Unfreundliche Grüsse
Der Kanton Aargau verschickt einen Mahnbrief an einen angeblich fehlbaren ausländischen Mitbürger. Und geht damit zu weit.
Veröffentlicht am 4. August 2008 - 16:14 Uhr
Steckbrief von Fernando Patallo: geboren 1966 in Luzern; mit Ausnahme von 1969 bis 1971 in der Schweiz zu Hause; Niederlassung C; geschieden, ein Kind; seit 21 Jahren Teilhaber einer alteingesessenen Basler Computer- und Bürobedarfsfirma, eines Lehrlingsbetriebs mit fünf Angestellten; einwandfreier Bereibungsregisterauszug; weder jemals arbeitslos noch IV- oder Sozialhilfeempfänger.
Betreffzeile eines Briefes des Aargauer Migrationsamts an Fernando Patallo: «Verhalten im Gastland: Ermahnung». Im Text dann: «Ihr Verhalten in der Schweiz hat zu Klagen Anlass gegeben», und: «Aufgrund der eingangs erwähnten Verurteilung werden Sie hiermit ermahnt und darauf aufmerksam gemacht, dass Sie sich künftig wohlzuverhalten haben.» Ansonsten drohten ihm «weiter gehende ausländerrechtliche Massnahmen» sowie der Entzug der Niederlassungsbewilligung.
Hat Patallo gestohlen, gedealt, gemordet? «Ich habe letztes Jahr aus Unachtsamkeit ein Rotlicht überfahren und so einen Blechschaden verursacht. Ich wurde wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe über 2000 Franken und einer Busse von 800 Franken verurteilt.» Ein Raser sei er, der bis dato einen makellosen automobilistischen Leumund gehabt habe, aber sicher nicht: «Dieser Brief steckt mich mit Strassenrowdys und sonstigen Kriminellen in einen Topf, das verletzt mich zutiefst und ist eine Frechheit.»
«Verhältnismässigkeit nicht gegeben»
Thomas Hächler, zuständiger Sektionsleiter des Migrationsamts, sieht das anders. «Bei diesem Brief handelt es sich um ein reines Hinweisschreiben im Sinne einer Dienstleistung ohne rechtliche Folgen.» Solche Briefe versende man mehrmals pro Woche an Personen mit einer Verurteilung, die ein gewisses Strafmass überschreitet. Dass im Fall Patallo übers Ziel hinausgeschossen wurde, hat man mittlerweile aber auch gemerkt: «Nach nochmaliger Überprüfung sind auch wir zum Schluss gekommen, dass in diesem speziellen Fall die Verhältnismässigkeit nicht gegeben ist.» Auch von der harschen Tonalität des Briefs distanziert sich Hächler heute: «Mittlerweile haben wir den Text des Schreibens modifiziert.» Zu einer Entschuldigung bei Patallo konnte sich das Amt nicht durchringen.