Anita Fringer* (Name geändert) hatte es zunächst gar nicht bemerkt. Bei der alleinerziehenden Mutter aus dem Kanton Aargau veranlagten die Steuerbehörden das steuerbare Einkommen deutlich höher, als sie es auf der Steuererklärung angegeben hatte. Um fast 17'000 Franken – und das bei einem Jahreseinkommen von 30'000 Franken.

Aufgefallen war dies erst viel später ihrem Steuerberater Anton Kopp* (Name geändert). Was Anita Fringer passierte, sei kein Einzelfall. So berichtet Kopp etwa von einem Handwerker, der seit Jahren eine korrigierte Veranlagung erhalte und deshalb 1'000 Franken mehr Steuern pro Jahr bezahlt, als er eigentlich müsste – und das bei einem steuerbaren Jahreseinkommen von 29'000 Franken.

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Wenn die Steuerbehörden das Einkommen stillschweigend erhöhen, kann das dramatische Folgen haben, besonders für Geringverdiener. Prämienverbilligung für Krankenkasse, Bevorschussung von Kinderalimenten und vergünstigte Mietzinse können gefährdet sein. Kitas können einen höheren Tarif verlangen, Beiträge für die AHV/IV rückwirkend angepasst und in Rechnung gestellt werden.

Was ist das Minimum?

Es gebe zahlreiche Gründe, warum die Steuerbehörden das Einkommen höher veranlagten, sagt Kurt Weiss vom zuständigen Steueramt in Frick AG. «Gerade bei Selbständigerwerbenden gibt es immer wieder Unklarheiten in der Buchhaltung.» Zuerst versuche man, diese Diskrepanzen im persönlichen Austausch zu klären. «Eine Aufrechnung in der Veranlagung sollte die letzte Lösung sein – und sie erfolgt immer im Rahmen des Steuergesetzes.»

Wie viel Zeit für den direkten Kontakt gerade in städtischen Steuerkreisen bleibt, ist allerdings fraglich. Anita Fringer wurde jedenfalls nicht kontaktiert.

Viele seiner Kundinnen und Kunden seien mit den Steuern überfordert, beobachtet Steuerberater Kopp immer öfter. «Sie verstehen die Vorgänge nicht im Detail und wissen nicht, wie man richtig reagiert.» Zudem seien die Spiesse ungleich lang. Als Einsprachefrist auf die Veranlagung verbleiben den Steuerzahlerinnen nur gerade 30 Tage. Umgekehrt können die Behörden steuerliche Versäumnisse noch zehn Jahre lang zurückverfolgen.

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Im Fall von Anita Fringer hat Kopp rechtzeitig Einsprache erhoben. Und erhielt eine überraschende Antwort: Wenn sie mit so wenig Geld auskomme, müsse sie das beweisen können. «Meine Kundin musste etwas belegen, das sich gar nicht belegen lässt.»

Das betreibungsrechtliche Existenzminimum beträgt in der Schweiz derzeit 14'400 Franken im Jahr. Verschiedene Steuerbehörden gehen laut Steuerberater Kopp aber von einem Minimum von 36'000 Franken aus. «Wer darunter liegt, dem wird das Einkommen nicht selten einfach korrigiert», sagt Kopp.

Kurt Weiss vom Steueramt Frick bezweifelt das. «Dass einfach mutwillig so aufgerechnet wird, glaube ich nicht.» Im Kanton Aargau mache das Steuersystem automatisch einen Vermögensvergleich, womöglich ergebe sich bereits da eine Ungereimtheit. In gewissen Fällen müsse Jahr für Jahr aufs Neue aufgerechnet werden. Grund ist, dass die Steuererklärung elektronisch ausgefüllt werden kann und man die Daten vom Vorjahr automatisch übernehmen kann. «Wenn da etwas falsch ist, ist es immer wieder falsch.»

Unterstützung holen

Vor Jahren erhielt ein Hilfsarbeiter aus der Zürcher Gemeinde Dürnten nach langem Hin und Her recht: Er wurde jahrelang viel zu hoch eingeschätzt, weil er wegen seiner Legasthenie keine Steuererklärung einreichen konnte. Der Beobachter hatte den Fall aufgedeckt, am Ende musste ihn die Gemeinde mit 25'0000 Franken entschädigen. Warum er so masslos hoch eingeschätzt wurde, war bis zum Schluss nicht wirklich nachvollziehbar.

Um solche Extremfälle zu vermeiden, empfiehlt Steuerberater Anton Kopp, auch in vermeintlich übersichtlichen Steuersituationen Hilfe in Anspruch zu nehmen. Kurt Weiss vom Steueramt Frick rät, unbedingt Kontakt mit den Behörden aufzunehmen. «Nichts tun ist am schlimmsten.» Dies setze nur die nächste staatliche Massnahme in Gang. Und dann ist die Gefahr noch grösser, dass der Überblick endgültig verloren geht.

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