aufgezeichnet von Carole Gröflin:

Auf das «Death Café» bin ich auf Facebook gestossen. Ein Freund aus den USA hat eine Veranstaltung mit dem seltsamen Namen gepostet. Als ich dann nachzuforschen begann, faszinierte mich die Idee: bei Kaffee und Kuchen über das Tabuthema schlechthin sprechen – den Tod. Das wollte ich auch in Bern.

Als ich dies dem Wirt der «Zarbar» unterbreitete, hörte ein Gast neugierig zu. Kurz darauf waren wir mitten in einer Diskussion über Vor- und Nachteile der Erdbestattung. Da wusste ich, dass ich schon beim ersten Berner «Death Café» nicht allein herumsitzen würde.

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Die «Death Café»-Gemeinde ist weltweit vernetzt. Es gibt Anlässe in Kopenhagen, London, Mallorca, San Francisco oder Honolulu. Beim Treffen steht das freie Sprechen im Vordergrund, und alle Weltanschauungen werden respektiert. Es gibt keinen Sprechzwang; man darf auch einen Abend lang nur zuhören. Dagegen greift das Leitungsteam ein, wenn jemand zu viel redet. 

Wenn die Gäste den Löffel abgeben

Um das Eis unter den Gästen zu brechen, haben wir einen überdimensionierten Löffel, den wir von Sprecher zu Sprecher weitergeben. Die Redewendung «den Löffel abgeben» erhält so eine neue Bedeutung. Diesen Galgenhumor mögen nicht alle. Doch es ist genau mein Ziel, dem Thema Tod die Tragik und Schwere zu nehmen.

Beim letzten «Death Café» hat eine Kollegin ein Bild mitgenommen, auf dem steht: «Wenn ich sterbe, begräbt mich unter dem Pub, damit mich mein Mann sieben Tage in der Woche besuchen kommt.»

Natürlich kann man das makaber finden. Doch zugleich ist es eine unverkrampfte Sichtweise. Genau das ist im «Death Café» möglich. Lustige, abstruse Aspekte haben genauso Platz wie ernste Gefühle.

Zu den Anlässen kamen jeweils 15 bis 20 Leute im Alter zwischen 20 und 50. Es sind mehrheitlich Frauen, aber auch vereinzelt Männer, die sich über das Thema Tod austauschen wollen. Das «Death Café» wird auch in Zürich durchgeführt, dort von einer Autorin. Man muss dafür nicht Pfarrer sein.

Trotzdem ist der Anlass für mich auch beruflich sehr wichtig. Bei einer normalen kirchlichen Veranstaltung trifft man kaum Leute unter 50 an. In meiner Kirchgemeinde sind 200 bis 300 Personen aktiv religiös. Die restlichen etwa 5000 Mitglieder sind distanziert religiös. Sie sind zwar gläubig, wollen aber nur punktuell mit der Gemeinde zu tun haben. Ich respektiere das, finde es allerdings schade, dass ich mit ihnen nur wenig Austausch habe – ich will doch wissen, was sie umtreibt und sie beschäftigt. Das «Death Café» kann diese Lücke etwas füllen.

Das verpönte Thema «Tod»

Ich führe zwar die Anlässe nicht in erster Linie als Pfarrer durch, sondern als Privatperson. Aber es ist schon so, dass mein Job – insbesondere jener als Seelsorger – auch nach Feierabend weitergeht.

In meiner eigentlichen kirchlichen Aufgabe besuche ich oft Betagte im Altersheim. Unter ihnen ist das Thema Tod häufig verpönt, man spricht nicht gern darüber. Der Tod symbolisiert für sie einen Verlust, etwa bei einer Witwe: Wie geht sie damit um, dass der Stuhl noch immer am Esstisch steht, ihr Mann aber nicht mehr darauf sitzt?

Dass wir Jüngeren bei Kaffee und Kuchen über den Tod reden können, ist sicher auch ein Zeichen unseres Wohlstands und Lebensstandards. Das Bewusstsein dafür versuche ich im «Death Café» zu schärfen. Wir haben die Freiheit, über Kremation, Friedhofsregeln oder die Rolle der Kirche zu diskutieren. Das konnten frühere Generationen so nicht.

«Die Leute wissen nicht mehr, wie sie sich bei einem Todesfall verhalten sollen.»

Christian Walti, Pfarrer

Ich selber habe früher auch nicht gern über das Sterben nachgedacht. Selbst in der Ausbildung zum Theologen wurde das Thema nur oberflächlich abgehandelt. Es standen vor allem philosophische Gedanken im Vordergrund. Den Drang, über den Tod zu sprechen, verspüre ich eigentlich erst, seit ich weiss, wie sehr das Thema an den Rand gedrängt wird.

Das fällt mir immer wieder auf: Die Leute wissen nicht mehr, wie sie sich bei einem Todesfall verhalten sollen. Sollen sie eine Karte schreiben? Welche Kleidung passt zur Beerdigung? Früher war der Tod allgegenwärtig, man hatte Konventionen. Heute sind wir überfordert, wir haben es verlernt, zu trauern. Um das wieder hinzukriegen, braucht es Gelegenheiten, uns mit dem Ende des Lebens auseinanderzusetzen – und zwar früh genug.

Wie meine eigene Beerdigung aussehen soll? Da bin ich mir noch nicht schlüssig. Tendenziell eher eine Erdbestattung. Aber dieser Plan kann sich in den vielen «Death Café»-Gesprächen auch wieder ändern.

Weitere Informationen:

 

  • www.frieden.refbern.ch
  • www.deathcafe.com

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Quelle: Thinkstock Kollektion