Verlustschein – auf ewig verschuldet?
Das Betreibungsamt stellt Verlustscheine aus, wenn jemand nicht zahlen kann. Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen.
Veröffentlicht am 22. Mai 2023 - 12:08 Uhr
Die acht wichtigsten Punkte zum Verlustschein:
Was ist ein Verlustschein?
Wer Verlustscheine hat, hat meist schon einiges erlebt. Es gibt zwei Arten von Verlustscheinen. Entweder ist man betrieben und dann gepfändet worden; weil das Geld aber nicht gereicht hat, hat das Betreibungsamt einen Pfändungsverlustschein ausgestellt. Oder man hat einen Privatkonkurs durchlitten. Diejenigen Gläubiger, die am Schluss ihr Geld nicht bekamen, erhielten einen Konkursverlustschein.
Wie kann es dazu kommen?
Verlustscheine sind nicht wie eine biblische Plage, gegen die man völlig machtlos ist. Verlustscheine sind nur so viel wert wie das Fundament, auf dem sie stehen: die Forderung der Gläubigerin oder des Gläubigers.
Eine solche Forderung kann etwa berechtigt sein, wenn man ein Auto gekauft, aber nicht bezahlt hat. Doch das muss der Gläubiger erst einmal beweisen. Falls da gar kein Auto war oder es als traurige Schrottlaube angestottert kam, kann man schon «Stopp» sagen, wenn der Zahlungsbefehl ins Haus flattert: Rechtsvorschlag erheben . Einfach ankreuzen und unterschreiben.
Dann kommt die Sache vor Gericht, und der Verkäufer muss das Gericht überzeugen, dass tatsächlich etwas dran ist. Zum Beispiel mit einem Kaufvertrag und einer Quittung dafür, dass das Auto übergeben wurde.
Dagegen kann man dann die Mängelrüge auf den Tisch legen, wenn es ein Schrottwagen ist. Oder aber erklären, dass das Auto gar nie übergeben wurde. Wenn der Gläubiger das Gericht nicht vom Gegenteil überzeugen kann, lässt es den Rechtsvorschlag stehen. Dann kann der Gläubiger aber im ordentlichen Verfahren klagen. Oder er kann wieder betreiben. Dagegen kann man Rechtsvorschlag erheben, und alles geht von vorn los.
Was tun, wenn der Verlustschein mich wieder einholt?
Bei Konkursverlustscheinen kann man zusätzlich sagen: «Selbst wenn die Forderung berechtigt ist: Ich kann nicht zahlen.» Dazu erhebt man den «Rechtsvorschlag kein neues Vermögen». Das geht nur, wenn zuvor ein Privatkonkurs stattgefunden hat. In diesem Verfahren zahlen verschuldete Personen alles, was sie können. Danach sollen sie aber neu anfangen können und wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen. Darum können ihnen die Konkursgläubiger erst wieder etwas wegnehmen, wenn es ihnen finanziell tatsächlich besser geht – wenn sie zu neuem Vermögen gekommen sind. Was das genau heisst, ist in jedem Kanton etwas anders geregelt.
Der «Rechtsvorschlag kein neues Vermögen» löst automatisch ein Gerichtsverfahren aus, in dem das Gericht die finanzielle Lage prüft. Weil der Schuldner dabei die Rolle des Klägers einnimmt, muss er in den meisten Kantonen die Gerichtskosten vorschiessen. Wenn das Gericht kein neues Vermögen feststellt, muss die Gläubigerin aber die Kosten erstatten.
Eintrag zum Verlustschein löschen lassen
Verlustscheine sind im Betreibungsregister eingetragen, im sogenannten Verlustscheinregister. Diesen Eintrag kann man löschen lassen, wenn die Forderung unberechtigt ist – man muss nicht warten, bis die Gläubigerin etwas unternimmt.
