Roman Vettiger, Mitinhaber der Bodenlegerfirma Glatt & Vettiger AG in Liestal, schüttelt den Kopf. Immer wieder. Er will nicht akzeptieren, was der eigenen Mini-Vorsorgestiftung mit zwölf Versicherten zurzeit passiert: «Da wird unter amtlicher Aufsicht vernichtet, was wir während Jahrzehnten aufgebaut haben.» So sieht er es.

Andreas Fahrländer, Leiter des kantonalen Amts für Stiftungen und berufliche Vorsorge, sieht es anders: «Wir setzen lediglich unsere Aufsichtspflicht durch.» Mehr will er wegen des laufenden Verfahrens nicht sagen. Nur so viel: «Machen Sie zu dieser Kasse ein grosses Fragezeichen.»

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Viel in eigene Häuser investiert

Die Situation ist völlig verfahren: Vettiger und einer seiner Mitarbeiter sind als Stiftungsräte der Vorsorgeeinrichtung suspendiert, mit der kommissarisch eingesetzten Sachwalterin verkehren sie über Anwälte, und zwei Verfahren sind bereits vor Bundesgericht hängig. «Aus heutiger Sicht wird der Schaden für die Vorsorgestiftung mindestens eine Million Franken betragen», meint Vettiger. Er weiss, dass der Stiftungsrat am Drama mitschuldig ist: «Wir haben Fristen verpasst.»

Die «Vorsorgestiftung der Glatt und Vettiger AG» ist eine teilautonome Pensionskasse, die nicht alle Risiken selbst versichert. So wie gut die Hälfte der rund 2500 Pensionskassen in der Schweiz. Auch Kleinstkassen gibt es Hunderte: 523 Vorsorgeeinrichtungen hatten 2007 weniger als 30 Versicherte.

Seit 1985 sind alle Mitarbeitenden der Glatt & Vettiger AG samt den Chefs bei der Baloise-Sammelstiftung gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität vollversichert. In der eigenen Vorsorgestiftung führen die beiden Betriebsinhaber zusätzlich eine Kaderversicherung. Zudem werden in der Jahresrechnung 2007 rund 170'000 Franken als Rentenguthaben ausgewiesen. Dieses Geld aus einer früheren Vertragsanpassung gehört allen Versicherten.

Das im Jahr 2007 ausgewiesene Stiftungsvermögen von rund sechs Millionen Franken steckt zu gut 80 Prozent in Liegenschaften und einem Darlehen bei der eigenen Firma. Die Liegenschaften der Stiftung wurden bis 2008 im Rahmen des Immobilienbestandes der Glatt & Vettiger AG mitverwaltet, was Kosten sparte. Auf Aktien und andere Wertschriften wurde bewusst verzichtet. Das hat sich ausgezahlt: Die Vorsorgestiftung wies Ende 2007 einen stolzen Deckungsgrad von 145 Prozent aus.

In der Regel eine Formsache

Das Amt für Stiftungen und berufliche Vorsorge des Kantons Baselland genehmigte die Jahresrechnung der Kleinstkasse bis 2003 jeweils anstandslos. Dann verschärfte der Gesetzgeber die Bestimmungen: Für ungesicherte Anlagen beim Arbeitgeber – wie das Darlehen der PK – gilt seit 2004 eine Obergrenze von fünf Prozent des Vermögens. Allerdings können Vorsorgeeinrichtungen davon abweichen, sofern die Sicherheit der Vorsorgegelder schlüssig dargelegt wird. In der Regel eine Formsache.

Das dachte sich auch Stiftungsratspräsident Vettiger, als die kantonale Aufsicht fehlende Reglemente, eine aktuelle Verkehrswertschätzung der Liegenschaften und die unzureichende Sicherung des Darlehens monierte. Er fühlte sich auf der sicheren Seite – und kam der Aufforderung nicht nach. 2006 und 2007 verschärfte die Aufsicht den Druck, verfügte Bussen, setzte neue Fristen und drohte schliesslich, die Stiftungsräte abzusetzen.

