Der 36-jährige Familienvater Andreas Friedli* meistert seinen Alltag unter erschwerten Bedingungen. Seit er vor fünf Jahren einen schweren Unfall erlitt, ist er für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gebunden Strassenverkehr Wo dürfen Invaliden-Fahrzeuge fahren? . Schritt für Schritt hat er sich seine Selbständigkeit zurück erkämpft. Dabei lernte er die Hilfsangebote für Menschen mit Behinderung ausgesprochen schätzen – so auch die Nutzung von Behindertenparkplätzen.

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Doch just damit hatte Friedli jüngst ein unerfreuliches Erlebnis: Mitte März besucht er mit seinen beiden Söhnen das Hallenbad Bergholz in Wil und parkiert sein Auto wie immer auf dem dortigen Behindertenparkplatz. Als er später zum Auto zurückkehrt, klebt zu seiner Verwunderung eine Parkbusse Strassenverkehr Immer Ärger beim Parkieren von 120 Franken an der Windschutzscheibe.

Niemand wusste, dass Ausweise für Behindertenparkplätze ablaufen

Friedli stutzt. «Mir war nicht bewusst, dass diese Parkberechtigungen ablaufen können – ich werde aufgrund meiner Krankheitsgeschichte nicht plötzlich vom Rollstuhl aufstehen Der Fall Und plötzlich stand er auf und wieder gehen können.» Dazu muss man wissen, dass die Parkkarte in seinem Auto so platziert ist, dass er sie vom Rollstuhl aus nicht sehen kann. Darum fiel ihm das Ablaufdatum nie auf. Auch in seinem Rollstuhlclub war niemandem bekannt, dass Behindertenparkkarten ablaufen – nicht einmal jenen, die seit 20 Jahren im Rollstuhl sitzen.

«Der Entscheid ist für mich aufgrund meiner offensichtlichen Behinderung nicht nachvollziehbar.»

Andreas Friedli, Rollstuhlfahrer

 

Später stösst er rein zufällig im angrenzenden Quartier auf die Beamten, die ihm die Busse ausgestellt haben. Diese erklären ihm, dass seine Parkkarte im letzten Monat abgelaufen ist. Die Frage, ob die Strafe wenigstens auf eine normale Busse von 40 Franken reduziert werden könne, verneinen die Polizisten. Der Entscheid ist für Friedli angesichts seiner offensichtlichen Behinderung nicht nachvollziehbar. Da er aber keine Mahnung provozieren will, zahlt er die Busse.

Behindertenparkkarten maximal fünf Jahre gültig

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Homepage der Vereinigung der Strassenverkehrsämter (ASA), dass Behindertenparkkarten in der Schweiz maximal auf 5 Jahre ausgestellt werden. Danach müssen sie auf Gesuch erneuert werden. Doch wieso gilt das auch für Menschen, die mit medizinischer Gewissheit ihr Leben lang an den Rollstuhl gebunden sind?

Parkkarte war anfällig für Missbrauch

Severin Toberer, Kommunikationsverantwortlicher vom Strassenverkehrsamt Zürich, erinnert sich daran, dass solche Parkkarten früher tatsächlich auf «unbeschränkte Zeit» ausgestellt wurden. Allerdings musste man schnell feststellen, dass dieses System anfällig für Missbrauch war.

«Insbesondere Familienangehörige nutzten die Parkkarten auch dann weiterhin, wenn die Person, für die sie ursprünglich ausgestellt wurde, längt verstorben war», sagt Toberer. Da zudem die Anzahl von Behindertenparkplätzen in den Städten sehr beschränkt ist, sah man Handlungsbedarf, den Umlauf dieser Karten einzudämmen. Die ASA beschloss schliesslich, die maximale Gültigkeitsdauer auf fünf Jahre festzusetzen.

«Die Behinderten müssen sich selbständig um die Verlängerung kümmern.»

Andreas Compagnoni, Dienstchef Strassenverkehrsamt Graubünden

 

Erhalten betroffene Personen wenigstens eine Erinnerung, dass die Erlaubnis abläuft? «Nein», sagt Andreas Compagnoni vom Strassenverkehrsamt in Chur. Sein Amt stellte Friedli ursprünglich den Behindertenausweis aus. «Die betreffenden Personen haben zu Recht diese Bevorteilung. Allerdings muss auch erwartet werden können, dass sie sich selbst um die Verlängerung kümmern.»

Kapo St. Gallen zeigt sich kulant

Die Kantonspolizei St. Gallen schreibt in ihrer Stellungnahme, dass am besagten Tag kein direkter Kontakt zwischen Friedli und den Beamten stattgefunden habe. Mediensprecher Hanspeter Krüsi versichert: «Hätte der Gebüsste sich telefonisch oder persönlich bei der Polizeistation Wil gemeldet und den Sachverhalt geschildert, wäre die Busse aus Kulanz zurückgenommen worden.» Den Beamten werde bei der Bussenvergabe ausdrücklich ein Ermessensspielraum eingeräumt. Dass wie bei Andreas Friedli Kulanz gewährt werden könne, vermittle man den Polizisten bereits in der Polizeischule.

Hanspeter Krüsi erklärt zudem, dass man Andreas Friedli die Busse im Nachhinein nicht mehr werde erlassen können. Mit der Einzahlung des Betrages akzeptiere ein Gebüsster die Busse, wodurch sie rechtskräftig werde. Dies sei auf dem Ordnungsbussenzettel auch so deklariert.

«Ich will keine Sonderbehandlung.»

Andreas Friedli

 

Andreas Friedli betont, dass er keine Sonderbehandlung für Rollstuhlfahrer erwartet. Doch er hätte sich eine gewisse Kulanz von den Beamten gewünscht. In Zukunft will er auf jeden Fall daran denken, seine Parkkarte früh genug zu erneuern. «Ich hoffe, die von der Polizei signalisierte Kulanz in fünf Jahren nicht noch einmal auf die Probe stellen zu müssen», sagt er mit einem Augenzwinkern.

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