Gelöscht wird aber nur, falls die im Verlustschein verbriefte Forderung keinen Bestand hat. Damit der Verlustschein gelöscht wird, muss man bei Gericht klagen – und das kostet. Es lohnt sich nur, wenn tatsächlich nichts an der Forderung dran ist. Und wenn der Eintrag wirklich stört – etwa weil man Polizistin werden will oder eine neue Wohnung sucht. Sonst lohnt sich der ganze Aufwand nicht. Am besten lässt man sich zuerst juristisch beraten.
Verlustschein bezahlen
Wenn man tatsächlich etwas schuldet, etwa weil man seit Jahren mit dem Auto rumfährt und nie bezahlt hat, kann man auch auf die Gegenseite zugehen, um Verlustschein und Registereintrag loszuwerden.
Man kann der Gläubigerin vorschlagen, den offenen Betrag sofort oder ratenweise abzuzahlen. Dabei muss man sich aber nicht zwingend für den vollen Betrag verpflichten. Ein Teil genügt: je älter der Verlustschein und je prekärer die finanzielle Lage, desto grösser die Chance, dass die Gläubigerin Ja sagt dazu. Schliesslich ist sie auch froh, wenn sie einen Schlussstrich ziehen kann. Die Schuldenberatungsstelle des Wohnkantons kann beim Verhandeln helfen.
So oder so: Was man abmacht, muss man unbedingt schriftlich festhalten und von der Gläubigerin unterschreiben lassen. Es muss auch klar stehen, dass die Gläubigerin den Verlustschein beim Betreibungsamt löschen lässt, sobald wie abgemacht bezahlt wurde.
Wo ist der angebliche Verlustschein?
Wenn man einen Zahlungsbefehl für eine Verlustscheinforderung bekommt, man sich aber an nichts erinnern kann, verlangt man als Erstes eine Kopie des Verlustscheins. Entweder von der Gläubigerin oder direkt vom Betreibungsamt, wenn es bereits involviert ist. Dann kann man entscheiden, was besser ist: Rechtsvorschlag erheben oder Abzahlung vorschlagen.
Verjährung von Verlustscheinen
Gut am Verlustschein ist für Gläubiger, dass sie damit für lange Zeit nicht befürchten müssen, dass ihr Anspruch verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar ist. Denn Forderungen, die in einem Verlustschein festgehalten sind, verjähren erst nach 20 Jahren. Dann ist aber Schluss, sie werden nicht mehr angezeigt im Betreibungsregister.
Allerdings kann die Frist während der 20 Jahre von neuem zu laufen beginnen: wenn der Schuldner etwas bezahlt oder die Forderung anderweitig anerkennt. Oder wenn die Gläubigerin betreibt. Wenn eine Betreibung nach Ablauf der 20 Jahre kommt, erhebt man Rechtsvorschlag und macht nötigenfalls vor Gericht die Verjährung geltend.
Inkassobüro droht mit Betreibung
Gläubiger können Inkassobüros damit beauftragen, Schuldner in die Mangel zu nehmen. Oder ihnen gleich die Forderungen verkaufen. Das Inkassobüro droht dann etwa, wegen eines Konkursverlustscheins zu betreiben, und verlangt Unterlagen wie Lohnausweis und Steuerausweis. Da muss man nicht nachgeben – man ist nicht verpflichtet, irgendwas ans Inkassobüro herauszugeben. Es lohnt sich aber, ihm bereits mitzuteilen, dass sich eine Betreibung nicht lohnt: weil die Forderung nicht besteht oder weil man nicht zu neuem Vermögen gekommen ist (siehe oben). Das Inkassobüro soll eine Betreibung einleiten, wenn es ihm ernst ist. Dann kann man Rechtsvorschlag und – bei einem Konkursverlustschein – «Rechtsvorschlag kein neues Vermögen» erheben.
Das Betreibungs- und Konkursverfahren gestaltet sich kompliziert und langwierig. Neben einem einfachen Überblick zum Verfahren erfahren Beobachter-Mitglieder, welche Verlustscheine es gibt und welche Abwehrmöglichkeiten Schuldner haben, wenn sie erneut betrieben werden.
Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.
Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.