Ich erfuhr erst vom Fachgremium, dass Pfarrer Z. auch in einem anderen Dorf sein Unwesen getrieben hat. In den 1950er-Jahren wurde er sogar zu vier Monaten Gefängnis bedingt verurteilt, «weil er den Mädchen im Unterricht etwas zu nahe gekommen ist», wie es in den Unterlagen des Gerichts beschönigend hiess. 

Pfarrer Z. war bei uns im Dorf am Bodensee als Religionslehrer tätig. Er und der Lehrer waren für mich gefühlsmässig die Höchsten im Dorf. Wenn einer von ihnen eine Strafe aussprach, dann sagte man zu Hause nichts, sonst hätte es geheissen: «Er wird wohl seine Gründe gehabt haben.»

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In der Primarschule ging der Pfarrer jeweils im Schulzimmer durch die Reihen und streichelte uns Mädchen den Rücken. Oder er setzte sich aufs Pult und machte mit dem Finger obszöne Bewegungen. Mich wollte er oft mit dem Auto nach Hause bringen, und weil bei uns in der Familie der Pfarrer eine absolute Autoritätsperson war, getraute ich mich nicht, Nein zu sagen. 

«Sonst kommst du in die Hölle»

Auf einer dieser Fahrten vergewaltigte er mich. Das muss etwa 1971 gewesen sein, als ich zehn Jahre alt war. Es geschah an einem Waldrand, seine Finger waren überall. Danach nahm er mir das Versprechen ab, dass ich es niemandem erzähle. Er drohte, sonst käme ich in die Hölle.

Wer weiss, bei wie vielen Mädchen im Dorf er das sonst noch gemacht hat! Ich habe mittlerweile von einer Frau aus meinem Dorf gehört, die sich als Mädchen jeweils Stecknadeln in die Unterhosen gesteckt haben soll, damit er sich in den Finger stach, wenn er wieder an ihr rumfingerte. Und dass er Mädchen unter den Rock ging, wenn sie an der Wandtafel etwas schreiben mussten. Ich war also vermutlich nicht das einzige Opfer. 

Ich musste auch zu Pfarrer Z. beichten gehen, dass ich das «Bravo» gelesen hatte, oder dass ich zu spät ins Bett gegangen war. Wenn er dann darauf etwas sagte, dann war das richtig schmuddelig. Aus heutiger Sicht ist das fast nicht zu ertragen. Auch die Erstkommunion hatte ich bei ihm. Erst vor kurzem habe ich mein Erstkommunionskreuz angeschaut und dort einen Aufkleber mit seinem Namen entdeckt. Ich habe ihn dann abgerissen und damit das Kreuz für mich neutralisiert. Schliesslich liess ich es von einem Diakon neu segnen.

Eine Art Abschluss

Dieses Streicheln, die Hände zwischen den Oberschenkeln, das hat mich ein Leben lang begleitet. Ich verletzte mich immer wieder selbst, hatte Suizidgedanken und landete auch in der Psychiatrie. Erst vor fünf Jahren brach es bei einer Therapiesitzung aus mir heraus, dass es Pfarrer Z. war, der mich vergewaltigt hatte.

Zwei Personen vom Fachgremium des Bistums St. Gallen halfen mir dann, die Geschichte aufzuarbeiten. Ich konnte mit ihnen an die Orte zurück, wo es passiert war: zum Beichtstuhl, ins Schulzimmer, aber auch an den Waldrand, wo er mich vergewaltigt hatte. Das war für mich eine Art Abschluss.

Vorbei ist die Geschichte nicht, aber ich habe meinen Seelenfrieden gefunden. Ich habe mich entschieden, meine Geschichte zu erzählen. Zudem engagiere ich mich jetzt in der kirchlichen Präventionsarbeit, damit solches nie mehr passiert.

Vreni P. erhielt von der Genugtuungskommission als symbolische Wiedergutmachung die Maximalsumme zugesprochen. Der seit längerem verstorbene Pfarrer Z. wurde wegen der Vergewaltigung nie belangt.

Aufgezeichnet von Thomas Angeli.

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