Der Frauenstreik von 2019 war die grösste öffentliche Mobilisierung seit dem Landesstreik 1918. Deutlich über eine halbe Million Menschen, vorwiegend Frauen, trugen ihren Protest auf die Strasse. Die Euphorie über dieses Zeichen und die politische Kraft dahinter stiessen wichtige Gleichstellungsinitiativen an. Auch Politikerinnen von FDP, GLP, SP oder Grünen profitierten vier Monate später an den Parlamentswahlen von der Wucht des Streiks: Noch nie in der Geschichte der Schweiz wurden so viele Frauen in den National- und Ständerat gewählt. 

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Auf die berauschende Party folgte der Kater. Initiierte Projekte zeigten wenig Wirkung, Leitfäden verschwanden in Schubladen, eingeführte Quoten verkamen zu lästigen Hindernissen. Nach wie vor besteht in vielen Branchen eine Lohnungleichheit. Frauen arbeiten doppelt so häufig im Niedriglohnsektor wie Männer. Sie übernehmen mehr unbezahlte Betreuungsarbeiten, arbeiten nach einer Geburt häufiger in Teilzeitpensen und sind deutlich öfter von Armut betroffen. Die grosse Veränderung blieb aus. Auch die vielen neuen Frauen im Parlament brachten nicht den erhofften Wandel. 

Weniger Euphorie für dieselben Anliegen

Zweieinhalb Jahre Corona-Pandemie nahmen der Bewegung zusätzlich Wind aus den Segeln und wirkten gar als Treiberin für einen Rückschlag in Sachen Gleichstellung. Frauen verloren öfter ihren Job, weil sie besonders häufig in Branchen arbeiten, die von der Covid-Krise stark betroffen waren. Zudem lasteten Kinderbetreuung, Homeschooling und Haushaltstätigkeiten überwiegend auf den Schultern von Frauen. Das zementierte die Rollenverteilung.

Der diesjährige 14. Juni ist darum eine gute Gelegenheit, an alte Anliegen zu erinnern, die leider noch immer aktuell sind. Doch irgendwie vermag der diesjährige Streik die grosse Masse nicht erneut zu mobilisieren. Die Geschichte von 2019 wird sich nicht wiederholen. 

Den Grund dafür sehen Kritikerinnen und Kritiker bei den gespaltenen Feministinnen. Sachpolitik sei Identitätspolitik gewichen. Statt tragbare Kompromisse zu finden, werde über Pronomen, Gendersternchen oder Unisex-Toiletten diskutiert. Statt Frauenstreik heisse es jetzt feministischer Streik. Der Diskurs sei schriller und linker geworden. Vielen sei das zu extrem. Bürgerliche Frauen, Bäuerinnen oder Katholikinnen, die den Streik vor vier Jahren noch mitgetragen hätten, wollten jetzt nichts mehr davon wissen. 

Einigkeit herrschte noch nie

Diese Darstellung verkürzt die historischen Tatsachen und ist polemisch. Zum einen herrschte bereits 2019 keine Einigkeit unter Feministinnen. Hitzige Diskussionen über die Ausrichtung oder Radikalität der Bewegung gab es schon immer. Genauso wie es schon immer Zerwürfnisse und Abspaltungen gab. Schon damals stritt man sich darüber, ob es nun Frauen- oder feministischer Streik heissen soll. Doch vor vier Jahren spielten diese Debatten im öffentlichen Diskurs kaum eine Rolle. Im Zuge der MeToo-Bewegung in den USA und in Anlehnung an den Streik 1991 profitierte man von der politischen Grosswetterlage, die Gleichstellungsfragen in den Fokus rückte. 

Zum anderen: Es war damals eher überraschend, dass sich auch bürgerliche Frauen mit dem Streik solidarisierten. Eine solche Ausdrucksform gehört eigentlich nicht zu ihrem politischen Repertoire. Sie gehen traditionell andere Wege, um ihre Ziele zu erreichen. Der Protest auf der Strasse ist in der Regel nicht Teil davon. So beteiligten und beteiligen sie sich auch nicht an den jährlich stattfindenden feministischen Demonstrationen am 8. März. Oder an den Ni-Una-Menos-Protesten, die auf Femizide aufmerksam machen. Zudem demonstrieren sie nicht gegen Abtreibungsgegner. Solche Aktionen waren, das ist wenig erstaunlich, schon immer Steckenpferd der Linken.

Dass sich Bürgerliche vor vier Jahren plötzlich für den Streik begeistern liessen, war dem Zeitgeist und dem grossen Momentum geschuldet. Eine solche Konstellation kommt so schnell nicht wieder. Wichtig ist eine möglichst breite Unterstützung für gleichstellungspolitische Anliegen – welcher politischen Couleur und in welcher Form auch immer. Doch es ist eben auch nicht weiter erstaunlich, wenn bürgerliche Frauen nun zu ihrer Form der Politik zurückkehren. Und der Streik – wie gewohnt – wieder von links dominiert wird.