Endlich reagierte die Vorsorgestiftung. Ein Fünftel des Darlehens ist nun zurückbezahlt, eine aktuelle Verkehrswertschätzung wurde durchgeführt und die Basler Beratungsgesellschaft Berag sollte die Reglemente anpassen. Die Einschätzung des branchenerfahrenen Berag-Chefs Ernst Sutter: «Für die Vorsorgegelder bestand zu keiner Zeit eine Gefahr.»

Doch bevor die Berag die Reglemente anpassen konnte, riss Aufsichtschef Fahrländer der Geduldsfaden. Mitte 2008 entzog er den beiden Stiftungsräten die Zeichnungsberechtigung und setzte eine Anwältin als Sachwalterin ein. Diese hatte den Auftrag, «gegebenenfalls die Liquidation der Vorsorgestiftung durchzuführen».

Dass die Aufsicht so schweres Geschütz auffährt, ist selten. PK-Spezialist Bruno Christen (siehe Artikel: «Für jede neue Vorschrift eine alte abschaffen») spricht von der «ultimativ letzten Möglichkeit». Laut Fahrländer werden ein- bis zweimal pro Jahr solch scharfe Sanktionen ergriffen – meist wegen Interessenkonflikten oder Untätigkeit des Stiftungsrats. Sein Amtskollege Erich Peter von der Zürcher Aufsicht registrierte in den letzten fünf Jahren 19 Fälle, wo Stiftungsräte abgesetzt oder suspendiert wurden – auch hier vor allem wegen «Interessenkonflikten oder mangelnder Handlungsfähigkeit des Stiftungsrats». Daten für die ganze Schweiz gibt es nicht.

Zugegebenermassen hohe Kosten

In Liestal nahmen die Dinge ihren Lauf. Ein Gesuch der Vorsorgestiftung Glatt und Vettiger um aufschiebende Wirkung wurde vom Bundesgericht abgelehnt. Die Sachwalterin beklagte sich über das unkooperative Verhalten des Stiftungsrats. Roman Vettiger wiederum haute es schier aus den Socken, als er ihre Honorarnote für die ersten drei Monate sah – 70425 Franken. Die gesamten Verwaltungskosten der Vorsorgestiftung betrugen bisher durchschnittlich 25000 Franken pro Jahr. Vettiger wetterte öffentlich gegen die «amtliche Plünderung».

Selbst Aufsichtschef Fahrländer schreibt von «zugegebenermassen hohen Kosten des Sachwaltermandats», gibt den schwarzen Peter aber an die nun suspendierten Stiftungsräte weiter: Die Kosten würden bei entsprechender Kooperation «bedeutend geringer ausfallen». Doch die Zwangsverwaltung ist längst ausgeufert. Die Sachwalterin will sämtliche Unterlagen und Korrespondenzen der Stiftung seit ihren Anfängen vor 32 Jahren auswerten. Das wird bei Stundenansätzen von 300 Franken teuer. Zum laufenden Verfahren will sich die Anwältin gegenüber dem Beobachter nicht äussern.

Sie veranlasste eine neue Schätzung der Liegenschaften. Diese fällt bedeutend tiefer aus, als in der Jahresrechnung ausgewiesen. Welche Zahl stimmt, ist strittig. Der versicherte Verkehrswert liegt etwa in der Mitte der beiden Schätzungen. Die Jahresrechnung 2008 fehlt noch, und der Abschluss 2007 wurde bisher nicht rechtsgültig unterzeichnet. Ein jahrelanger, teurer Rechtsstreit ist programmiert.

Vorsorgeexperte Ernst Sutter vermisst im Verfahren den «ökonomischen Sachverstand». Eine angemessene Busse für die Saumseligkeit der Stiftungsräte hätte seiner Ansicht nach dem Gesetz besser Genüge getan: «Wir hatten eine gesetzeskonforme Lösung vorbereitet.» Stattdessen werden Hunderttausende Vorsorgefranken für den Streit ausgegeben – und zahlen müssen am Ende die Versicherten.