Plötzlich ist die Altersvorsorge weg
Wer Schulden hat, sollte sich gut überlegen, wie er sich das Pensionskassengeld auszahlen lässt. Sonst besteht das Risiko, alles zu verlieren.
Veröffentlicht am 4. August 2017 - 08:00 Uhr
Alexander Zuberbühler* war ausgesteuert, als er pensioniert wurde. Sein angespartes Pensionskassengeld von 230'000 Franken lag auf einem Freizügigkeitskonto. Eine Rente konnte sich der heute 68-jährige Konditor aus dem Aargau deshalb nicht mehr auszahlen lassen. Er musste das gesamte Altersguthaben als Kapital beziehen und auf sein Bankkonto überweisen lassen.
Davon erfuhr allerdings das Steueramt, bei dem Alexander Zuberbühler über 200'000 Franken Schulden hatte. Es liess einen Arrest auf das Konto legen. Später pfändete das Betreibungsamt Zuberbühlers gesamtes Pensionskassenguthaben.
Zuberbühler kam das seltsam vor – zu Recht. Denn das PK-Geld ist nur beschränkt pfändbar, unabhängig davon, ob man es als Rente oder als Kapitalabfindung bezieht (siehe «Was tun, wenn man Schulden hat?»). In diesem Sinn hat das Bundesgericht schon vor fast 100 Jahren entschieden.
Das Betreibungsamt hätte die Kapitalabfindung in eine hypothetische monatliche Rente umrechnen müssen – in Zuberbühlers Fall wären das rund 1200 Franken gewesen. Zusammen mit den 1700 Franken Monatsrente von der AHV wäre Zuberbühler knapp unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum von 3000 Franken des Kantons Aargau geblieben. Mit der Folge: Das Betreibungsamt hätte das ausbezahlte Pensionskassengeld nicht pfänden dürfen.
Nach Rücksprache mit dem Beobachter verlangte Alexander Zuberbühler die Umrechnung des gepfändeten Kapitals in eine Rente. Doch das Betreibungsamt stellte auf stur und beliess es bei der Pfändung. Warum das Amt so handelte, wollte es dem Beobachter nicht sagen.
«Wer sich das Pensionskassengeld als Kapital auszahlen lässt, muss es auf ein Konto einzahlen, auf dem kein anderes Geld liegt.»
Beobachter Tipp
«Der Betreibungsbeamte hat vermutlich schlicht und einfach nicht gewusst, dass man das Kapital in eine Rente umrechnen muss», vermuten zwei vom Beobachter angefragte Betreibungsbeamte aus den Städten Zürich und Basel.
Es kann aber auch sein, dass der Beamte Zuberbühlers Kapitalabfindung mit anderen Möglichkeiten der Barauszahlung verwechselt hat. Denn wenn man sich das Altersguthaben vor der Pensionierung zum Beispiel für einen Hauskauf oder wegen der endgültigen Abreise ins Ausland auszahlen lässt, ist es unbeschränkt pfändbar.
Möglich ist aber auch, dass Alexander Zuberbühler ein kapitaler Fehler zum Verhängnis wird. Der Aargauer hat sich nämlich sein Vorsorgeguthaben auf sein Privatkonto überweisen lassen, auf dem auch andere Gelder lagen. Davon überwies er 60'000 Franken an seine Ehefrau. Mit weiteren 20'000 Franken zahlte er Krankenkassen- und Mietschulden zurück.
Wer das ausbezahlte Kapital mit seinem übrigen Vermögen vermischt oder davon grosse Beträge bezieht, gibt damit allerdings zum Ausdruck, dass er das PK-Geld «zweckwidrig» nicht für seinen künftigen Unterhalt verwendet. So haben zuvor mehrere kantonale Gerichte entschieden und das ausbezahlte Kapital ebenfalls als für unbeschränkt pfändbar erklärt.
* Name geändert
Wie funktioniert die Pensionskasse?
Vor der Pensionierung ist das PK-Geld nicht pfändbar, solange es bei einer PK oder auf einem Freizügigkeitskonto liegt. Es kann aber unbeschränkt gepfändet werden, sobald man sich das Geld auszahlen lässt. Das ist möglich, wenn man
- die Schweiz endgültig verlässt
- eine selbständige Tätigkeit aufnimmt
- Wohneigentum kauft
- die Pensionskasse verlässt und die Austrittsleistung weniger als einen Jahresbeitrag ausmacht.
Nach der Pensionierung ist das PK-Geld beschränkt pfändbar – egal, ob man es als Rente oder Kapitalabfindung bezieht.
- Wenn die Rente zusammen mit der AHV mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum beträgt, ist jener Teil pfändbar, der über dem Existenzminimum liegt.
- Wenn das PK-Geld als Kapital ausbezahlt wird, wird dieses in eine hypothetische monatliche Rente umgerechnet. Danach ist ebenfalls nur der Teil pfändbar, der zusammen mit der AHV das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigt. Eine Kapitalabfindung ist zudem unbeschränkt pfändbar, wenn der Begünstigte das Geld nicht für den künftigen Unterhalt verwendet. Also wenn man das ausbezahlte Geld mit dem übrigen Vermögen vermischt oder mehr davon verbraucht, als bei einer Rentenlösung ausbezahlt worden wäre.
Viele Schweizer lassen sich ihre AHV- und PK-Rente nach Thailand überweisen. Pech hat, wer in der Schweiz Schulden hat. Denn Gläubiger können die PK-Rente pfänden lassen, wenn sie zusammen mit der AHV das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigt. Das kommt oft vor. Denn bei der Berechnung des Existenzminimums berücksichtigt das Betreibungsamt nur die effektiven Ausgaben für Miete und Krankenkasse. Beim Grundbedarf für Essen, Kleidung und Haushaltsausgaben wird der normale Ansatz von 1200 Franken für eine allein lebende Person auf 400 Franken gekürzt – entsprechend der Kaufkraft in Thailand.
Bei Personen, die nicht der Betreibung auf Pfändung sondern auf Konkurs unterliegen, ist ausbezahltes Pensionskassenkapital nicht vor Gläubigern geschützt. Automatisch dem Konkurs unterliegen etwa Inhaberinnen von Einzelfirmen, die im Handelsregister eingetragen sind. Oder Personen, die selbst einen Privatkonkurs beantragen.
Im Konkursverfahren fallen ausbezahlte Pensionskassengelder in die Konkursmasse - und zwar unabhängig davon, wie sie aufbewahrt und verwendet werden. Das Geld kann also vollständig zur Bezahlung der Forderungen der Gläubiger verwendet werden, auch wenn es auf einem separaten Konto liegt und nicht oder nur für den künftigen Unterhalt verwendet wird.
Wie funktioniert die AHV?
Beobachter-Mitglieder erhalten mit dem Merkblatt «Lohnpfändung – Leben mit dem Existenzminimum» weitere Infos zu ihren Rechten und Pflichten sowie eine Zusammenstellung eines Fallbeispiels, das zeigt, wie die pfändbare Quote berechnet wird.
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