Der Brief an mehrere Zahnärzte sorgt für Aufregung: «Werter Herr X. Inzwischen gelangen täglich zwischen 60 und 90 Patienten mit unterschiedlichen Bedürfnissen an unsere Beratungsstelle. Wäre es für Sie ein Thema, wenn wir Sie auf Grund Ihrer vorzüglichen und exakten Arbeitsweise an Patienten weiterempfehlen würden?»

Unterschrieben ist die Anfrage von Michael Genge, der sich als «Zahnarzt-Ratgeber» in einer Anwaltskanzlei in Zürich eingemietet hat. Die Offerte macht stutzig. Denn Genge macht sich öffentlich für die «zahnarztunabhängige Beratung im Dienste des Patienten» stark.

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Es bleibt nicht beim Brief. Reinhard Kriebel, Zahnarzt in Rheineck SG, weiss Folgendes zu erzählen: «Genge lässt sich seine Patientenvermittlung vergolden.»

Er sei vor die Alternative gestellt worden, «Darlehen» zu gewähren oder nicht mehr empfohlen zu werden, sagt Kriebel.Auch weitere Zahnärzte bestätigen, dass der Berater die hohle Hand mache.

So habe Genge gegenüber einem Arzt gesagt: «Ich habe Ihnen 200'000 Franken Umsatz gebracht. Umsonst ist nur der Tod.» Und der Treuhänder eines weiteren Zahnarzts schreibt, dass Genge neben fünf Prozent des Umsatzes auch noch eine «Grundpauschale» von 10'000 Franken verlangt habe.

Anzeige wegen Erpressung
Solche Praktiken bewogen denn auch Robert Didouche vom Dentallabor Matt im Fürstentum Liechtenstein, Strafanzeige wegen Nötigung und Erpressung gegen den Zahnarztberater einzureichen: «Genge hat von mir 5000 Mark verlangt. Sonst gebe es keine Aufträge mehr von den Zahnärzten, die er empfehle.»

Genge bestreitet allerdings vehement, bei Zahnärzten und Dentallabors abzukassieren: «Das ist eine Verleumdung. So etwas würde ich nie tun.» Und er dreht den Spiess um: «Es wurden mir von Zahnärzten schon bis zu 50'000 Franken angeboten, wenn ich sie weiterempfehle.»

Mit Namen will Genge nicht herausrücken. Lieber holt er gleich zum Rundumschlag aus: «Ein beträchtlicher Teil der Schweizer Zahnärzte sind Pfuscher, die erst noch unverschämt hohe Rechnungen stellen. Die hassen mich und wollen mich mit allen Mitteln mundtot machen.»

Konkurse am Laufmeter
Wer aber ist dieser Michael Genge, der angetreten ist, für mehr Transparenz unter den Weisskitteln zu sorgen? Der heute 51-Jährige kam 1970 aus Deutschland in die Schweiz. Er ist Zahntechniker und gibt an, ein paar Semester Zahnmedizin studiert zu haben.

Zu seinen besten Zeiten besass Genge drei Dentallabors. Für deren Niedergang macht er eine stark rückläufige Auftragslage und eine Kampfscheidung verantwortlich. Die CGE Dental Laboratorium AG in Baden AG wurde Ende 1995 vom Konkursrichter geschlossen. Auch die C+H Dentaltechnik AG mit Sitz in Dietikon ZH ist in Liquidation. Eine Tochterfirma in Deutschland musste Genge ebenfalls aufgeben.

Allein die Betreibungen der Jahre 1994 und 1995 belaufen sich auf 3,2 Millionen Franken. Und bei der Aargauer Staatsanwaltschaft sind zwei Verfahren gegen Genge hängig – wegen Vermögensdelikten.

Vor zwei Jahren mutierte der Zahntechniker zum Berater. Mit seiner Dentconsult in Dietikon ZH überprüfte Genge gegen eine Gebühr von 140 Franken Zahnarztofferten, Rechnungen und Zahnersatzmaterialien. Eine Marktlücke, denn eine neutrale Qualitätskontrolle für Zahnärzte existiert nicht.

Unbestritten ist, dass es Michael Genge mehrmals gelang, überhöhte Rechnungen zu korrigieren und den Finger auf lausige Zahnarbeiten zu legen. In Streitfällen vermittelte er die Opfer an spezialisierte Anwälte. Genge, ein blendender Verkäufer in eigener Sache, wurde so zum Robin Hood der Zahnarztopfer. Sein Einsatz fand auch Widerhall in den Medien. Beim Nachrichtenmagazin «Facts» schaffte er es 1998 sogar zum Leiter einer Jury für ein gesamtschweizerisches Zahnärzterating. Die veröffentlichte Liste der Dentalstars sorgte allerdings für viel böses Blut: Es gab falsche Fachgebietzuteilungen, die Kriterien waren unklar – und aufgeführt wurden auch pensionierte Zahnärzte.

Geschäftsfreunde distanzieren sich
Auch als Geschäftsmann trat Michael Genge von einem Fettnäpfchen ins andere. Sein Zahnarztunabhängiges Beratungszentrum (ZUB) manövrierte der Liebhaber teurer Autos an die Wand: Ende 1998 wurde er als Geschäftsführer abgesetzt, nachdem eine Revision finanzielle Unregelmässigkeiten in sechsstelliger Höhe ans Licht brachte. Er sass deswegen in Untersuchungshaft.

Einen Tatbestand gibt Genge zu: «Ich habe den Mietvertrag für ein Privathaus im Namen des ZUB-Verwaltungsrats unterschrieben.» Er habe aber nicht «wissentlich betrogen», sagt er. Auch beim ZUB sind die andern die Bösen. Genge spricht von «aufgebauschten Vorwürfen» und einem «Komplott, um mich auzubooten».

Heute will keiner der ZUB-Beteiligten mehr im Zusammenhang mit Genge genannt werden. So auch der Verwaltungsratspräsident des konkursiten ZUB. «Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich das Verwaltungsratsmandat übernommen habe», sagt der junge Rechtsanwalt heute. Mit einem ausstehenden Honorar von rund 20'000 Franken gehört auch er zu Michael Genges Gläubigern.

Auch der Anwalt hat von den Zahlungen durch Zahnärzte gehört. Und in der ZUB-Buchhaltung ist ein halbes Dutzend Ärzte aufgeführt, die Umsatzbeteiligungen in sechsstelliger Höhe schulden sollen. Offen ist, ob und wie viel dabei frisiert wurde.

Ein Umsatzobolus sei tatsächlich besprochen worden, sagt der Rechtsanwalt. Und er erwähnt einen Brief Michael Genges, den er nach dessen Rauswurf erhielt: «Es ist auch in Ihrem Interesse, dass neugierige Journalisten nicht zu viel erfahren.»

Stehaufmännchen Genge macht trotz aller Pleiten unverdrossen weiter, neuerdings als «Zahnarzt-Ratgeber» ohne eigene Firma. Michael Genge rührt momentan die Werbetrommel für seine Zahnarzt-Helpline mit einer 0900-er Nummer. Das Telefon ist allerdings nur besetzt, wenn der Ombudsmann der Zahnarztpatienten gerade Zeit dafür hat. Wie sagt doch Alexander Weber, Sekretär der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft: «Genge ist eine schillernde Persönlichkeit.»