Kommentar
Bedingungslose Bundeshilfe – eine verschenkte Chance
Swiss, Tourismus, Profisport, Gewerbe, Kultur: Der Staat verteilt Geld, als werde die Welt nach Corona dieselbe sein wie zuvor. Damit verpasst er eine Chance.
Veröffentlicht am 3. Dezember 2020 - 18:38 Uhr
«Wer Steuergelder verteilt, sollte dies an Bedingungen knüpfen.» – Peter Johannes Meier, Beobachter-Redaktor
Quelle: Thilo RothackerZwei, drei Monate, dann werde der Spuk vorbei, das Virus verschwunden sein, irgendwie. So dachten viele im März, schielten nach China, hofften auf ein Corona- Ende im Wuhan-Tempo. Alles einfrieren, dann Business as usual.
Unsere Solidarität galt nicht nur den Pflegenden, sie war für alle da. Schnelle zinslose Darlehen, längere Kurzarbeit, Fonds für Härtefälle. Es galt, den Niedergang der Wirtschaft und Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Selbst liberalste Politiker und Unternehmerinnen appellierten an die Kraft des Staates.
Heute, neun Monate nach dem Shutdown, glaubt kaum noch jemand an ein rasches Ende. Selbst mit Impfungen wird es viele Monate, vielleicht Jahre dauern, bis sich alle Teile der Wirtschaft umfassend erholt haben. Aber es wird nicht mehr die gleiche Wirtschaft sein. Mehr Menschen arbeiten zu Hause, es wird weniger gependelt und seltener in Restaurants gegessen. Es wird auch weniger geflogen. Das Virus und die Angst davor werden kaum ganz verschwinden. Und die Krise verleitet uns sowieso zum Sparen.
Sonderlösungen: Die Stunde der Lobbyisten
Der Staat stützt die Wirtschaft ziemlich bedingungslos mit Krediten, Geldgeschenken, Kurzarbeit. Irgendwann, so die trügerische Hoffnung, werde Nach-Corona das alte Vor-Corona. Das ist die Stunde der Lobbyisten, die Sonderlösungen herausschinden, für die Flugbranche, für den Tourismus, für den Profisport, für jeden Nachtclub. Alles ist jetzt systemrelevant, auch Spitzensport, die Ausgangsmeilen, die Kultur des Reisens.
Vor Corona wurden wir noch ermahnt, weniger zu fliegen, weniger zu pendeln und ökologischer zu leben. «Netto-Null» bis 2050 ist immer noch erklärtes Ziel des Bundesrats.
Doch jetzt, wo sich einiges bewegt, werden auch jene gestützt, die das Rad zurückdrehen. Und das sehr willkürlich. Die Swiss hat ohne Auflagen 1,5 Milliarden Franken erhalten. Easyjet dagegen nichts, obwohl das Unternehmen für Genf und Basel bedeutender ist und ebenfalls Sitz in der Schweiz hat. Die Swiss-Manager demonstrierten umgehend, wie sie mit Geld umgehen. Sie zahlten sich fette Boni für 2019. So handelt kein seriöser Unternehmer.
Nötige Bedingungen
Doch es gibt Lichtblicke. Den Profisport unterstützt der Bundesrat nur unter strengen Auflagen. Löhne müssen offengelegt und reduziert werden. Die Regierung ist über ihren Schatten gehüpft, ein bisschen. Denn wer Steuergelder verteilt, sollte dies an Bedingungen knüpfen. Bei Sozialhilfebezügerinnen stellt das kaum jemand in Frage. Bei grossen Wirtschaftsplayern dagegen sollen Eigenverantwortung und Marktnähe plötzlich besser sein als ein mitgestaltender Staat.
Es gibt nun mal keinen Anspruch, mit Staatsgeldern etwas zu erhalten, was demokratisch abgesegneten Zielen widerspricht – oder schlicht Einkommen oder Boni garantiert. Es gibt aber den Anspruch, dass der Staat seine Finanzspritzen nicht nach dem Drehbuch von Lobbyisten setzt.
Auch der kaum kritisierten Kurzarbeit fehlt es an Weitsicht. Es ist unsinnig, wenn Menschen monatelang darauf warten, dass der künftige Job vielleicht wieder der alte sein wird. Weiterbildungen sollten eine Bedingung sein, damit Kurzarbeitsgelder über längere Zeit fliessen. Genau dies verlangten die Grünen kürzlich im Parlament. Der Bundesrat lehnte ab. Die Mehrheit der Arbeitnehmenden tue das doch ohnehin, vermutet die Regierung. Mit dem gleichen Argument hatte sie während der Finanzkrise einen ähnlichen SP-Vorstoss gekippt.
Das Ergebnis kennen wir. Es waren die Jungen, die über 50-Jährigen und die Frauen, die die Zeche bezahlten. Das wird jetzt nicht anders sein. Gratisgeld und bedingungslose Kredite strapazieren die Solidarität der Jungen noch auf eine andere Weise: Sie werden die Kosten der Krise finanzieren müssen. Das wird sie länger schmerzen als der Verzicht auf die Party am Wochenende.
3 Kommentare
Man soll zur Tilgung der Corona Schulden eine progressive Reichensteuer einführen. In Spanien wurde eine solche Reichensteuer bereits angekündigt, in Österreich ist auch eine Mehrheit dafür.
Nicht jeder Reiche schafft mit seinem Vermögen Arbeitsplätze, wie immer gebetsmühlenartig behauptet wird. Oft wird nur im Kapitalmarkt etc. reinvestiert. Dies ist volkswirtschaftlich aber schädlich, denn dieses Geld wird dem Geldkreislauf entzogen und fehlt dann sowohl in der Realwirtschaft und dem Staat. Dadurch braucht es ständige Neuverschuldung oder Sparmassnahmen welche zur Verhinderung sinnvoller Investitionen führt. Mit sparen erreicht man weder Wirtschaftswachstum noch sichert man damit Arbeitsplätze.
So kann nur jemand schreiben, der seinen Lohn das ganze Jahr bekommen hat. Der Standpunkt ist einseitig und ein "Chlapf" an alle, die jetzt um ihre Existenz bangen.
Jeder der ein Geschäft aufgebaut hat, hat auf vieles verzichtet. Ich habe neun Jahre lang eine Tanzschule aufgebaut, und habe jetzt 11 Angestellte. Nur gerade der Oktober war knapp kostendeckend. Ich selber habe im 2020 6 Monate lang keinen Lohn bezogen. Arbeiten Sie 6 Monate ohne Lohn? Und es ist ja nicht absehbar.
Statt dass Sie das fast tägliche hin und her von Regeln und Auflagen kritisieren, das uns Unternehmer nicht nur finanziell sondern aus psychisch fertig macht, hacken sie auf uns rum.
Die Jungen sind es, die die zweite Welle angeheizt haben, mit ihren illegalen Partys. Achten Sie mal in den Läden, wer Abstand hält und wer nicht.
Keine Tanzschule, keine Arbeitsplätze.
So blind kann man ja nicht sein.
Wiegeln Sie nicht die Jungen gegen die älteren auf!
Kurzarbeit sollte nur in Branchen mit intakter Zukunftsaussicht bezahlt werden. Dazu gehören Reisebüros, Aviatik, Nachtclubs, Restaurants am Existenzminimum nicht. Hier sollte es nur Hilfe für Umschulungen geben.