rund 100 Gläubiger angeschlossen haben - sie greifen nach jedem Strohhalm.

Die privaten Ermittler kassieren Pauschalspesen von bis zu 3,5 Prozent der Schadenssumme und im Erfolgsfall 15 Prozent der eingetriebenen Gelder - Kritiker sprechen von «Leichenfledderei». Krügel reagiert gelassen: «Unsere Konditionen sind transparent. Wir verdienen nur, wenn wir erfolgreich sind.»

Detektiv Krügel bedient sich auch unzimperlicher Methoden: Da wird schon mal ein Polizist in Südamerika bestochen, um einen abgetauchten Betrüger in einer Zelle festzusetzen. Rückt dieser mit Geld raus, kommt er frei - sonst lässt man ihn schmoren. Millionenbeträge will Krügel so für Mandanten eingetrieben haben.

Der amtliche Konkursliquidator Eugen Fritschi, der bisher 270'000 Franken zulasten der Konkursmasse in Rechnung gestellt hat, hält nichts von den Methoden der privaten Konkurrenz. «Meines Erachtens bieten die verantwortlichen Personen keine Gewähr, dass allenfalls zufliessende Mittel rechtsgleich verteilt werden.»