«Ein Leben lang manipuliert»
34 Jahre lang gehört Philipp Höhener zur Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten. Bis er eine schicksalsschwere Entdeckung macht.
Veröffentlicht am 14. Oktober 2019 - 10:19 Uhr
Der Pastor steht an einer seichten Stelle des Thunersees und drückt den Kopf von Philipp Höhener einige Sekunden unter Wasser. Als er auftaucht, stimmen die Leute um ihn herum «We are Family» an. Höhener blickt in die singenden Gesichter und denkt: «Jetzt gehöre ich dazu. Jetzt bin ich angekommen.»
Philipp Höhener war 23, als er offiziell in die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten aufgenommen wurde. «Das war der schönste Moment meines adventistischen Lebens», erzählt der 41-Jährige. «Das Gefühl der Zugehörigkeit war nie so gross wie in diesem Augenblick. Ich war von allen Sünden reingewaschen. Ich war wiedergeboren.»
Höhener hatte praktisch sein ganzes Leben bei den Adventisten verbracht. Er besuchte die adventistischen Pfadfinder, leitete Jugendgruppen, war Pianist bei den Gottesdiensten. Ab zwölf diskutierte er jeden Samstag in der Sabbatschule über Gott, die heiligen Schriften und das richtige Leben.
Bei den Adventisten ist der Samstag heilig. Von Sonnenuntergang am Freitag bis Sonnenuntergang am Samstag darf man keine Arbeit verrichten, egal, wie unbedeutend sie ist. Alle weltlichen Aktivitäten sind untersagt: Sport treiben, aufräumen, einkaufen, Kino. «Man darf nicht mal schwitzen.»
Das Leben in der Gemeinschaft passt ihm. Die Gottesdienste und die Pfadigruppe geben Halt in einer strukturlosen Welt. Am Samstag – obwohl damals üblich – muss er nicht in die Schule. Höhener, der Einzelgänger, der Frömmler – in der Schule wird er gehänselt – findet nur schwer Anschluss.
Die Siebenten-Tags-Adventisten sind eine protestantische Freikirche. Ihren Ursprung haben sie in den USA. Seit 1883 gibt es in der Schweiz einen Ableger, ihm gehören 4600 Mitglieder an, verteilt auf rund 50 Gemeinden. Die Adventisten glauben an die Wiederkehr von Jesus Christus. Die von Prophetin Ellen G. White propagierte Lebensweise bereitet sie darauf vor, denn nur diejenigen werden von Jesus errettet, die strikt nach den 28 adventistischen Glaubensüberzeugungen leben.
Wie fremd adventistische Überzeugungen in der realen Welt sind, erfährt Höhener erstmals während der Pubertät . Die Hormone spielen verrückt, die Mädchen sind attraktiv, jedes Problem gleicht einem Weltuntergang. «Jedes Mal, wenn ich mich befriedigte, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Jedes Mal, wenn ich einen Schluck Alkohol trank, war ich innerlich zerrissen. Jedes Mal, wenn ich eine Zigarette rauchte, wurde ich von schlechten Gedanken verfolgt.»
Die Verlockungen sind zu gross, Höhener entwickelt ein Doppelleben. Am Wochenende ist er Adventist. Unter der Woche feiert er, tanzt, raucht, trinkt Alkohol, trifft sich mit Mädchen. Verfolgt vom schlechten Gewissen.
Mit 19 findet er seine erste grosse Liebe. Eine hübsche 16-Jährige. Sie ist nicht gläubig, sie werden trotzdem ein Paar. «Es wird erwartet, dass die Partnerin Adventistin ist oder es bald wird.» Sie wird es nicht. Sie schlafen miteinander. Innerlich zerrissen beichtet er es seinen Eltern. «Für meine Mutter war ich ein Schwerverbrecher.» Er zieht mit 21 aus, für die Eltern ist auch das Verrat.
«Jeder wollte besser sein als der andere. Daran gehst du kaputt.»
Philipp Höhener, ehemaliger Adventist
«Die meisten Adventisten brechen regelmässig ihre Glaubensgrundsätze», sagt Höhener. «Solange man nicht darüber redet, interessiert das niemanden.» Denn bei Verstössen gegen die Ordnung würde die korrigierende Seelsorge eingeschaltet. «Bei schwerwiegendem sündhaftem Verhalten müssen korrigierende Massnahmen ergriffen werden. Das kann durch die Einräumung einer Klärungsfrist oder den Entzug der Mitgliedschaft erfolgen», steht in der Gemeindeordnung. Die Klärungsfrist ist eine Art Probezeit. Gründe für korrigierende Seelsorge sind etwa: Unzucht, wechselnder Beischlaf, Rauschmittel
.
