Von seiner lebenslänglichen Gefängnisstrafe hat Werner Ferrari bereits 16 Jahre verbüsst. Das Badener Bezirksgericht hatte ihn wegen fünffachen Kindsmordes verurteilt. Für vier Verbrechen hatte Ferrari zunächst ein Geständnis abgelegt, dieses aber später widerrufen. Den Mord an Ruth Steinmann bestritt er hingegen stets. Am 12. Juni 2003 entschied das Aargauer Obergericht, das Bezirksgericht müsse den Mord an Ruth Steinmann neu beurteilen.

Dieser Entscheid fiel aufgrund des Buchs «Der Unfassbare», in dem Autor Peter Holenstein Schwachstellen in der Untersuchung aufdeckte. Ungereimtheiten, die auch heute nicht geklärt sind.

So wurde auf Ruth Steinmanns Leiche ein Schamhaar gefunden, das die Polizei der Täterschaft zuordnete. Nach dem Prozess ergab eine DNA-Analyse, dass es nicht von Ferrari stammte.

Ausserdem meldete sich 20 Jahre nach dem Verbrechen an Ruth Steinmann eine neue Zeugin. Sie behauptet, das Mädchen auf Geheiss ihres Onkels in den Wald gelockt zu haben, wo er es, zusammen mit einem Kumpan, missbraucht und ermordet habe. Sie wartete mit Details der Tat auf, die für die Wahrheit ihrer Aussage sprechen. Für Ferrari-Verteidiger Patrick Schaerz ist es unverständlich, dass Gerichtspräsident Guido Näf diese Zeugin bis jetzt nicht einvernehmen liess.

Der oder die Täter hatten eine weitere Spur hinterlassen: Einer von ihnen hatte mit aller Kraft in die Brust des Mädchens gebissen. Die Zahnabdrücke wurden damals nicht mit Werner Ferraris Gebiss verglichen. Die technischen Mittel hätten seinerzeit gefehlt, sagt der Aargauer Kripo-Chef Urs Winzenried. Bis der Gerichtspräsident von der Polizei eine Expertise verlangte, verstrich fast ein Jahr. Weitere sechs Monate gingen ins Land, bis der Wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich mit der Untersuchung beginnen konnte. Immerhin rechnet Näf damit, dass das Zahngutachten in den nächsten Monaten eintreffen werde. Dann werde er den Prozess innert zwei bis drei Monaten ansetzen.

Ein Freispruch im Fall Steinmann könnte sich für Ferrari als Bumerang erweisen: Das Gericht muss nämlich das Strafmass neu festlegen – wobei gemäss Näf eine Verwahrung möglich ist. In diesem Fall wäre auch Ferraris Gesuch um vorzeitige Entlassung erledigt.

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