«Müttern steht mehr im Weg als fehlende Betreuungsplätze»
Am 1. März entschied der Nationalrat über einen Ausbau der Kitasubventionen. Aber was nützen sie wirklich? Die österreichisch-polnische Ökonomin Monika Köppl-Turyna sagt, was wirklich nötig wäre, damit mehr Mütter einer Erwerbsarbeit nachgehen.
Veröffentlicht am 28. Februar 2023 - 15:17 Uhr
Frau Köppl-Turyna, lohnt es sich, Kitas stark zu subventionieren?
Das kommt ganz darauf an, was man damit erreichen will. In der ganzen Debatte über Sinn und Unsinn von Kitasubventionen geht es oft um erwerbstätige Mütter. Vergessen gehen die Kinder. Denn ihnen kommt ein gut ausgebautes Kitanetz definitiv zugute. Vor allem sozial benachteiligten Kindern. Ihre Ernährung und ihre Gesundheit verbessern sich, Misshandlungen gehen zurück. Das führt langfristig zu besserer Bildung, weniger Arbeitslosigkeit, weniger Ungleichheit. Und höherer Produktivität.
Die Subventionen in die Kinderbetreuung verpuffen also nicht, wie kritisiert wird?
Nein. Der Staat bekommt das Geld mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit sogar eins zu eins zurück. Nicht vernachlässigen darf man, dass Kitas die Integration von Kindern mit migrantischen Wurzeln fördern. Und ihren Eltern die Chance geben, am Arbeitsmarkt stärker teilzunehmen und in der Gesellschaft anzukommen.
Monika Köppl-Turyna ist die erste Frau, die in Österreich alleine an der Spitze eines grossen Wirtschaftsforschungsinstituts steht. Als Direktorin von Eco Austria beschäftigt sich die gebürtige Warschauerin mit der Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen und der Rolle von Müttern auf den internationalen Arbeitsmärkten. Sie ist Mutter von zwei Kindern.
Und was ist mit dem Ziel, mehr Mütter zurück in den Job zu bringen?
Wenn wir als Gesellschaft hoffen, dies alleine mit subventionierten Kitaplätzen hinzukriegen, sind wir ziemlich auf dem Holzweg. Berufstätigen Müttern steht leider mehr im Weg als fehlende oder teure Betreuungsplätze.
Zum Beispiel?
Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern. Es ist auch eine rationale Entscheidung, wenn sich jener Elternteil mit dem niedrigeren Lohn mehr um die Kinder kümmert. Leider oft die Mutter. Und je länger sie ihre Kinder betreut, desto schwieriger findet sie zurück ins Arbeitsleben. Für Väter gibt es immer noch wenig Motivation, im Job zurückzustecken und sich mehr Zeit für die Kinderbetreuung zu nehmen. Dazu kommen steuerliche Fehlanreize. Es lohnt sich für die Mütter oft nicht, das Pensum aufzustocken, weil die Lohnerhöhung unsinnig hoch besteuert wird.
Wir können es uns nicht leisten, weibliches Wissen und Können zu lange brachliegen zu lassen.
Monika Köppl-Turyna
Was ist mit den traditionellen Rollenbildern?
Die sind hartnäckig, zumindest in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland. Eine europäische Sozialumfrage wollte von Müttern kürzlich wissen, ob Kinder leiden würden, wenn Mütter berufstätig sind. Nur neun von 100 Müttern in Dänemark fanden: ja. In Österreich waren es 47. In der Schweiz wohl ähnlich viele. Auch deshalb bräuchte es eigentlich mehr subventionierte Kitaplätze: Wenn Familien sehen, dass Kinder in der Kita glücklich sind und gefördert werden, dann ist die verteufelte Fremdbetreuung für viele hoffentlich nicht mehr so abschreckend.
Ist es denn wichtig, dass Mütter schnell wieder zurück in den Beruf finden?
Aber klar ist es wichtig. Es schützt sie vor grossen Einkommensverlusten und so auch vor der leider oft weiblichen Altersarmut. Ich bin aber zuversichtlich, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bald einsehen werden, dass wir uns in dieser Debatte nicht nochmals zehn Jahre im Kreis drehen können. Da immer mehr Arbeitskräfte fehlen und das demografische Problem grösser und grösser wird, können wir es uns nicht leisten, weibliches Wissen und Können zu lange brachliegen zu lassen.
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8 Kommentare
Niemand kann auf Dauer "zwei Herren" dienen!
Drum prüfe gut, wer sich Kinder zulegen und trotzdem weiterarbeiten will = Ehepaare gemeinsames Entscheiden???
1. Wir bringen eine Generation von fremdbetreuten Kindern hervor.
Was bedeutet das für die Zukunft?
2. Was hindert uns daran, die öffentlichen Gelder anstatt den Kitas, direkt an die sozial Benachteiligten zu geben? Dann könnte ein Elternteil bei den Kindern sein.
3. Wieso müssen eigentlich beide Elternteile arbeiten? Was hat sich da verändert zur Generation davor?
4. Wieso werden Steuerabzüge für Fremdbetreuung nicht nur bis zu einem gewissen Einkommen gewährt?
5. Wieso sind sogar Frauen untereinander irritiert, wenn eine sagt, sie sei glücklich, dass sie ihre eigenen Kinder erziehen darf und sie beim Aufwachsen begleiten darf ohne (viel) arbeiten zu müssen?
6. Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Stagnation der Reallöhne und der Zunahme der Erwerbstätigen, weil beide Partner in einer Familie mit Kindern arbeiten (müssen)?
Die KITA Diskussion wird immer grotesker. Es wird diskutiert, ob der Bund oder die Kantone für die Kinderbetreuung zuständig sind.
Ich bin ganz klar der Meinung, dass für die Betreuung der Kinder voll und ganz die Eltern verantwortlich sind. Und wie bei vielem kann auch die Kinderbetreuung ausgelagert und fremd eingekauft oder vergeben werden.
Dies sollen aber die Eltern selbst bezahlen.
Ganz wichtig ist dabei, dass eine 100 Prozent Arbeitsstelle ohne Ausgaben für Kinderbetreuung zum Leben reicht.
Wie sich die Eltern diese 100 Prozent aufteilen, ist ihre Sache.
Wenn die Eltern nun lieber zusammen mehr als 100 Prozent arbeitstätig sein wollen, können sie mit dem Zusatzverdienst die Betreuung ihre Kinder voll selbst finanzieren.
Sie sprechen mir aus dem Herzen. Nehmen wir lieber diese Gelder und geben sie denen Familien, wo ein Partner schmerzlich fehlt.
In alten Zeiten, als noch die Patrons in den Textilfirmen das Sagen hatten, und fast 80% Frauen angestellt waren, stellten diese Firmen die Kinderkrippen und die Kindergärten gratis zur Verfügung!! Aber heute, da nur noch der Profit im Vordergrund steht, soll doch der Staat die Kosten übernehmen. Nach dem Motto: den Nutzen (Gewinn) den Firmen, die Kosten dem Staat. Und Steuern zahlen natürlich auch nicht.