Aufgezeichnet von Manuela Enggist:

Das Konzept ist simpel: Ich verbringe zehn Tage mit neun jungen Frauen zwischen 15 und 17 Jahren auf dem Walliser Findelengletscher. Ziel ist, ihnen die Naturwissenschaften und die Bergwelt näherzubringen – und zwar in einem weiblichen Umfeld.

Denn es gibt noch immer viel weniger Frauen in den Naturwissenschaften als Männer. Ich glaube, dass ich als Leiterin dieses Projekts etwas dagegen tun kann. Dabei unterstützen mich weitere Wissenschaftlerinnen und eine Bergführerin.

Ich als Geomorphologin bin vor drei Jahren zum Projekt «Girls on Ice Schweiz» gestossen. Eine Kollegin, die Glaziologin Kathrin Naegeli, hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte, die französischsprachige Gruppe zu leiten. Sie und ihre Kollegin Marijke Habermann haben das ursprünglich amerikanische Projekt vor fünf Jahren in die Schweiz geholt.

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Zu wenig Selbstvertrauen

Die jungen Frauen, die wir mit «Girls on Ice» ansprechen wollen, sind in einer Lebensphase, in der sie sich für eine Ausbildung entscheiden müssen. In Gesprächen merke ich immer wieder, dass sie sich zwar für Naturwissenschaften interessieren, sich so eine Studienrichtung aber nicht zutrauen. Hier will ich ansetzen.

Ich war als Teenager auch nicht sonderlich selbstbewusst, aber ich hatte das Glück, dass meine Mutter Geografielehrerin war und mein Interesse an der Landschaft und ihrer Beschaffenheit weckte. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich in den Naturwissenschaften nichts erreichen kann. Dieses Selbstvertrauen will ich weitergeben.

Das Projekt finanziert sich über den Schweizerischen Nationalfonds und über Spenden. Es ist kostenlos für die Teilnehmerinnen. Wir stellen die gesamte Ausrüstung zur Verfügung, von der Thermounterwäsche bis zum Zelt.

GIRLS ON ICE - SUISSE Expedition Findelgletscher

Probebohrungen auf dem Gletscher: «Girls on Ice» bei der Forschungsarbeit.

Quelle: Andrea Soltermann

Der Bewerbungsprozess ist aufwendig, denn die neun Plätze sind begehrt. Wir wollen halt sicherstellen, dass nur Mädchen auf dem Gletscher sind, die das auch wirklich wollen.

Bei der Auswahl achten wir auch darauf, dass wir eine durchmischte Gruppe haben. Wir wollen die Teilnahme auch Interessierten ermöglichen, die aus bildungsschwächeren Familien kommen.

«Eine häufige Rückmeldung der Mädchen ist, dass sie sich in diesem geschützten Umfeld unter Frauen mehr zutrauen.»

Julie Wee, Geomorphologin

Ich arbeite als Doktorandin an der Uni Freiburg und forsche zu den Bereichen Permafrost, Blockgletscher und Naturgefahren im Wallis. Diese Gebiete thematisiere ich auch mit den Mädchen.

Auf dem Findelengletscher untersuchen wir Gesteinsproben, um damit die Veränderung der Erdoberfläche zu analysieren. So wollen wir die Naturwissenschaften greifbarer machen. Die jungen Frauen sollen die Natur spüren, sie anfassen, um sie besser zu verstehen.

Eine häufige Rückmeldung der Mädchen ist, dass sie sich in diesem geschützten Umfeld unter Frauen mehr zutrauen. Viele schätzen es, dass sie auf dem Gletscher auch mal die Möglichkeit haben, das Lead zu übernehmen. Denn in der Schule sei es oft so, dass die Buben den Ton angeben.

Ganz normal schmutzige Hände

Die jungen Frauen sind stolz auf sich, wenn wir wieder im Tal sind – und fühlen sich gestärkt, weil sie eben auch Respekt hatten vor dieser Zeit auf dem Gletscher. Es inspiriert sie auch, uns bei der Arbeit zuzuschauen.

Sie sehen, wie wir agieren, Forschung betreiben, uns die Hände schmutzig machen. Sie merken, dass wir ganz normale Frauen sind, die einfach den Weg der Naturwissenschaften eingeschlagen haben.

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