Software für Schulen unter Beschuss
Baden-Württemberg verbannt den Cloud-Dienst von Microsoft aus den Schulen. Und die Schweiz?
Veröffentlicht am 12. Mai 2022 - 14:39 Uhr
Viel Zeit gibt Stefan Brink den Schulen in Baden-Württemberg nicht mehr. Wenn es nach dem Datenschützer des deutschen Bundeslandes geht, sollen alle 40 Schulen, die Microsoft 365 oder das Videokonferenzprogramm Teams im Unterricht benutzen, die Software entweder ersetzen oder nachweisen, dass ihre Version datenschutzkonform ist.
Vorgängig hatte das Bundesland die Software darauf untersucht, ob die Schulversionen die Anforderungen an den Datenschutz erfüllen. Das Resultat war ernüchternd: «Es gelang trotz intensiver Prüfung und Zusammenarbeit mit den Beteiligten nicht, eine datenschutzkonforme Lösung zu finden.» So sei etwa nicht nachvollziehbar, welche personenbezogenen Daten zu welchen Zwecken verarbeitet würden. Auch würden Daten ohne Rechtsgrundlage in Regionen ausserhalb der EU übertragen.
Der Befund müsste auch die Schulbehörden in der Schweiz aufrütteln, wo rund 60 Prozent der Primarschulen und bis 80 Prozent der Sekundarschulen Microsoft 365 nutzen. Laut Educa, der Fachagentur für den digitalen Bildungsraum Schweiz, setzen über 1000 Schulen auf die umstrittene Software.
Educa hat mit Microsoft vor Jahren einen entsprechenden Rahmenvertrag abgeschlossen. Der war zuvor vom Kanton Zürich für die Konferenz der schweizerischen Datenschützer, Privatim, geprüft worden. Allerdings: Damals habe man bei der Prüfung nur darauf geachtet, ob Schweizer Recht anwendbar sei und der Gerichtsstand in der Schweiz liege, sagt Privatim-Sprecher Beat Rudin.
Educa habe «das Problem auf dem Radar», so der stellvertretende Direktor Ueli Anken. Doch die Verantwortung liege bei den Kantonen und Gemeinden. «Wir wollen Microsoft 365 in Sachen Datenschutz durchaus auch für Schulen genauer unter die Lupe nehmen», so Datenschützer Rudin. Man sei derzeit aber vollauf mit einem entsprechenden Rahmenvertrag für die öffentliche Verwaltung beschäftigt.
Das heisst: Zigtausende Schweizer Schülerinnen und Schüler und rund 1000 Schulverwaltungen müssen bis auf weiteres mit einer datenschutzrechtlich fragwürdigen Software arbeiten.
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