Legalisierung - Pro und Kontra
SP-Nationalrätin Ursula Wyss möchte mit der Hanf-Initiative endlich den Cannabiskonsum erlauben. Bei SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi stösst sie damit auf erbitterten Widerstand.
Veröffentlicht am 22. Oktober 2007 - 16:50 Uhr
Beobachter: Haben Sie früher am Familientisch mit Ihren vier Kindern auch über eine Hanflegalisierung diskutiert, Herr Bortoluzzi?
Toni Bortoluzzi: Ja, selbstverständlich. Und heute mache ich das mit meinen Enkeln.
Beobachter: Waren Sie sich stets einig mit der jungen Generation?
Bortoluzzi: Bis jetzt war in dieser Frage in der Familie nie jemand anderer Meinung. Selbst wenn die Jungen Haschisch probiert haben sollten - ich nehme an, dass das geschah, weiss es aber nicht -, plädiert niemand für eine Legalisierung von Cannabis. Die Probleme sind zu offensichtlich, und die gesundheitlichen Folgen des Haschischkonsums auch bei Leuten in der Umgebung zu erschreckend.
Beobachter: Sehen Sie diese Probleme denn nicht, Frau Wyss?
Ursula Wyss: Doch, natürlich. Drogenkonsum ist sicher nicht wünschbar. In keiner Form, sei es Alkohol, Cannabis oder harter Stoff. Ich habe aber während meiner Schulzeit erlebt, dass dort am meisten gekifft wurde, wo die härteste Drogenpolitik durchgesetzt wurde. Am Gymnasium in Neuenburg konsumierte mehr als die Hälfte meiner Klasse Haschisch, obwohl die Neuenburger Behörden repressiv und kompromisslos gegen Drogen ins Feld zogen. Das war für mich Anschauungsbeispiel, dass Verbote nichts bringen.
Beobachter: Kann die Lösung denn die Initiative «für eine vernünftige Hanfpolitik» sein, die unter Wahrung des Jugendschutzes den Konsum von Cannabis legalisieren will?
Wyss: Das war ja einst der Vorschlag des Bundesrats bei der Revision des Betäubungsmittelgesetzes. Es ist absurd, Hunderttausende von mündigen Haschischrauchern zu schikanieren und zu kriminalisieren. Ein kontrollierter Kauf soll Erwachsenen möglich sein. Der andere Teil sind die Jugendlichen, bei denen die Drogenpolitik total versagt. Kiffende Jugendliche müssen stets befürchten, angezeigt zu werden, die Lehrstelle zu verlieren oder von der Schule zu fliegen. Wirkungsvoller ist es da, Aufklärung über die negativen Folgen zu betreiben und den Markt zu kontrollieren, statt ihn den Dealern zu überlassen.
Beobachter: Die SVP propagiert in den verschiedensten Bereichen die Eigenverantwortung. Warum traut man den mündigen Bürgern beim Cannabiskonsum nicht zu, für sich zu entscheiden?
Bortoluzzi: Der Konsum ist gerade bei den Jugendlichen kontinuierlich angestiegen. Diese Entwicklung hat nichts mit liberalerem oder repressivem Vorgehen zu tun, sondern ist ein gesellschaftliches Phänomen. Die signalisierte Gleichgültigkeit gegenüber dem Drogenkonsum in früheren Jahren hat sich fatal ausgewirkt und zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz geführt.
Beobachter: Das gilt ja auch für den Alkohol- und Tabakgenuss. Warum haben Sie da nichts dagegen?
Bortoluzzi: Das ist ja das Paradoxe. Bei Alkohol und Tabak, die legal erhältlich sind, werden laufend Einschränkungen vorgenommen; auf der anderen Seite soll eine wesentlich gesundheitsschädigendere Droge freigegeben werden.
Wyss: Es erstaunt mich schon, Herr Bortoluzzi, dass Sie gegenüber den legalen Drogen resigniert haben. Wir haben heute das Problem, dass sich Jugendliche einfach mit Alkohol zudröhnen. Dennoch erhalten sie die Getränke problemlos, weil das Verkaufsverbot nicht konsequent durchgesetzt wird.
Beobachter: Gemäss einer kürzlich publizierten, allerdings umstrittenen Studie laufen regelmässige Cannabiskonsumenten vermehrt Gefahr, schizophren zu werden. Alarmiert Sie das?
Wyss: Da muss man differenzieren. Das ist eine Frage des THC-Gehalts. Liegt dieser hoch, ist die Gefährdung tatsächlich ernst zu nehmen. Doch das ist genau das Problem des Verbots, das zu einem unübersichtlichen Schwarzmarkt führt, auf dem keine Transparenz über den THC-Wert besteht und alles wild gemischt - oft zusammen mit harten Drogen - angeboten wird.
