Hans-Jürgen Klaussner: Der Don Quijote der Geldvermehrung
Selbst ein Gerichtsverfahren wegen Betrugs kann Hans-Jürgen Klaussner nicht stoppen: Der 47-jährige Marktprophet will eine Volksinitiative zur «Beseitigung des Geldmangels» starten.
Veröffentlicht am 21. November 2000 - 00:00 Uhr
Den guten Geschmack kann man Hans-Jürgen Klaussner (Bild) nicht absprechen. Bis vor kurzem dirigierte der Gründer der Werte-Erhaltungs-Genossenschaft (WEG) sein Unternehmen von einer stilvollen Villa im Herzen von Biel aus. Heute dient ihm die Residenz Stockerau bei Wien als Zentrale. Eine Informantin des Beobachters ist jedenfalls ganz begeistert von diesem Schlösschen samt römischem Bad. Die Internetseite www.weg.org bestätigt den guten Zustand der neuen WEG-Hülle.
Die Kernidee der WEG ist für Normalsterbliche allerdings schwer fassbar. Es handelt sich dabei um ein neues Wirtschafts- und Geldsystem, das Ähnlichkeiten mit dem WIR-Geld hat.
Doch der 47-Jährige will mehr als eine Parallelwährung: Er will die Weltwirtschaft revolutionieren. Dabei spielen das «Mindest-Gewinn-Gesetz» und die Abschaffung der «Zinsknechtschaft» durch die Banken eine zentrale Rolle. Hans-Jürgen Klaussner ist überzeugt, dass damit auch den Entwicklungsländern geholfen werden könne.
Doch die Revolution wird – zumindest was die WEG-Aktivitäten in der Schweiz betrifft – nicht stattfinden. Das Bundesgericht hat nämlich bestätigt, dass die WEG eine bankenähnliche Tätigkeit verfolgt, was unstatthaft ist. Auch ein Verfahren wegen Betrugs ist eingeleitet. Bis zum Urteil gilt Klaussner jedoch als unschuldig. Zu all diesem Ungemach ist noch der Konkurs hinzugekommen – das definitive Aus für die WEG Schweiz.
In der Residenz Stockerau hat Klaussner nun diversifiziert: Er sorgt auch für das körperliche Wohlbefinden seiner Gäste. An Wochenenden lässt ihnen Dr. phil. Dr. theol. Mitsuo Shirahama bioenergetische Behandlungen angedeihen – die halbe Stunde zu 50 bis 100 Franken. Daneben stehen Sauna, Dampfbad und Whirlpool zur Verfügung.
Natürlich führt Hans-Jürgen Klaussner seine Vortragstätigkeit über das neue Wirtschaftssystem weiter. Wobei er bei österreichischen Fachleuten und Journalisten auf viel mehr Verständnis stosse als bei den Schweizern. «Die lesen mein Buch auch wirklich», sagt Klaussner. Verkauft er also viele Bücher? «Eine typisch schweizerische Frage», sagt Hans-Jürgen Klaussner. «Ich schenke meinen Gästen dieses Buch.»
Dennoch scheint Klaussner die Schweiz irgendwie zu mögen. Jedenfalls hat er vor, sein österreichisches Exil bald wieder zu verlassen. «Ich werde die Residenz Stockerau verkaufen und in die Schweiz zurückkehren.» Und er hat auch ein Geschenk für unser Land: Klaussner will eine Volksinitiative starten – zur Herstellung der «Marktgerechtigkeit».
Eine Initiative benötigt 100'000 Unterschriften. Genau dieselbe Zahl Genossenschafter hätte Klaussner gebraucht, um die WEG Schweiz funktionstüchtig zu machen. Das ist misslungen. Bei seinem Volksbegehren sei dies anders, meint er. Schliesslich handle es sich um eine «Initiative zur Beseitigung des Geldmangels». Wer würde da nicht unterschreiben?