Schuldner haben bei der Infoscore Inkasso AG wenig zu lachen: Bereits ab der zweiten Mahnung droht die Firma, bei Nichtbezahlung des offenen Betrags gespeicherte persönliche Informationen sowie «Mahndaten» an die Schwesterfirma Infoscore Zoom AG weiterzuleiten – und via diese an «Vertragspartner», sprich andere Firmen.

Doch selbst finanziell Unbescholtene haben keine Gewähr, dass sensible Informationen nicht in falsche Hände geraten. Infoscore speichert in ihrem System nach eigenen Angaben über 850'000 «Negativdaten» sowie 8,6 Millionen Adressen – und geht mit diesen Daten sehr sorglos um.

Dem Beobachter liegt ein Stapel Dokumente vor, die nach Datenschutzgesetz auf keinen Fall in die Hände Dritter gelangen dürften: Adressauskünfte, Anträge für Kreditkarten, Steuerformulare, Auszüge aus dem Betreibungsregister und jede Menge weiterer Informationen über Firmen und Privatpersonen. Fundort: ein offener Altpapiercontainer an der Ifangstrasse 8 in Schlieren, dem Schweizer Hauptsitz von Infoscore. Die Drohung, Daten weiterzugeben, erhält so plötzlich eine ganz andere Dimension.

Auf den meisten Blättern steht gross der Hinweis «Streng vertraulich», und das mit gutem Grund. Auf dem weggeworfenen Kreditkartenantrag von Mirjam Diggelmann aus Hittnau etwa finden sich nicht nur Angaben über Geburtsdatum, Zivilstand, Adresse und Arbeitgeber, sondern auch die Kreditkartennummer ihres Freundes, der für die Vermittlung einer neuen Kundin eine Prämie erhielt. «Das darf nicht wahr sein», staunt die Kosmetikverkäuferin: «Selbst in unserem Geschäft sind wir verpflichtet, gewisse Kundendaten zu schreddern.»

Kläger bekämen wahrscheinlich Recht
Auch Infoscore müsste nach Ansicht von Kosmas Tsiraktsopulos vertrauliche Unterlagen vernichten. «Wenn solche Dokumente ungeschreddert entsorgt werden, dann ist das zumindest grob fahrlässig und verletzt das Datenschutzgesetz», erklärt der Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür.

Konsequenzen hat Infoscore jedoch keine zu fürchten: Der oberste Datenschützer kann selbst in gravierenden Fällen keine Sanktionen aussprechen. Klage einreichen müsste eine der betroffenen Personen, die «vor Gericht mit grosser Wahrscheinlichkeit Recht erhalten» würde, sagt Tsiraktsopulos.

Bei Infoscore löste die Anfrage des Beobachters zunächst ungläubiges Staunen aus. «Wir haben einen gut dokumentierten Prozess zur Datenvernichtung, der sehr gewissenhaft durchgeführt wird», teilte die Geschäftsleitung mit. «Im Moment haben wir keinen Grund zur Annahme, dass dieser Prozess nicht ordnungsgemäss abläuft.» Intern sei klar festgelegt, dass Unterlagen mit vertraulichen Daten in den Schredder gehörten. Man werde der Sache jedoch nachgehen.

Das ist auch dringend nötig. Die aus dem Container gefischten Dokumente zeigen nämlich, dass innerhalb des Unternehmens sehr sorglos mit sensiblen Daten umgegangen wird. So ist ein Grossteil der Blätter doppelseitig bedruckt – mit Angaben zu unterschiedlichen Personen oder Firmen. Auf der Rückseite von Mirjam Diggelmanns Kreditkartenantrag etwa finden sich Angaben über eine Firma, die Sportgeräte herstellt – samt Hinweis auf deren Kreditlimite.

Die meisten Betroffenen werden davon jedoch nie etwas erfahren: Knapp zwei Stunden nach Entdeckung der heiklen Aktenberge fuhr ein Lastwagen vor und entsorgte das Papier – ungeschreddert.

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