Aufgezeichnet von Anina Frischknecht:

Mich umgibt ständig eine Wolke. Sie heisst «Mensch mit Migrationshintergrund», sie ist politisch aufgeladen, und sie ist überall. Sie ist da, wenn ich mich mit Namen vorstelle und mich frage, ob die politische Gesinnung meines Gegenübers das Kennenlernen beeinflusst.

Sie ist da, wenn ich nach einem zweistündigen Vorstellungsgespräch, bei dem von der Chemie bis zum Anforderungsprofil eigentlich alles perfekt gepasst hat, gefragt werde, ob ich denn in der Schweiz gut integriert sei. Und sie ist da, wenn ich die Zeitung aufschlage und die Schlagzeilen lese, mit denen Schweizer Medien über meine Freunde, meine Nachbarn, meine Tanten und Onkel, meine Schulkolleginnen berichten. Ohne sie zu Wort kommen zu lassen.

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Welche Schlagzeile vor zwei Jahren alles ins Rollen gebracht hat, weiss ich nicht mehr. Vielleicht war es «Balkan-Eltern schlagen ihre Kinder». Beispiele für solche Schlagzeilen gibt es viele. Damals arbeitete ich als Journalistin in einem grossen Schweizer Medienhaus. Mein Traumberuf seit der Primarschule. Ich habe Kommunikationswissenschaften, Islamwissenschaften und Sozialpolitik studiert, dachte, ich sei am richtigen Ort und könnte meine Stimme nutzen. Aber auf den Redaktionen sind Schweizerinnen und Schweizer mit Migrationshintergrund hauptsächlich Lieferanten für Bad News.

Es ist genug

Journalisten mit Wurzeln in anderen Ländern sind in den Medienhäusern untervertreten. Gleichzeitig herrscht eine zynische Grundstimmung. Kritik an einseitigen Artikeln wird oft als Gutmenschentum belächelt.

Irgendwann hatte ich einfach genug und fand, es müsse eine Möglichkeit geben, dass Schweizerinnen und Schweizer mit anderen Wurzeln zu Wort kommen. Also bin ich mit einer Freundin losgezogen. Wir haben ein Stück grünen Filzbehang gekauft und dann in meinem Wohnzimmer ein Video über Rassismuserfahrungen gedreht. Das Video teilten wir auf Instagram. Das war der Anfang von «Baba News». Baba bedeutet auf Arabisch Vater und in den slawischen Sprachen Grossmutter.

Die feinen Unterschiede

Jetzt erzählen ich und meine Baba-Redaktion die andere Seite der Geschichte. Wir berichten aus dem Inneren einer Multikulti-Community, lassen Stimmen zu Wort kommen, die sonst totgeschwiegen werden, diskutieren Themen, die unseren Lesern am Herzen liegen. Wir schreiben davon, wie es ist, wenn man den eigenen Eltern zu schweizerisch geworden ist, wir diskutieren die feinen Unterschiede zwischen Heimat und Ursprung, erzählen von endlosen Sommerferien im Balkan, von Kulturschocks und von Vorurteilen.

Auch heikle Themen sprechen wir an, zum Beispiel Gewalt in der Erziehung. Aber statt auf reisserische und angriffige Schlagzeilen setzen wir auf eine Diskussion auf Augenhöhe. Das ist die Schweizer Medienlandschaft ihrer multiethnischen Gemeinschaft schuldig. Auch sie konsumiert Medien, auch sie will darin vertreten sein. «Baba News» ist für sie. Und für alle Schweizerinnen und Schweizer mit Wurzeln von hier, die mehr über die Multikulturalität der Schweiz erfahren wollen.

Wir sind Gast in diesem Land, haben meine Eltern immer gesagt. Wir müssen die Gesetze der Schweizer akzeptieren und uns anpassen. Aber wir sind eine neue Generation. Wir sind hier zur Schule gegangen, haben hier studiert, haben hier unser Leben und unsere Zukunft. Wenn wir uns aber am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen, heisst es schnell: Wenn es euch hier nicht passt, dann geht doch zurück in euer Land.

Die jüngste Diskussion zwischen SVP-Nationalrat Andreas Glarner und Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan war leider typisch. Hallo? Die Schweiz ist unser Land. Und wir haben was zu sagen.