Die Adventisten kämpfen gegen Mitgliederschwund und sind deshalb nicht mehr so strikt. Der sündige Höhener bekommt keine Klärungsfrist verhängt. «Ich durfte sogar weiter meiner Tätigkeit im Jugendleiterteam nachgehen. Bei Personalmangel wirfst du einen guten Mitarbeiter nicht wegen eines Ausrutschers raus.» Höhener ist quasi Mitarbeiter des Monats: Er zahlt den Zehnten, ist engagiert, immer an vorderster Front, immer da, wenn man ihn braucht.
«Es war wie Schizophrenie», erzählt er. Der Drang, immer besser, gottähnlicher zu werden, bringt ihn an physische und psychische Grenzen. Man kann immer ein bisschen mehr beten, mehr spenden, mehr freiwillige Arbeit leisten. «Jeder wollte besser sein als der andere. Daran gehst du kaputt.» Es gibt immer wieder Fälle von Depressionen, Suizidversuche . Beides hat er in seiner Familie erlebt.
Höhener ist 22 Jahre alt, als in einer Jugendstunde irgendjemand wieder irgendeine Bekehrungsgeschichte erzählt. Er bricht zusammen. «Ich war am Ende, konnte nicht mehr aufhören zu weinen.» Das Doppelleben, es zerreisst ihn. Er kann so nicht mehr weitermachen. Er muss sich entscheiden. Für Gott, die Familie und die Adventisten – oder für die Liebe. Er macht mit seiner Freundin Schluss. «Ich meinte, jetzt komme Jesus in mein Leben.» Doch Jesus kommt nicht.
Aber die nächste Liebe. Auf einer Osterreise nach Wien lernt er seine heutige Frau kennen. Eine gläubige Christin, die bei Freikirchen wie dem ICF mitmacht. Wieder prallen zwei Welten aufeinander. «Ich stellte von Anfang an klar, dass ich meinen Glauben nie verlassen werde.» Sie akzeptiert, sie werden ein Paar. Doch sie wird mit dem adventistischen Glauben nicht warm. Er ist ihr zu stier, zu altmodisch. Trotzdem begleitet sie Höhener zum Gottesdienst, an Jugendtreffen, zu Gemeindeversammlungen. «Nach drei Jahren merkte ich, dass sie nie Adventistin wird», sagt er. «Es war mir egal.»
Als er den Eltern verkündet, dass er diese Frau heiraten werde, herrscht betretenes Schweigen. «Ein Adventist darf nur mit einem Adventisten zusammen sein. Andere werden wie Menschen zweiter Klasse behandelt.» So heiraten Adventisten vorzugsweise ihresgleichen, die Stammbäume verflechten sich. «Darum sind so viele Adventisten miteinander verwandt.»
Sechs Jahre später. 11. April 2012. Höhener und seine Frau kommen von einem Termin. Regula, eine adventistische Freundin, hütet die Tochter. Als sie zurückkommen, ist sie aufgeregt, zückt ihr Handy. Sie zeigt ein Video, das sich mit der Symbolik der Freimaurerei in der adventistischen Kirche auseinandersetzt. Eine Offstimme kommentiert, zu sehen ist das Familiengrab von Prophetin Ellen G. White, darauf ein Obelisk. Weitere Freimaurersymbole auf unterschiedlichen Bildern aus adventistischer Literatur erscheinen nacheinander. Ein Foto, auf dem Ellen G. White inmitten von Freimaurern sitzt, wird eingeblendet. Die Beweisführung ist wirr und abstrakt. Doch Höhener ist wie elektrisiert.
Freimaurer sind überzeugt, dass die ständige Arbeit an sich selbst einen zu einem menschlicheren Verhalten führt. Sie glauben an Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Adventisten sehen in ihnen aber eine Geheimgesellschaft, deren Lehren und Ansichten teuflischen Ursprungs sind.
Höhener beginnt, auf eigene Faust zu recherchieren. «Ich verbrachte drei schlaflose Wochen damit, Zitate und Schriften der Freimaurer mit unseren zu vergleichen. Ich wollte herausfinden, dass alles nur ein grosser Fehler war.» Auch seine Freundin Regula beginnt zu zweifeln. Sie tauschen Links und Literatur aus. Je mehr sie suchen, desto mehr Widersprüche entdecken sie. «Langsam wurden wir gewahr, dass wir ein Leben lang indoktriniert und manipuliert wurden.» Die Fassade bröckelt.
