Riesenpleite, aber keine Eile
Anleger verloren mit Isenbach-Investitionen ein Vermögen. Sieben Jahre danach sind die Verantwortlichen immer noch auf freiem Fuss. Und nun wurde der Prozess erneut vertagt.
aktualisiert am 2. August 2017 - 14:10 Uhr
Peter Burkhard* hat darüber gebrütet, in vielen schlaflosen Nächten. Und immer, wenn das Geld zum Leben mal wieder knapp wurde. Warum nur hat er damals die überrissenen Renditeversprechen der Isenbach-Wohnbaugenossenschaft geglaubt? 200'000 Franken, einen guten Teil seines Pensionskassenkapitals, hat der Rentner kurz nach der Pensionierung in Isenbach-Anteile gesteckt. Genossenschaft, das klang sympathisch. Und der hagere Mann im etwas abgewetzten braunen Anzug, der mit wachen Augen die Vorteile der Investition darlegte, wirkte vertrauenswürdig. Wie hätte Burkhard wissen können, dass mit K.** einer der grössten Baupleitiers der Schweizer Nachkriegsgeschichte vor ihm stand?
Und noch eine Frage treibt den 76-Jährigen in seiner bescheidenen Winterthurer Blockwohnung um: Wie kommt es, dass K. immer noch frei herumläuft? Sieben Jahre sind seit dem Konkurs der Isenbach vergangen. Noch immer hat keine Gerichtsverhandlung stattgefunden. «Ich bin je länger, je mehr zutiefst enttäuscht von unserer Justiz und dem Rechtsstaat, so es den überhaupt gibt.»
Nachdem einige Isenbach-Geschädigte 2010 Anzeige erstattet hatten, nahm die St. Galler Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Sie führte bei 13 Firmen und Privatpersonen insgesamt 23 Hausdurchsuchungen durch. Gegen vier Beschuldigte erhob Staatsanwalt Roland Lee 2014 Anklage. 2016 folgte eine weitere, erweiterte Anklage gegen acht Beteiligte. Die ursprünglich für April 2016 angesagte Verhandlung am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland wurde vertagt auf August 2017.
Wie bemisst man das Ausmass kriminellen Handelns? Beispielsweise in Paletten. Auf zweien davon, verpackt in über 50 Zügelkartons, lieferte die Staatsanwaltschaft die zum Verfahren gehörenden Akten. Die Anklageschrift dokumentiert auf über 200 Seiten minutiös, wie dreist die Beschuldigten vorgegangen sind. Im Fall Bad Rans etwa sollen sie 6,2 Millionen Franken an Investorengeldern als «Promotionshonorare» eingestrichen haben. Ohne jegliche Gegenleistung und ohne dass auf dem Baugrund auch nur eine Schaufel Erde bewegt worden wäre.
Nun haben die Beschuldigten und ihre 15 Anwälte noch mehr Zeit, sich eine Begründung für solche Zahlungen auszudenken. Denn der Verhandlungstermin im August ist erneut geplatzt. Der bisherige Verfahrensleiter und die Gerichtsschreiberin mussten wegen Befangenheit in den Ausstand treten. «Den Grund kennen wir nicht, da bis heute kein begründetes Urteil der Anklagekammer vorliegt», sagt Hans Willi, der neue Verfahrensleiter. Ein neuer Termin ist nicht bekannt.
2010 haben rund 540 Kleinanleger mit dem Konkurs der Isenbach-Wohnbaugenossenschaft mit Sitz in Effretikon ZH ihre Investitionen verloren. Das mutmasslich kriminelle Handeln der Isenbach-Verantwortlichen vernichtete das gesamte Eigenkapital von 22,5 Millionen Franken.
Dabei war das Isenbach-Debakel nur die Spitze des Eisbergs. Wie der Beobachter publik gemacht hat, war die Effretiker Genossenschaft Teil eines weit verzweigten Geflechts von konkursiten Wohnbaugenossenschaften, Beratungs- und Bauzulieferfirmen. Darunter die Bad Rans und die Adao Hotels, beide mit Sitz in Sevelen SG, sowie die Wohnbaugenossenschaft Erlen in Wollerau SZ.
Die Firmen dienten vor allem als vorgeschobene Träger von hochfliegenden Bauprojekten. In Sevelen etwa sollte ein Parkhotel entstehen. 184 Zimmer, Seminarräume, Medical-Spa-Bereich, Ballsaal. Investitionsvolumen: bis zu 140 Millionen Franken. Mit solchen Projekten ging eine Gruppe Geschäftsleute unter Führung von K. und Isenbach-Präsident Rolf Müller auf Investorensuche. Im Auge hatte die Truppe vor allem den eigenen finanziellen Vorteil.
* Name geändert
** Name der Redaktion bekannt