Die Beobachter-Anfrage muss Staatsanwältin Cornelia Hürlimann aufgeschreckt haben. Umgehend erteilte sie der Kantonspolizei einen Ermittlungsauftrag. Das war vor rund anderthalb Jahren. Der Beobachter hatte sich bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl nach dem Stand des Strafverfahrens im Fall Business Academy erkundigt. Gegen die umstrittene Firma, die ein dubioses «Weiterbildungspaket» für 6800 Franken vertreibt, war wegen Verdachts auf Betrug Anzeige erstattet worden. In ihrer Antwort blieb die Zürcher Staatsanwältin Hürlimann, die das Dossier von Vorgängerin Caroline Schnoz geerbt hatte, vage. Sie versicherte aber, der Fall geniesse «hohe Priorität». Eine Beschönigung der desolaten Situation. Seit Beginn der Strafuntersuchung im Juli 2005 war kaum etwas geschehen, wie sich jetzt nach Sichtung der Akten zeigt. Die Staatsanwältin hatte ein wenig im Internet zu Business Academy recherchiert. Aber weder sie noch Vorgängerin Schnoz hatten Verdächtige einvernommen oder Zeugen befragt.
2009 drohte Werner Kallenberger als Vertreter zweier Geschädigter Hürlimann mit einer Aufsichtsbeschwerde. Zwei Jahre lang hörte er nichts von der Staatsanwaltschaft. Hürlimann schrieb Kallenberger am 7. April 2009, dass die Kantonspolizei mit den Ermittlungen beauftragt worden sei. «Ich kann Ihnen versichern, dass im vorliegenden Fall bereits mehrere Befragungen von Geschädigten und Angeschuldigten stattgefunden haben.» Tatsächlich? Fakt ist: Die Einvernahmen wurden erst im Juli 2009 durchgeführt. Im September gingen die Protokolle der von der Polizei befragten Geschädigten bei der Staatsanwaltschaft ein. Hürlimann, die mittlerweile Hotz hiess, legte sie zum Aktenberg und verabschiedete sich in den Mutterschaftsurlaub. Später kündigte sie ihre Stelle.
Das Strafverfahren stockte von Anfang an. Sieben Tage nach Eingang der Strafanzeige telefonierte die zuständige Staatsanwältin Caroline Schnoz mit einer Vertreterin der Business Academy. Schnoz teilte ihr mit, dass sie den Fall «wegen Arbeitsüberlastung bis zirka Oktober werde liegenlassen». Die Tatverdächtigen erhielten so die Gelegenheit, in aller Ruhe eventuell belastende Akten beiseitezuschaffen.
Weitere Strafanzeigen gingen ein. Einmal meldete sich sogar ein Kantonspolizist. Ein Business-Academy-Vertreter hatte versucht, ihn auf der Strasse anzuwerben. Der tüchtige Polizist fackelte nicht lange und nahm den Mann mit auf den Posten. Im Rapport hielt er fest: «Die firmeninterne Hierarchie beruht auf einem illegalen Schneeballprinzip.» Doch Staatsanwältin Schnoz unternahm nichts. Ende März 2008 verliess sie die Staatsanwaltschaft und wurde Untersuchungsrichterin im Thurgau.
Schliesslich landete der Fall auf dem Tisch von Xenia Roduner, seit Mai 2010 im Amt. Die unerfahrene Staatsanwältin stand vor der Wahl, die Strafuntersuchung weiterzuführen oder eben nicht. Sie entschied sich für die bequemere Lösung und stellte das Verfahren im Juni ein – mit einer absurden Begründung: Ob sich Business Academy und ihre Verantwortlichen strafbar gemacht haben, hängt in erster Linie davon ab, ob das teure «Weiterbildungspaket» einen Wert aufweist. Staatsanwältin Roduner kam zum Schluss, der Preis sei «noch in einer Grössenordnung, welche auf dem Markt gängig ist», und viele Seminarteilnehmer seien «mit dem Angebot der Business Academy offenbar zufrieden».
Dabei stützte sich die Staatsanwältin anscheinend auf ein Gutachten des Rechtsvertreters der Business Academy und auf schriftliche Rückmeldungen von Seminarteilnehmern. Beides wurde ihr von Business Academy zur Verfügung gestellt. Roduner konnte die Echtheit der Rückmeldungen nicht überprüfen; die Namen der angeblichen Teilnehmer waren eingeschwärzt.
Die Staatsanwältin unterliess es, die Werthaltigkeit des «Weiterbildungspakets» von einem neutralen Gutachter abklären zu lassen. Verschiedene Geschädigte fordern das nun. Mehrere von ihnen haben – unter anderem mit Unterstützung des Beobachters – die Einstellung des Strafverfahrens beim Zürcher Obergericht angefochten. Das letzte Wort im Fall Business Academy ist noch nicht gesprochen.
Hans Bebié, stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, räumt ein, dass ein häufiger Sachbearbeiterwechsel zu «erheblichen Verzögerungen führe», worüber man «nicht glücklich» sei. Die Wechsel seien wegen Kündigungen und Mutterschaftsurlaub nicht vorhersehbar gewesen. Bebié: «Ab 2009 genoss das Verfahren aber hohe Priorität, was zu seiner schnellen Erledigung im Juni 2010 führte.»
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