Für dich gibts nur mich!
Ob Schwertwale, Hunde, Ameisenvögel oder Menschen: Alle kennen Eifersucht. Was steckt hinter dem Phänomen?
Weibliche Ameisenvögel versuchen, den Gesang ihres Partners zu übertönen, wenn ein einzelnes anderes Weibchen in der Nähe ist. Sie stören damit die Flirtsignale ihres Partners. Und machen dem anderen Weibchen unmissverständlich klar: «Der gehört mir!»
Für die Ornithologen Joseph Tobias und Nathalie Seddon von der Universität Oxford ist das ein Beweis dafür, dass auch Vögel eifersüchtig sind. «Die weiblichen Ameisenvögel verhalten sich ganz ähnlich wie eifersüchtige Frauen», sagt Tobias.
Die britischen Forscher wählten diese Vögel für ihren Versuch, weil die Paare das ganze Jahr über zusammenbleiben, ihr Revier gemeinsam verteidigen und sich selten mehr als zehn Meter voneinander entfernen. Ob das Ameisenvögel wirklich mit Menschen vergleichbar macht, darüber mag man geteilter Meinung sein. Die männlichen Ameisenvögel hatten jedenfalls ein einfaches Rezept gegen die Störattacken ihrer Partnerinnen: Sie änderten die Tonlage ihres Gesangs.
Solche Studien finden sich in der wissenschaftlichen Literatur zuhauf: Ob verwilderte Pferde, Schimpansen, Schwertwale oder Papageien – alle sind in bestimmten Situationen eifersüchtig. Am ausgeprägtesten sind es Tierarten, die lebenslange Paarbindungen eingehen. Für sie steht wohl besonders viel auf dem Spiel.
So reagieren Hunde ausgesprochen empfindlich, wenn ihr Herrchen sie ignoriert und sich stattdessen intensiv mit einem ausgestopften Attrappenhund beschäftigt. Die Hundebesitzer mussten in diesem Versuch der Uni San Diego (USA) den vermeintlichen Konkurrenzhund verhätscheln und mit netten Worten überhäufen. 78 Prozent der Hunde stupsten daraufhin ihre Besitzer. Ein Drittel versuchte, sich zwischen den Pseudohund und das Herrchen zu drängen, ein Viertel schnappte nach der Attrappe.
«Unsere Studie zeigt, dass Hunde anscheinend nicht nur zu Eifersucht neigen, sondern sogar versuchen, die Verbindung zwischen ihrem menschlichen Partner und einem möglichen Rivalen aufzubrechen», sagt Psychologieprofessorin Christine Harris. Möglicherweise sei das Gefühl tiefer verwurzelt als angenommen.
«Je selbstbewusster jemand ist, desto weniger eifersüchtig ist er.»
Tim Wiesendanger, Psychotherapeut
Die Botschaft dieser Tierversuche ist eigentlich: «Für dich gibt es nur mich.» Eifersucht ist also angeboren. Vielleicht ist es so, dass sie biologisch bedingt ist. «Aber das ist keine Legitimation dafür, zu sagen: Ich bin halt so, das liegt in meinen Genen», sagt der Berner Paarberater Bruno Wermuth, bekannt geworden als Kolumnist bei «20 Minuten». Kaum eine menschliche Empfindung ist so weit verbreitet – 81 Prozent der Frauen und drei Viertel der Männer bezeichnen sich als eifersüchtig. Und keine ist so verachtet: Wer eifersüchtig ist, setzt sich dem Gespött der anderen aus, nimmt sich die Empfindung selbst übel, fühlt sich unmodern, kleinlich.
Mit Grund, sagt der Zürcher Psychotherapeut und Autor Tim Wiesendanger, denn «Eifersucht und Liebe schliessen sich aus». Eifersucht habe viel mit Besitzanspruch zu tun: «Mein Partner gehört mir und ist auch sexuell mein Leibeigener.» Dabei lägen die Ursachen der Eifersucht meist gar nicht in der aktuellen Beziehung oder beim vermeintlich untreuen Partner, sondern bei «unbewussten Prägungen aus der Kindheit». Viele machen im Lauf ihres Lebens zahlreiche schmerzhafte Erfahrungen, zig Beziehungen gehen in die Brüche. «Aber Liebe hat sehr viel mit Loslassen und mit Freiheit zu tun», sagt Wiesendanger. Und vor allem mit Selbstvertrauen: «Je selbstbewusster jemand ist, desto weniger eifersüchtig ist er.»
Ein bisschen Eifersucht schade aber nicht, könne der Beziehung sogar guttun, sagt der Volksmund. Sie sporne uns an, um den Partner zu werben und ihn jedes Mal aufs Neue zu erobern, meinen viele. Psychotherapeut Wiesendanger widerspricht vehement: Weil Eifersucht und Liebe in Widerspruch zueinander stünden, gebe es auch «kein gesundes Mass dafür». Oder um es mit Max Frisch auszudrücken: «Nur in der Eifersucht vergessen wir zuweilen, dass Liebe nicht zu fordern ist, dass auch unsere eigene Liebe, oder was wir so nennen, aufhört, ernsthaft zu sein, sobald wir daraus einen Anspruch ableiten.»
