Gut und schlecht liegen oft nahe beieinander. Zur gleichen Zeit, wie die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei durch den abrupten Abgang ihres Leiters Niklaus Huber für negative Schlagzeilen sorgte, konnte die Schwesterbehörde, die Meldestelle für Geldwäscherei, in aller Stille zwei schöne Erfolge verbuchen. Die Zürcher Bank Bär meldete nach Bern, dass sie Gelder entdeckt habe, die möglicherweise im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen des französischen Rüstungskonzerns Thomson stehen. Und der Credit Suisse kam ein Vermögenstransfer ab UBS-Konten verdächtig vor. Worauf die Zürcher Staatsanwaltschaft 250 Millionen Franken mutmassliche Schmiergelder im Zusammenhang mit der Elf-Aquitaine-Affäre blockierte. Die Ermittlungen wegen Verdachts auf Geldwäscherei laufen.

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Die beiden Fälle entsprechen dem landläufigen Bild der Geldwäscherei in der Schweiz: Grossbanken als Hort ergaunerter Millionen aus internationalen Geschäften, bei denen das organisierte Verbrechen die Hände mit im Spiel hat. Die Realität sieht allerdings oft anders aus, wie die Meldestelle für Geldwäscherei in ihrem Rechenschaftsbericht 2000 festhält.

Zwar stammen noch immer die meisten Verdachtsmeldungen von Banken: Letztes Jahr waren es rund 75 Prozent von insgesamt 311 Meldungen. Doch der Parabankensektor – Treuhänder, Anlageberater, Versicherungen, Wirtschaftsanwälte, Geldwechsler – ist offenbar immer stärker betroffen: Die Zahl der Meldungen aus diesem Bereich ist fast doppelt so hoch wie 1999. Und es sind keineswegs immer Riesenbeträge, die im Verdacht stehen, kriminellen Ursprungs zu sein: 2000 betrug der Durchschnittswert pro gemeldeten Fall «nur» rund zwei Millionen Franken.

Auch die Vorstellung, dass ausschliesslich schmutziges Geld aus dem Ausland in der Schweiz gewaschen wird, entspricht nicht der Wirklichkeit: In rund einem Drittel der Fälle sind Schweizer Firmen oder Privatpersonen beteiligt – Tendenz deutlich steigend.

Und schliesslich belegt die Statistik, dass das Waschen von Drogengeldern – also das, was ursprünglich den Anstoss für das umfangreiche Geldwäscherei-Gesetzgebungswerk gegeben hat – heute weitgehend keine Rolle mehr spielt: Gerade mal 4,2 Prozent der Verdachtsmeldungen – in absoluten Zahlen sind das 13 Fälle – bezogen sich auf den Drogenhandel. Hingegen wird in der Schweiz offenbar hauptsächlich kriminelles Geld aus Betrug, Veruntreuung, Korruption und anderen Wirtschaftsdelikten rein gewaschen.

Die Meldestelle vermutet, dass die Zunahme involvierter Schweizer Personen und in der Schweiz domizilierter Firmen damit zusammenhängt, dass möglicherweise vermehrt Schweizer Strohmänner eingesetzt würden. «Dank der Aufmerksamkeit und der seriösen Überprüfung der Finanzintermediäre wird es immer schwieriger, mit Offshore-Firmen in der Schweiz Finanzgeschäfte abzuwickeln», heisst es im Bericht.

Täter sind häufig kleine Ganoven
Die allgemein als Geldwäschereihochburgen geltenden Offshore-Zentren British Virgin Islands, Cayman Islands oder Panama traten 2000 kaum mehr als Domizil von verdächtigen Firmen auf. Auch Liechtenstein – nur 7,7 Prozent der Meldungen betrafen das Fürstentum – trägt seinen ramponierten Ruf, wenigstens gemäss Statistik, zu Unrecht.

In ihrem Rechenschaftsbericht gewährt die Meldestelle auch Einblick in einige typische Fälle aus der Praxis. Sehr häufig sind eher kleinkalibrige Gauner am Werk. Beispielsweise versuchte ein selbstständiger Anlageberater, dem 38 Verlustscheine über 150000 Franken ins Haus standen, sich vor einer Lohnpfändung durch das Betreibungsamt zu drücken – mit Geldverschiebungen über sein Bankkonto.

Ein anderer Anlageberater wirtschaftete mit Kundengeldern rund 200000 Franken in die eigene Tasche und versuchte dann, den Gewinn auf die Seite zu schaffen. Oder der Kadermann eines Luftfrachtunternehmens: Er wollte sein Guthaben bei einer Privatbank plötzlich seiner Frau überweisen – angeblich als «Geschenk». Die Bank erstattete Meldung, nachdem sie erfahren hatte, dass die Luftfrachtfirma in illegalen Diamantenschmuggel verwickelt war.

Ist es also mit der organisierten Kriminalität in der Schweiz gar nicht so schlimm? Das Bundesamt für Polizei in Bern (BAP), dem die Meldestelle untersteht, interpretiert die überraschenden Erkenntnisse des Rechenschaftsberichts äusserst vorsichtig. «Die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation muss von den Strafverfolgungsbehörden geprüft werden. Sie wird zudem oft erst im Laufe der Ermittlungen deutlich», sagt BAP-Sprecher Jürg Pulver. «Zudem gehen nicht in allen Fällen von Geldwäscherei, in denen ermittelt wird, vorgängig Verdachtsmeldungen an die Meldestelle.»

Prinzipiell nicht erfasst werden beispielsweise Fälle von «Geldwäscherei» im Zusammenhang mit Zolldelikten, namentlich der Transfer von Gewinnen aus dem florierenden Zigarettenschmuggel. Dieser Bereich wird heute stark vom organisierten Verbrechen beherrscht, denn mit Zigarettenschmuggel lässt sich im Vergleich zum Drogenhandel mit sehr viel weniger Risiko sehr viel mehr Geld verdienen.

Auch wenn die Schweiz gegenüber den EU-Behörden heute bei solchen Fiskaldelikten vermehrt Rechtshilfe leistet, sind eigene Verfahren wegen Geldwäscherei (noch) nicht möglich. Gemäss den Schweizer Gesetzen gilt nur das Waschen von Erlösen aus Verbrechen als Geldwäscherei. Zolldelikte hingegen sind nur Vergehen oder Übertretungen.

Derzeit laufen Verhandlungen mit der EU über eine entsprechende Ausdehnung des Geldwäschereitatbestands. Wann sich diesbezüglich etwas tut, dazu will sich BAP-Sprecher Jürg Pulver nicht äussern: «Diese Frage ist von den politischen Behörden zu beantworten.»