Was uns gerade irritiert, nennen Amerikaner «shock and awe» (Schock und Furcht). Die Strategie stammt aus der Kriegsführung. Der Gegner soll mit Aussagen und Forderungen – auch widersprüchlichen – bombardiert und verwirrt werden. Der Grund: Eigene Interessen lassen sich gegenüber gelähmten Entscheidungsträgern einfacher durchsetzen. Das geschieht seit der Wahl von Donald Trump in den USA und hat jetzt Europa erreicht.

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Trumps Make-America-Great-Again-Truppe provoziert mit Aufrufen zum Niederreissen von Brandmauern, mokiert sich über eine Angst der Europäer vor dem eigenen Volk, nennt den ukrainischen Präsidenten Selenski einen Diktator und schiebt ihm gleich noch die Verantwortung für den Angriffskrieg Russlands in die Schuhe.

Nicht entscheidend, ob Musk ein Nazi ist

Über jede Aussage könnte man sich den Kopf zerbrechen: Manche sind offensichtlich falsch, andere verzerren die Realität zur Unkenntlichkeit. Ja, das muss man kritisieren. Aber man darf sich damit nicht aufhalten.

Ob Elon Musk ein Nazi ist, weil er die AfD zu Wahl empfiehlt, ist nicht die entscheidende Frage. Er ist der effiziente Sidekick für Trump, wenn es um die Zerstörung vorherrschender Machtverhältnisse geht. 

Die Amerikaner wollen vor allem eins nicht mehr: Zahlmeister für die europäische Sicherheit sein.

Was also haben die USA mit Europa vor? Und was heisst das für die Schweiz? Die Amerikaner wollen vor allem eines nicht mehr: Zahlmeister für die europäische Sicherheit sein. Sie haben neue Prioritäten im Indopazifik, wo sie sich von den Chinesen bedroht sehen.

Die transatlantische Freundschaft ist damit nicht tot – sofern sich Europäer zusammenraufen und massiv höhere Militärausgaben beschliessen. Waffen und Soldaten sollen so einen wohl aufgezwungenen Frieden in der Ukraine absichern. Und wenn es zu keinem Frieden kommt? Wir Europäer sollen uns darum kümmern.

Europa hat es sich zu bequem gemacht

Ja, die USA stossen uns von ihrem Schoss, auf dem wir es uns jahrzehntelang bequem eingerichtet haben. Sie schützten uns vor imperialen Gelüsten aus dem Osten und finanzierten massgeblich die Verteidigung der Ukraine.

Die hoch verschuldeten USA geben mittlerweile 3,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Rüstung aus. Zum Vergleich: Das wirtschaftlich angeschlagene Deutschland kommt gerade mal auf 2,1 Prozent, die reiche Schweiz nur auf 0,74 Prozent.

Der Druck auf uns wird zunehmen

Nun ist die Schweiz weder Nato- noch EU-Mitglied. Doch der Druck auf uns wird steigen, einen angemessenen Beitrag an eine neue Verteidigungsarchitektur zu leisten. Schliesslich leben wir «mitten in Europa».

Stellen wir uns vor – es möge nicht geschehen –, der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo eskaliert. Heute kontrollieren über 500 US-Soldaten das fragile Gebiet, zusammen mit Europäern – auch mit Schweizern. Der US-Bevölkerung ist dieses Engagement kaum zu vermitteln. Koso-wo? Was aber sind wir – die Geburtshelfer des unabhängigen Kosovo – bereit zu leisten, wenn das russlandfreundliche Serbien tatsächlich einfallen würde?

Die Schweiz braucht eine Rüstungsdebatte

Erste europäische Länder haben den Weckruf verstanden. Auf eine gemeinsame Strategie wird sich die zerstrittene EU aber nie einigen. Eine Koalition der Verteidigungswilligen wird sich als Alternative anbieten. Und wir müssen uns fragen, was wir dort einbringen wollen: den Bürgenstock? Oder darf es etwas mehr sein?



Mehr Ausgaben für die Sicherheit werden es sowieso. Höhere Steuern oder Abstriche an anderen Orten sind der Preis dafür. Die USA haben sich für Letzteres und ein wenig demokratisches Streichkonzert entschieden, unter anderem bei der Entwicklungshilfe.

Wir sollten die Debatte möglichst rasch, aber demokratisch führen. Für «Angst vor der eigenen Bevölkerung» gibt es keinen Grund. Wir haben sie ja noch, die Meinungsfreiheit.