Wer wenig Geld hat, kann auf die Idee kommen, bei den Steuern zu schummeln. Dieser Verdacht haftet der 72-jährigen Elisabeth V. (Name der Redaktion bekannt) an. Sie ist seit über 50 Jahren blind, verwitwet und wohnt mit ihrem schwer behinderten Sohn in einem kleinen Haus in Neuenhof. Die Rentnerin lebt von der AHV und einer bescheidenen Pension, zahlt die Steuern stets im Voraus und ist noch nie betrieben worden.

Vor einiger Zeit musste Elisabeth V. bei ihrem Haus eine Stützmauer ersetzen lassen. Die Aufwendungen von rund 5'000 Franken zog sie als Unterhaltskosten vom Einkommen ab. Steuerersparnis: weniger als 200 Franken. Ihr Treuhänder Markus Bossard reichte die Rechnung zusammen mit den Steuerunterlagen ein. Doch dem Gemeindesteueramt reichte das nicht: Die Beamten verlangten – und handelten dabei streng nach Vorschrift – «eine genaue Umschreibung», also «Baupläne, Offerte, Darlegung Zustand vorher/nachher».

Gestützt wurde der bürokratische Eifer von Manfred Koch, dem leitenden Steuerkommissär des Kantons Aargau. Er könne, schrieb er Bossard, beim Vorgehen des Steueramts in Neuenhof «nichts Aussergewöhnliches» feststellen. «Eine Offerte gab es gar nicht», sagt indes der Treuhänder. «Hätte die blinde Frau Fotos von der Stützmauer schiessen müssen?» Robert Huber, Leiter des Steuerinspektorats Kanton Zürich, ergänzt: «Bei uns schauen wir, dass bei der Kontrolle Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Das scheint mir hier zumindest fraglich.»

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Papierkrieg um einen Pizzaofen



Die Dokumentationswut der Neuenhofer Steuerbehörde bekam Treuhänder Bossard auch selbst zu spüren: Als sein Vater einen Pizzaofen im Garten ersetzen wollte, sollte er minuziös belegen, dass dieser schon existiert hatte. Er verzichtete darauf, «weil es ihm zu blöd war», wie sein Sohn sagt.

Die Bürokratie in der aargauischen Gemeinde überzog Elisabeth V. schon früher mit Misstrauen. So hätte sie 2001 pauschal abgezogene Krankheitskosten noch zusätzlich belegen müssen. Und zwei Jahre später verlangte die Steuerbehörde ein ärztliches Attest über ihre Blindheit und die Invalidität ihres Sohns, der seit Geburt behindert ist. Dieses Vorgehen habe bei seiner Klientin «zu massiven Ängsten geführt, die sogar in einer Depression mündeten», sagt Markus Bossard. Steuerkommissär Koch beschwichtigt: «Der Pauschalabzug wurde nicht für eine spezifische Krankheit gemacht, wie das verlangt wird. Und als Frau V. das Zeugnis nicht eingereicht hatte, wurde nicht mehr insistiert.»

Zumindest im Fall der Stützmauer von Elisabeth V. hätte es sich die Steuerbehörde einfacher machen können: Auf der Rechnung ist ein Posten «Abtransport Beton und Holz» vermerkt. Hätte es vorher keine Mauer gegeben, hätte man wohl auch keinen Beton wegschaffen müssen. Der Fall ist noch nicht entschieden: Demnächst wird das Steueramt festlegen, wie viel von den 5'000 Franken abzugsberechtigt ist.

Die betagte Frau scheint nicht die Einzige zu sein, die gepiesackt wird. So erschien kürzlich in der Regionalzeitung «Limmatwelle» ein Chiffre-Inserat, in dem eine «Interessengruppe Steuerzahler» Einwohner von Neuenhof sucht, die sich von der Steuerbehörde «schikaniert» fühlen.

Quelle: Daniel Desborough