«Der schlimmste Moment war, als ich dieses Zitat von Ellen G. White entdeckte: ‹Mein Werk trägt den Stempel Gottes oder den Stempel des Feindes. In dieser Hinsicht gibt es keine halbe Arbeit. Die Zeugnisse sind entweder vom Geiste Gottes oder vom Teufel.›» Es fällt ihm wie Schuppen von den Augen. Die Parallelen zwischen den Adventisten und den Freimaurern sind für ihn nun offensichtlich.
Bei seinen besten Freunden, einem Ehepaar aus der Gemeinde, stösst er auf Unverständnis. «Sie sagten mir, sie wüssten, dass auf der Führungsebene vieles im Argen liege. Aber das halte sie nicht davon ab, zu glauben, dass Gott einen Plan für die Adventisten habe.» Doch wenn man nicht mehr an Ellen G. White glaubt, hat man bei den Adventisten nichts verloren. Nach 34 Jahren verlässt Höhener die Gemeinschaft. «Ich war wie im freien Fall.»
Er geht mit einem Feuerwerk. Er schreibt allen wichtigen Leuten eine Mail, warnt sie vor dem falschen Glauben. «Ich versuchte, mich zu rechtfertigen und die anderen von meinen neuen Ansichten zu überzeugen. Das würde ich heute anders machen.»
Sein Austrittsschreiben ist wirr, abstrus, voller Selbstzweifel. Er beleidigt die Prophetin, bezeichnet sie als teuflische Quelle. Er bombardiert Freunde und Verwandte mit Mails. Er schleicht sich in adventistische Foren ein. «Sie warfen mich raus und rieten mir, einen Psychiater aufzusuchen.» Das tut er nicht. Er macht Youtube-Videos, schaltet einen Blog auf. Er ist wie besessen.
Die Beziehung zu seinen Eltern ist angespannt. Seine Schwester scheut sich, mit ihm über den Austritt zu reden. Er habe nur noch mit einem Ehepaar aus dem adventistischen Umfeld Kontakt. Viele wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben. «Verständlich.» Und trotzdem kann er nicht aufhören, darüber zu reden. «Ich bin immer noch daran, diese Zeit zu verarbeiten. Darum schreibe ich jetzt ein Buch.»
Bereut er etwas? Höhener überlegt lange. «Nein oder nur in seltenen Momenten.» Er hasse die Adventisten nicht, er fühle nur Traurigkeit. Manchmal auch Glück, wenn er an die Zeit bei ihnen zurückdenke. Wenn er seine Geschichte erzähle, fühle er vor allem eines: Freiheit.
«Wenn man mich heute fragt: ‹Woran glaubst du?›, sage ich: ‹Ich bin der ehemalige Adventist. Das bin ich nämlich.›»
28 Kommentare
Einerseits bin ich sehr dankbar für Berichte, die Einblick geben in die geistlichen Kämpfe, denen Menschen ausgesetzt sind. Andererseits ist es mir aber auch wichtig, immer das Gesamtbild zu sehen und seine eigene Erfahrung nicht unbedingt zu einer Generalaussage werden zu lassen.
Ich selbst bin Adventist seit Kindheit an und habe etliche Phasen durchgemacht. Natürlich könnte ich dafür meine Eltern, meine Gemeinde verantwortlich machen. Nur würde ich dabei ausblenden, dass auch sie das können. Umstände und Menschen sind gern Ziel unserer Kritik. Bemerkenswert dabei ist, dass Jesus wohl unter schlimmsten Umständen in einer abgefallenen Gemeinde groß geworden und dennoch im Glauben fest geworden ist - um jetzt mal nur ein paar Faktoren zu nennen.
Freilich gibt es genügend Beschwerde Material, wenn wir danach suchen. Ich selbst habe jahrelang gelitten und eine zunehmende innere Leere verspürt. Das lag aber weder an der Bibel, noch an Ellen White, noch an diversen Menschen an und für sich sondern daran, dass ich selbst mich zu wenig um die Sache gekümmert habe. Ich war in einem Hamsterrad, in dem ich zwar falsche Ideen geglaubt habe, die ich verschiedenen Menschen zum Vorwurf machen könnte. Aber das bringt mich nicht weiter, sondern verschlimmert meinen Zustand bloß.
Es brauchte offensichtlich ein sehr finsteres Tal, damit ich mich um meine Baustellen bewusst kümmerte, um meine tägliche Gottes Beziehung, um mein verkehrtes Gottesbild, um Sünde, die mich stets plagte, um mein verkehrtes Lebensprogramm. All das wäre im Grunde nicht nötig gewesen, hätte ich das Gottesbild verstanden und angenommen, das in der Bibel und in unermüdlicherweise durch Ellen White vermittelt wird.. und das gilt auch für mein Lebensprogramm.