Ob Eifersucht in der Beziehung zum Problem werde, hänge nicht nur vom Eifersüchtigen ab, sondern auch vom Partner, so Wiesendanger: «Es braucht beide: den eifersüchtigen Partner und den Partner, der darob ein schlechtes Gewissen entwickelt. Sonst ist das Thema entweder schnell erledigt, oder die Beziehung bricht sowieso auseinander.» Oft fänden sich in einer Beziehung allerdings genau diese beiden Typen: die Eifersüchtigen und die, die ein schlechtes Gewissen haben.
«Eifersucht ist sicher nicht einfach nur angeboren. Sonst müssten sich ja eineiige Zwillinge gleich verhalten.»
Tim Wiesendanger, Psychotherapeut
Spätestens hier klaffen die These von der biologisch bedingten Eifersucht und die Realität der vielen Formen alltäglicher Eifersucht auseinander. «Eifersucht ist sicher nicht einfach nur angeboren», so Psychotherapeut Wiesendanger, «sonst müssten sich ja eineiige Zwillinge gleich verhalten.» Tun sie aber nicht, zeigte sich in Experimenten. Eifersucht hänge zu etwa einem Drittel von den Genen ab und zu zwei Dritteln von «Umwelteinflüssen» wie Erziehung und persönlichen Erfahrungen, glauben schwedische Forscher aufgrund von Tests mit 3000 Zwillingspaaren. Wiesendanger sieht das als positive Nachricht: «Das bedeutet auch, dass man daran arbeiten kann.»
Schon Babys verhalten sich «eifersüchtig», wenn sich die Eltern zu lange oder zu intensiv mit einer lebensecht wirkenden Babypuppe beschäftigen. «Eifersucht warnt uns vor potenziellen Gefahren für eine Beziehung und kann uns zu Verhaltensweisen ermuntern, die eine Beziehung schützen», sagt Christine Harris von der Uni San Diego. Eine Langzeitstudie in den USA hat gezeigt, dass eifersüchtige Personen nach sieben Jahren eher immer noch mit demselben Partner verheiratet sind oder zusammenleben als nicht eifersüchtige. Ob die Paare auch zufrieden waren mit ihrer Beziehung, sagt die Studie allerdings nicht.
Eifersucht sei einer der wichtigsten Gründe, sich an ihn zu wenden, sagt Paarberater und Sexualtherapeut Wermuth. Zwei typische Konstellationen: «Bei Paaren ist der Auslöser für die Beratung oft, dass der Mann Pornos schaut, aber irgendwann gehts um Konkurrenz oder um mangelnden Sex. Bei Einzelpersonen sind es meist Eifersuchtsgefühle ohne konkreten Anlass.» Für Wermuth ist Eifersucht eine «urmenschliche Reaktion», die auf «erlerntem Beziehungsverhalten» basiert: Ein Baby braucht jemanden, der sich kümmert, sonst geht es unter. «Das Baby signalisiert: Ohne dich bin ich nicht. Erwachsene sollten eine Stufe weiter sein und sagen können: Mein Sein wird durch dich sinnvoller, gehaltvoller.» Der Anspruch auf Ausschliesslichkeit («Ohne dich bin ich nicht») funktioniere höchstens dann, wenn man das als Paar bewusst so formuliere und beschliesse. Der Besitzanspruch, darin geht Paarberater Wermuth einig mit Psychotherapeut Wiesendanger, sei «unmöglich in erwachsenen Beziehungen»: «Man muss lernen, zu verhandeln, auszuhalten, Kompromisse einzugehen.»
«Leider begünstigen die gesellschaftlichen Verhältnisse die Eifersucht», sagt Wermuth. Das Konsumverhalten übertrage sich auf das Beziehungsleben: «Man fragt sich dauernd, welchen Vorteil, welchen Nutzen man aus einer Beziehung zieht.» Dabei sei doch das Ziel, dass ein «Wir», ein Paar nicht einfach die Summe zweier Personen ist: «Aus einer Begegnung mit einem anderen Menschen entsteht etwas Neues, das man allein nicht erschaffen könnte», sagt er. Der Partner als Spiegel, der mir hilft, selbst zu wachsen.
Moderne Technik mache es einfacher, den Partner zu kontrollieren, gar zu überwachen. Das führe zu einer «Akzentuierung und Intensivierung» der Eifersucht. «Das heisst nicht, dass es früher weniger Fremdknutschen gab. Die Möglichkeit zu kontrollieren erzeugt auch das Bedürfnis zu kontrollieren.» Viele Betroffene rechtfertigten sich so: Schliesslich sei Ehrlichkeit das oberste Gebot, und wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten.
