Wieder nichts mit einer Reform der zweiten Säule – die Abstimmung hinterlässt nach jahrelangem Ringen einen Scherbenhaufen. Aus Sicht der Befürwortenden dürfte das bitter sein. Denn damit wurde auch die Chance verpasst, die zweite Säule stärker für Teilzeiterinnen und Geringverdiener zu öffnen. Andererseits ist es auch ein pragmatischer Entscheid – die berufliche Vorsorge, die alles in allem gut funktioniert, bleibt so, wie sie ist. 

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Erstaunlich ist dieses Ergebnis nicht, denn diese Reform war ein Murks. Die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent sollte die systemwidrige Umverteilung von Angestellten zu Pensionierten verringern. Um soziale Härten zu vermeiden, waren Kompensationszahlungen für die ersten 15 betroffenen Jahrgänge vorgesehen. Allerdings mit diversen Bedingungen, die für Laien kaum zu verstehen waren.

Gerecht wäre das nicht gewesen

Diese Regeln hätten dazu geführt, dass Menschen trotz Kompensation weniger Rente erhalten hätten. Und umgekehrt hätten sie bewirkt, dass andere Versicherte solche Zusatzzahlungen bekommen hätten, obwohl ihre Rente gar nicht gesunken wäre. Gerecht ist das nicht. 

Ausserdem wäre die Umverteilung von den Aktiven zu Rentnerinnen und Rentner auf diese Weise zunächst gar nicht reduziert, sondern auf Jahrzehnte hinaus verstärkt worden. 

Angesichts der handwerklichen Mängel der Reform wurde sie von manchen ihrer Befürworter eher lauwarm verteidigt. Stattdessen stilisierten sie die Abstimmung zum Entscheid über die Deutungshoheit bei der Altersvorsorge. Eine riskante Argumentation, für die es jetzt die Quittung gab.

Für Millionen von Versicherten geht es um sehr viel Geld. Für Experimente gibt es da keine Mehrheiten. 

Aber stimmt das mit der Deutungshoheit überhaupt? Zwar haben die Gewerkschaften dieses Jahr die 13. AHV-Rente durchgesetzt und eine bürgerlich geprägte Reform der zweiten Säule verhindert. Doch ob die berufliche Vorsorge nun stark unter Druck kommt  – und womöglich aufgelöst und in die AHV integriert wird, wie es einem Teil der Linken vorschwebt –, das ist eine andere Frage.

Tatsächlich dürfte das Drei-Säulen-Modell weiter stabil sein. Für Millionen von Versicherten geht es um ihr persönliches Altersguthaben und sehr viel Geld. Für Experimente gibt es da keine Mehrheiten. 

Zuspitzungen, Halbwahrheiten und Lügen

Der Abstimmungskampf mit seinen Zuspitzungen, Halbwahrheiten und Lügen hat erneut gezeigt, dass die komplexen technischen Fragen der zweiten Säule sich schlecht für einen Volksentscheid eignen. Eine Reform kann offensichtlich nur gelingen, wenn sie von einer breiten Allianz der Parteien, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften getragen wird.

Seit Jahren scheitert das Parlament daran, einen solchen Kompromiss zu finden. Alain Bersets «Altersvorsorge 2020» wurde von den Bürgerlichen bekämpft und scheiterte 2017 an der Urne. Jetzt haben die Bürgerlichen, die die ursprüngliche Vorlage der BVG-Reform 21 nach ihren Vorstellungen umgebaut haben, das gleiche Schicksal erlitten.

Was nun? 

Die meisten Pensionskassen haben nicht auf den Gesetzgeber gewartet, sondern die Umverteilung zu den Rentnerinnen und Rentnern selbst reduziert oder gestoppt. Die Kassen haben bewiesen, dass sie faire Lösungen finden können. Viele Kassen haben es auch ermöglicht, dass Teilzeiterinnen und Geringverdiener mehr von der zweiten Säule profitieren als gesetzlich verlangt.

Mehr Gerechtigkeit heisst vor allem mehr Ausbau

Das heisst, der Weg zu mehr Gerechtigkeit in der zweiten Säule kann vor allem über ihren Ausbau führen. Wenn mehr Lohnbestandteile als gesetzlich vorgeschrieben versichert sind – die meisten Kassen machen das bereits –, dann lässt sich vieles lösen.

Dazu braucht es vor allem die Bereitschaft der Arbeitgeber, mehr für die Altersvorsorge ihrer Mitarbeitenden zu zahlen. Aber auch die Angestellten selbst sollten bereit sein, mehr für ihr Altersguthaben in der Pensionskasse zu sparen. Anders als die AHV-Beiträge gehört dieses Geld wirklich ihnen und vermehrt sich über die Jahre. 

Ausbau bringt mehr Spielraum

Mit höheren Beiträgen steigt das sogenannte überobligatorische Guthaben in der zweiten Säule. Das ermöglicht den Kassen, bei den Renten eine Mischrechnung zu machen, die der gestiegenen Lebenserwartung und den gesunkenen Renditeerwartungen Rechnung trägt und für mehr Fairness zwischen den Generationen sorgt. Dann können die Kassen gut damit leben, dass der gesetzliche Umwandlungssatz von 6,8 rechnerisch zu hoch ist.

Gleichzeitig sinkt der politische Reformdruck – und es kommt immer weniger darauf an, ob das Parlament es schafft, endlich eine mehrheitsfähige Lösung zu finden. Oder ob es – wie zu befürchten – beharrlich daran scheitert.