In meinem finsteren Tal lernte ich Gott wirklich kennen, ich lernte Dankbarkeit, meine persönlichen Fehler sehen, bekennen und bearbeiten. Diese Veränderung nenne ich meine Bekehrung, obwohl ich schon seit 30 Jahren getauft war!
Das Hauptproblem, das ich heute sehe: viele Christen "sehen" (wie auch ich lange Zeit) nicht das Gesamtbild, sondern konzentrieren sich aus verschiedenen Gründen auf diverse Teile der Bibel (und Adventisten auf Teile der Aussagen von Ellen White), erleiden Schiffbruch (was praktisch unvermeidlich ist) und machen dann gerne andere dafür verantwortlich.
Damit will ich nicht alles rein waschen, es gibt überall falsche Vorstellungen, Lieblingsgedanken und tatsächlich auch Pharisäer und Schriftgelehrte (die von der negativen Seite, mit denen bereits Jesus seine Mühe hatte), die mich mit ihrem Ansichten "füttern" und oft genug auch unter Druck setzen. Das ist allerdings kein adventistisches Problem sondern ein menschliches. Ein scharfer Blick in die Geschichte der letzten 2000 Jahre und darüber hinaus dürfte das klarstellen. Ich verweise mal nur auf die Inquisition und die Entwicklung der USA von ihren Anfängen bis heute.
Ja, ich kenne Menschen, die ein gestörtes Verhältnis zur Bibel und zu Ellen White haben. Ich selber darf jedoch bestätigen, dassich beides näher zu Gott zieht und innerlich mit Freude erfüllt und ich diese Freude und Zufriedenheit und Dankbarkeit auch weitergeben darf - erfolgreich!
Was mich allerdings traurig macht: zahlreiche Christen ignorieren in fataler Weise jenen Krieg in der unsichtbaren Welt, wie er z.B. in Offenbarung 12, bei Epheser 6 und Matthäus 4 und natürlich Genesis 3 sehr deutlich wird (neben zahlreichen anderen Stellen). Es ist wenig hilfreich, Gottes Warnungen aufgrund eigener Befindlichkeiten herunterzuspielen. Was daraus folgt, wird dann gut und gerne anderen "Fanatikern" oder "Fundamentalisten" und oft genug sogar Gott selbst zur Last gelegt.
Es wäre gut, den Fehler nicht dort, sondern bei seinem eigenen Denken und seiner eigenen Affinität zum Ungehorsam zu suchen, wodurch wir uns schrittweise aus dem guten Einflussbereich unseres barmherzigen Gottes entfernen. Ja, Gottes Allmacht endet tatsächlich dort, wo mein persönlicher Wille sich Gott in den Weg stellt.
"...nur diejenigen werden von Jesus errettet, die strikt nach den 28 adventistischen Glaubensüberzeugungen leben." Gott sei Dank stimmt diese Aussage obigen Artikels nicht. Der Artikel ist somit irreführend. Ich bin selber Adventist. Gott schaut ins Herz. Die Gründe für Errettetsein oder nicht finden sich in der Bibel wie Matthäus 25 oder oder Offenbarung 21. Herr Höhner hat psychische Probleme, das liegt aber nicht an der Adventgemeinde. Niemand muss schizophren leben, andere beleidigen, wirr und abstrakt argumentieren, wie besessen agieren. Alles das sagt der obige Artikel über Herrn Höhener aus. Das liegt aber nicht an den Adventisten. Thomas von Gunten möchte nicht, dass man das so klar benennt; leider ist es aber wahr, der Artikel selber sagt es aus. "Dem Lamm nachfolgen, wohon es auch geht" (Offenbarumg 14,4) - das ist Ziel eines jeden wahren Christen, auch das eines jeden wahren Adventisten.
Nicht schlimm.
Sind manche Texte.
Die Bibel ist gut.
Falsche "Glaubensgemeinschaften":
Sind üblich.
Machte auch Ausstieg.
So eine scheinheilige Sekte.
Mit Manipulation.
In Hellvetien.
Ganz im Westen.
Sind keine echten Theologen.
In Nachfolge.
Mein Kenntnisstand.
Bei den Adventisten.
Nicht ganz so schlimm.
Zum Teil.
Unheilige Allianzen.
Haben sie gebildet.
Und nennen sich Evangelisch.
Voll dämonisch .....