«Aber viele überschreiten dabei die Grenze der persönlichen Würde», warnt Paarberater Wermuth. Das Eingreifen in die Privatsphäre müsse tabu bleiben. Der Blick in den SMS-Speicher oder gar die Überwachung per Handy sei ein schwerer Vertrauensbruch.
Die Selbsteinschätzungen – etwa in mehr oder weniger wissenschaftlichen Psychotests – legen nahe, dass sich Männer und Frauen punkto Eifersucht unterscheiden. Wissenschaftlich erwiesen ist das nicht. Möglich, dass der Glaube an solche Unterschiede auf eine eher archaische evolutionäre Sicht zurückgeht: Männer können nicht sicher sein, dass sie der leibliche Vater eines Kindes sind. Aus Sicht der Männer sind Kuckuckskinder aber eine Fehlinvestition, darum schauen sie eifersüchtig darauf, ob die Frau mit einem anderen Mann ins Bett geht.
Die Frau hingegen ist aus der evolutionären Perspektive daran interessiert, dass der Mann langfristig an ihrer Seite bleibt, als Beschützer, Ernährer. Darum wird sie eifersüchtig, wenn sich der Mann in eine andere Frau verliebt, weil dann Fürsorge und materielle Ressourcen auf zwei Familien aufgeteilt werden müssten. Seitensprünge kann die Frau eher akzeptieren. Das wissenschaftliche Fundament dieser These ist aber eher dünn. Bei beiden Geschlechtern laufen im Gehirn die gleichen Prozesse ab. Ob sexuelle oder emotionale Untreue die Ursache ist, ist fürs Hirn egal.
Fest steht:
Je eifersüchtiger man sich fühlt, desto unsicherer wird man in der Partnerschaft – was die Eifersucht erst recht befeuert.
Die «Symptome» kennen die meisten: Man meidet Orte, an denen der Partner attraktivere Menschen treffen könnte. Man macht ihm Vorschriften, wie er sich verhalten soll. Allmählich beginnt die Überwachung: Taschen durchsuchen, an der Kleidung riechen, das Handy kontrollieren oder gar orten, mit dem Auto hinterherfahren. Eifersucht ist auch eine Form von Sucht: Das rasende Gefühl kann einem Rauschzustand gleichkommen. Sie treibt in Extremfällen sogar dazu, den Menschen, den man zu lieben glaubt, zu ermorden, damit er einem endlich allein gehört. Und Eifersucht äussert sich auch in körperlichen Symptomen: Anspannung, Herzrasen, Schweissausbrüche, Zittern, Unruhe, Übelkeit, Schlafstörungen.
Spätestens dann ist es Zeit, sich intensiv mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und nach den Gründen zu forschen. «Zuerst muss man erkennen, dass Eifersucht kein Problem ‹da draussen› ist, sondern mit mir zu tun hat», sagt Sexualtherapeut Wermuth. «Wenn die Eifersucht dazu führt, dass der Partner beeinträchtigt ist, dass die Bewegungsmöglichkeit leidet, ob psychisch, physisch oder sozial, dann hat man ein Problem.»
Das Ziel einer Therapie – wenn man das Problem nicht allein angehen kann oder will – sei, Bewegung in die festgefahrene Situation zu bringen. «Das kann die Trennung sein, aber auch die Auseinandersetzung damit, weshalb es zu diesem Besitzanspruch gekommen ist, oder das gegenseitige Angebot, die unbefriedigten Bedürfnisse anderweitig zu befriedigen.»
In diesem Punkt sieht Psychotherapeut Wiesendanger, der viel mit schwulen und lesbischen Paaren arbeitet, Unterschiede zwischen Hetero- und Homosexuellen. «Schwule sind nicht weniger eifersüchtig als Heterosexuelle. Aber sie sind tendenziell offener gegenüber offenen Beziehungen. Fremdgehen erschüttert sie nicht zwingend, während das bei Heteros immer noch ein Scheidungsgrund ist.» Die Ursache dafür sieht Wiesendanger darin, dass sich Homosexuelle schon früher aufgrund ihrer Andersartigkeit mit ihren Gefühlen auseinandersetzen mussten. «In der Therapie komme ich mit ihnen schneller zu einer praktischen Ebene: Was liegt drin? Einem attraktiven Mann nachschauen, flirten oder auch tatsächlich Sex haben?»
Auch wenn man sich auf der pragmatischen Ebene findet, sei das noch lange keine Garantie, dass die Eifersucht nicht wieder aufflammt: «Sie ist dann aber vielleicht nicht mehr so rasend», sagt Wiesendanger, «und man kann modifizierte, neue Abmachungen treffen.»
Autor: Martin Müller
Illustration: Thilo Rothacker
Was tun bei Eifersucht?
Dem Partner hinterherspionieren? Ihr nicht immer glauben, was sie erzählt? Was man gegen das Gefühl der Eifersucht unternehmen kann.