Der Mann ist erschüttert: «Ich bin seit vierzig Jahren bei meiner Krankenkasse», sagt der rüstige Rentner und blättert in seinen Unterlagen. «Beim Eintritt betrug die monatliche Prämie Fr. 8.50, heute sind es Fr. 448.35.» Jetzt fragt er sich, ob er die jahrelang bezahlte Spitalversicherung «Halbprivat» sausen lassen soll. Denn für ihn ist klar: «Der Wechsel in eine andere Kasse ist für 70-Jährige ausgeschlossen.»

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Ja – und nein. Ja, weil es für über 50-Jährige schwierig ist, eine andere und billigere Zusatzversicherung zu finden. Denn die neue Kasse kann die Aufnahme verweigern oder Vorbehalte für Krankheiten anmelden, die früher aufgetreten sind. Nein, weil in der obligatorischen Grundversicherung ein Wechsel auch für Betagte und Kranke ohne Nachteile möglich ist. Es wäre also möglich, die Zusatzversicherung stehen zu lassen und die Grundversicherung zu zügeln.

Das bestätigen die Behörden. «Die Versicherten haben ein Recht, das für sie attraktivste Angebot auszusuchen», sagt Harald Sohns vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). Seit einem Jahr dürfen die Kassen zudem «eine versicherte Person nicht dazu zwingen, bei einem Wechsel des Versicherers auch die bei ihm abgeschlossenen Zusatzversicherungen zu kündigen». Eine Aufteilung der Versicherung auf zwei Krankenkassen kann sich lohnen. Ein Beispiel: Bei den grossen Familienkassen kostet die Grundversicherung im Kanton Zürich zwischen 260 und 300 Franken im Monat. Kleinere Kassen sind gut und gern 60 bis 80 Franken günstiger. Jährliches Sparpotenzial: bis zu 1000 Franken.

Kassen und Spitäler blocken ab
Exotisch ist das Splitting der Versicherungsdeckung längst nicht mehr. Die Krankenkasse Visana hat das Modell forciert, als sie in diversen Kantonen die Grundversicherung aus dem Angebot strich. Heute sind 106000 ihrer Kunden nur zusatzversichert – das Grundpaket haben sie anderswo. Der Marktführer Helsana zählt sogar 330000 Nur-Zusatzversicherte. Dies, obwohl Helsana-Sprecher Christian Beusch eigentlich davon abrät. Als Vorteile einer Paketlösung nennt er: «Abwicklung aus einer Hand; keine Diskussionen, welche Kasse welche Leistungen zu übernehmen hat; weniger administrativer Aufwand.»

Viele Krankenkassen sehen die Aufteilung nicht gern. Das beweist der verdeckte Test des Beobachters. Die 36 grössten Kassen wurden telefonisch angefragt, ob eine Spital-Zusatzversicherung abgeschlossen werden kann. Neun reagierten negativ; «nur zusammen mit der Grundversicherung», hiess es mehrfach.

Eine andere Strategie verfolgt die EGK-Gesundheitskasse. Sie verlangt zur Monatsprämie von 54 Franken einen «Administrativkostenzuschlag» von 20 Franken – pro Monat. Auch die Krankenkasse SLKK will monatlich einen Fünfliber zusätzlich. Das Signal ist klar: aufteilen unerwünscht.

Wenig hilfreich zeigen sich auch viele Spitäler. Sie schicken zusatzversicherten Patienten eine einzige Gesamtrechnung. Wer zurückfragt und eine Aufteilung nach Grund- und Zusatzversicherung verlangt, bekommt die überraschende Antwort: «Das geht nicht – wir haben keine Ahnung, welche Kasse was bezahlt.» Eine falsche Antwort. In der Verordnung über die Krankenversicherung heisst es eindeutig: Der Anteil der Grundversicherung sei «in der Rechnung von anderen Leistungen klar zu unterscheiden».

Klare Aufteilung – oder Kündigung
Der bürokratische Aufwand sollte die Versicherten eigentlich nicht gross kümmern. Es braucht zwar mehr Zeit und Arbeit, mit zwei Kassen abzurechnen, doch dafür locken viele gesparte Prämienfranken. «Ein allfälliger Mehraufwand wird durch die hohen Einsparungen in der Regel mehr als kompensiert», heisst es dazu beim VZ Vermögens-Zentrum. Eine saubere Buchhaltung hilft, den Aufwand in Grenzen zu halten. Dabei ist zu beachten:

Regel 1:
Vorher abklären. Fragen Sie den Grund- und den Zusatzversicherer, wie Sie Arzt- und Spitalrechnungen am einfachsten abrechnen.



Regel 2:
Grundversicherer zuerst. Wenn Sie keine Vorgaben erhalten, schicken Sie die Rechnungen am besten an den Grundversicherer – mit dem Hinweis auf die Zusatzversicherung bei einer anderen Kasse. Werden nicht alle Kosten übernommen, erhalten Sie die Rechnung mit einem Vermerk zurück. Den Restbetrag können Sie beim Zusatzversicherer geltend machen.



Regel 3:
Nicht Bank spielen. Wenn Sie Ihre Versicherung auf zwei Kassen aufteilen, erhalten Sie die Rechnung kaum innerhalb von 30 Tagen vergütet. Bezahlen Sie die Arzt- oder Spitalrechnung aber erst, wenn Sie das Geld erhalten haben. Bei grösseren Verzögerungen sollten Sie dem Arzt oder dem Spital die Situation erklären; Sie sollten in den meisten Fällen auf Verständnis stossen.

Nicht beantwortet ist damit aber die Frage des 70-jährigen Rentners. Soll er seine Spitalversicherung behalten oder nicht? Wer sich die Prämien vom Mund oder von den Ferien absparen muss, sollte sich eine Kündigung überlegen. Eine klare Meinung dazu hat BSV-Direktor Otto Piller. Immer wieder weist er auf die gut ausgebaute Grundversicherung hin und verkündet: «Aus medizinischen Gründen braucht niemand eine Zusatzversicherung.»