Ich bin Pastor der Adventgemeinde und es ist traurig, dass Herr Philipp Höhener den Glauben so als Druck empfunden hat. Wenn ein Jugendlicher in einer Gemeinde/Kirche aufwächst mit der er sich gar nicht identifizieren kann, entsteht ein enormer Druck. Und es ist auch gut, dass er sich äußert, was ihn so sehr belastet hat. Daraus sollte die Freikirche lernen. Es ist gut, dass wir in einer Zeit leben, wo Themen klar angesprochen werden. Danke für den Mut von Herrn Höhener. Manche Frommen meinen es gut, aber deshalb wird es nicht gut. Der Artikel von Sascha Britsko ist aber dennoch eigenartig. Er schafft es nicht aus einer neutralen Position die Probleme zu beschreiben, sondern verfällt in ein Schwarzweißdenken. Hier sind die Bösen und das sind die Guten. Umgekehrt gibt es viele Menschen, die durch Freikirchen Heilung und Frieden gefunden haben. Der Glaube an Gott hat auch viele heilsame und hilfreiche Ansätze. Und wir benötigen auch Werte wie sie in der Bergpredigt oder in den zehn Geboten zum Beispiel dargestellt werden. Sie sind doch auf für den Zusammenhalt einer Gesellschaft wichtig. Dafür steht ja auch eine Kirche. Jedenfall wirkt der Artikel durch seine tenzenziöse Darstellung unprofesionell. Trotzdem unterstütze ich den Gedanken über die Nöte von Herrn Höhener zu sprechen und daraus zu lernen. Mir scheint es auch wichtig, dass auch hier wieder so etwas wie Versöhnung stattfinden kann. Was kann die Kirche daraus lernen? Was kann jemand lernen, der Werte annimmt, hinter denen er nicht stehen kann? Worauf müssen gläubige Eltern im Umgang mit ihren Kindern achten? Wertevermittlung hat ihren Wert, aber letztlich soll auch die Freiheit ein wichtiger Wert bleiben. Hier die Balance zu halten ist ja auch ein Thema der gesamten Gesellschaft.
Sehr geehrter Herr Zaiser,
Ich finde Ihre Antwort gut. Sie zeigen Verständnis für Herrn Höhener!
Meine Ehefrau war Adventistin von Geburt aus und hat sich als Erwachsene entschieden diesen freikirchlichen Glauben nicht weiter zu leben. Sie wuchs unter einer streng gläubigen Mutter in Brasilien auf und auch die Kirche war eng in ihrem Denken. Es wurde ein zu großer einengender und angsterzeugender Druck auf sie ausgeübt.
Ich selber habe etwa 3 Semester Theologie an einer liberalen Adventuniversität in Californien studiert. Hier habe ich erkannt, dass die Bibel auf keinen Fall eins zu eins als Gottes Wort betrachtet werden kann. Dadurch ist mein „kindlicher“ Glaube auch zerbrochen, nicht komplett - da ich trotzdem noch an Gott glaube.
Einer der Theologen hat einen längeren Witz in einer der Vorlesungen erzählt und der ging in etwa so:
Ein Adventist will sich umbringen und steht an einem Brückengeländer bereit zum Sprung. Zufällig kommt ein anderer Adventist herbei und fängt mit ihm zu reden an und versucht in davon abzubringen. Erst dann finden beide raus dass sie Adventisten sind. Jetzt fragt der helfende Adventist zu welcher Adventrichtung er gehört und es stellt sich heraus, dass beide jeweils zur selben Verständnisrichtung gehören. Dies lässt sich jedoch relativ beliebig erweitern, was der Helfende auch tut und zu guter Letzt gibt es im Glaubensverständnis doch einen kleinen Unterschied und der Helfende ruft aus: „Du Verräter!“ und stößt den Selbstmordgefährdeten von der Brücke.
Mit anderen Worten, das Glaubensverständnis ist so groß wie es Adventkirchen (lässt sich auf jeden beliebigen Glauben ausweiten) und Christen gibt, keiner von uns weiß alles und hat auch nicht die Wiesheit und das Wissen mit Löffeln gefressen.
Aus diesem Grund ist Liebe und freiheitliche Erziehung in der Familie und in den Gemeinden absolut wichtig um Menschen nicht zu vergrämen und ihnen eine wirkliche Hilfe zu sein. Freiheit, Liebe und Verständnis über Doktrin setzen, wir wissen soooo wenig über Gott und wenn es ihn gibt können wir seine Liebe und sein Verständnis gar nicht begreifen.
Daher Liebe , Freiheit und Verständnis über alles setzen in der religiösen Erziehung!
Liebste Grüße, ein armer Sünder!