Beobachter: Vor einigen Jahren schien eine Cannabislegalisierung kurz bevorzustehen. Seither ging es aber stetig zurück in Richtung Repression. Ist das in Ihrem Sinn?
Bortoluzzi: Man sollte aus den negativen Erfahrungen mit den legalen Produkten lernen. Es gelingt ja nicht, die Jugendlichen vom Alkohol fernzuhalten.
Wyss: 14-Jährige verstehen aber sehr wohl, warum ihnen Alkohol mehr schadet als Erwachsenen.
Bortoluzzi: 16-, 17- und 18-Jährige sehen das nicht.
Wyss: Dann müssen wir über die Altersgrenze beim Jugendschutz diskutieren.
Bortoluzzi: Auch Erwachsenen schadet Haschischkonsum, deshalb wäre die Legalisierung ein falscher Schluss. Es ist einfach so, dass sich Cannabis gravierender auswirkt als Alkohol oder Tabak, auch wenn man das immer zu beschönigen versucht.
Beobachter: Wie soll man dann dem Schwarzmarkt beikommen?
Bortoluzzi: Bei illegalen Produkten gibt es dieses Problem, das ist unvermeidbar. Die Frage stellt sich, was schlimmer ist: die Gefährdung der Volksgesundheit oder durch illegalen Handel entstehende mafiöse Strukturen. Für mich ist die Antwort eindeutig. Die Drogenmafia muss mit aller Härte bekämpft und bestraft werden.
Wyss: Das Problem kiffender Jugendlicher besteht aber nach wie vor, auch wenn man sie weniger sieht, seit in den Zügen Rauchverbot herrscht. Es ist schon widersprüchlich, dass sich die SVP vehement gegen die Senkung der Promillegrenze auf 0,5 wehrte, aber Kiffer ins Visier nehmen will.
Bortoluzzi: Die Verharmlosung von Haschisch hat zu einer solch hohen Zahl von Konsumenten geführt. Da hat auch das Bundesamt für Gesundheit seinen Teil beigetragen, indem es sich für die Freigabe von Cannabisprodukten aussprach. Das ist ja unglaublich. Inzwischen dringt langsam auch dort durch, wie gesundheitsschädigend Hanfkonsum ist, und der Wind dreht.
Beobachter: Glauben Sie, dass die hängige Hanf-Initiative unter heutigen Vorzeichen eine Chance hat?
Wyss: Wir müssen in der Drogenpolitik hinschauen, die Probleme analysieren und uns auch eingestehen, dass wir leider keine drogenfreie Gesellschaft erreichen. Verbote müssen nachvollziehbar sein, und das ist bei den weichen Drogen - im Gegensatz zu den harten - nicht der Fall. Wenn jemand sich dauernd besäuft, ist das gesundheitsschädigender, als wenn er einmal pro Jahr einen Joint raucht.
Bortoluzzi: Jedes Verbot dient dazu, frühzeitig einzugreifen. Man muss nicht zuwarten, bis der Scherbenhaufen gross genug ist. Der Konsum einer psychisch wirksamen Substanz lockt labile Leute, auch einmal anderes zu probieren.
Wyss: Nicht jeder, der Alkohol trinkt, landet in der harten Drogenszene.
Bortoluzzi: Aber die Schwelle sänke, wenn Cannabis legalisiert würde. Meine Devise heisst: Wehret den Anfängen. Es ist wichtig, dass man beim Hanf nicht eine gesellschaftliche Akzeptanz signalisiert.
Beobachter: Ist für Sie der Status quo denn wünschbar?
Bortoluzzi: Neben der Aufrechterhaltung des Verbots wünsche ich mir, dass sich die Behörden auch negativ gegenüber dem Hanfkonsum äussern und diesen nicht wie in den letzten 15 Jahren verharmlosen.
Wyss: Erwachsene sollen nicht mehr kriminalisiert werden, wenn sie weiche Drogen konsumieren. Es ist unsinnig und eine Ressourcenverschwendung, Alt-68er zu kriminalisieren und sie auf den Schwarzmarkt zu treiben. Wir müssen uns auf den Jugendschutz konzentrieren und den Jungen die Nachteile des Drogenkonsums aufzeigen. Da muss zupackend gehandelt werden, egal ob bei Alkohol oder Cannabis.
Ursula Wyss, 34, ist SP-Nationalrätin und Kopräsidentin der Initiative «Pro Jugendschutz - gegen Drogenkriminalität».
Toni Bortoluzzi, 60, ist SVP-Nationalrat und Vizepräsident des Vereins «Jugend ohne Drogen».