Verwaltungsräte sollen in Haft
Der Konkurs der Zürcher Baugenossenschaft Isenbach vernichtete 20 Millionen Franken. Jetzt fordert die Staatsanwaltschaft Freiheitsstrafen für vier Verwaltungsräte.
Veröffentlicht am 12. Oktober 2015 - 18:29 Uhr
Helle Strände, im Wind sich wiegende Palmen, und im Frühling paaren sich in der Bucht die Buckelwale: Auf der idyllischen Halbinsel Samaná in der Dominikanischen Republik hat sich Bauunternehmer Walter Meier* ein Haus gebaut für seinen Lebensabend.
Finanziert hat Meier seinen Alterssitz mutmasslich unter anderem mit dem Pensionskassengeld von Peter Burkhard*. Als der heute 74-Jährige Burkhard vor fünf Jahren Anteile der Wohnbaugenossenschaft Isenbach erwarb, glaubte er, eine gute Investition zu machen. Nun sagt er: «Ich habe nachgerechnet. Das Geld wird noch zehn Jahre lang reichen. Wenn ich und meine Frau dann noch leben, müssen wir aufs Sozialamt.»
Andere Genossenschafter der Isenbach mit Sitz in Illnau-Effretikon ZH hat es noch schlimmer erwischt. Eine Geschädigte fiel wegen des Konkurses der Genossenschaft Isenbach in eine Depression. Ihr Pensionskassengeld ist fort, sie lebt von der Sozialhilfe. Insgesamt verloren über 500 Isenbach-Genossenschafter ihr Geld, 20 Millionen Franken wurden vernichtet. Präsident der Genossenschaft und fürs Geschäft verantwortlich war Walter Meier.
Meier ist eine der Hauptfiguren in einem Netzwerk mehrerer Beteiligter, die in mutmasslich krimineller Absicht genossenschaftliche Wohnbauprojekte aufgleisten, um sich daran zu bereichern.
Der Beobachter machte den Fall im Juli 2011 publik. Vier Jahre lang dauerte die Untersuchung, dann erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Sie fordert für die vier Angeklagten Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu dreieinhalb Jahren. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Die Verhandlung findet im April 2016 am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland statt.
Die Anklage zeichnet penibel nach, wie planvoll die Mitglieder des Verwaltungsrats – Walter Meier, Martin Capaul und Kathrin Roth sowie der diskret wirkende Karl Sutter* – vorgegangen waren.
Gemäss dem St. Galler Staatsanwalt schöpften sie «jeden nur denkbaren finanziellen Mehrwert der Wohnbaugenossenschaft zugunsten ihrer eigenen Aktiengesellschaften ab». Alle Beschuldigten verfügten neben ihrer Funktion bei der Wohnbaugenossenschaft über eigene Firmen, von denen sie in «selbstkontrahierender» Weise und «mit faktischer Abnahmegarantie» Leistungen einkauften. So konnten sie sich gegenseitig Aufträge zuschanzen, die vor allen anderen Rechnungen bezahlt worden seien. Die Genossenschafter hätten davon nichts erfahren.
Die Beschuldigten scheinen sich sehr sicher gefühlt zu haben. In einer «vertraulichen, nur internen» Liste notierten sich Karl Sutter und Walter Meier «Abschöpfungspositionen», also wie viel Gewinn sie sich aus den Bauprojekten genehmigen wollten. Das Ende des Projekts warteten sie nicht ab, sondern zahlten sich das Geld stets pauschal und akonto auf der Basis des Voranschlags aus, wobei die Zahlungen auch dann noch erfolgten, als die Genossenschaft finanziell längst am Ausbluten war. Meier und Capaul sollen auf diese Weise rund 7,1 Millionen Franken abgeschöpft haben.
Zuständig für die Beschaffung des Genossenschaftskapitals war Martin Capaul mit seiner Consultingfirma. Capaul zahlte den Vermittlern des Geldes vier bis sieben Prozent Provision. Er sammelte ihre Rechnungen, reichte sie mit den Zeichnungsscheinen der neuen Genossenschafter ein und schlug für sich drei Prozent drauf.
Beworben wurden die Anteilscheine mit dem Attribut «geringes Risiko». Dabei zielte die Isenbach bewusst auf ein Publikum, das eine sichere und nachhaltige Wertanlage wünschte und einer Investition in Schweizer Grundeigentum einen hohen, auch ideellen Wert beimass.
Zu ihnen gehörte der Rentner Günter Bachmann*: «Mir wurde gesagt, es sei eine gute Geldanlage. Die Dokumentation für das Bauprojekt in Sevelen SG war gut gemacht und wirkte solide. Versprochen wurden fünf Prozent Rendite.» Bachmann zeichnete Anteile für 150'000 Franken. Doch schon die erste Zinszahlung blieb aus.
An der Generalversammlung vom 5. Mai 2011 folgte für Bachmann die Schocknachricht: Die Genossenschaft stand vor dem Konkurs. «Wir haben einen Viertel unseres Pensionskassengeldes verloren. Im Nachhinein muss ich mir sagen: Das hohe Renditeversprechen hätte mich hellhörig machen müssen.»
Die beschuldigten Verwaltungsräte griffen systematisch, aber nicht immer mit der grossen Kelle in den Isenbach-Topf. So liess sich die selbstständige Immobilienhändlerin und Verwaltungsrätin Kathrin Roth gemäss Staatsanwaltschaft über einen Zeitraum von drei Jahren eine «voraussetzungslose, rentenähnliche monatliche Vergütung» von 1000 und später 1614 Franken auszahlen, ohne eine Leistung dafür zu erbringen. Zusammen mit weiteren Rechnungen für fiktive Dienstleistungen entstand ein Gesamtschaden von 298'600 Franken.
Isenbach-Verwaltungsrat Capaul, ein ehemaliger Berater von Carsten Maschmeyers Finanzvertrieb AWD, betrieb mit seiner Consultingfirma ein Nebengeschäft. Er verwendete 129'000 Franken an Kundengeldern, die ihm zur sicheren und ertragsbringenden Vermögensanlage anvertraut worden waren, mutmasslich zur Deckung privater Rechnungen wie Arztkosten, Versicherungsprämien, Alimente und sogar Sportartikel.
Im Hintergrund blieb der Vierte im Bunde: Immobilienunternehmer Karl Sutter. Er sorgt seit über 20 Jahren mit Immobilienpleiten für Schlagzeilen. 2010 verurteilte ihn das Zürcher Obergericht wegen Veruntreuung.
Mit der Isenbach geschäftete Sutter über seine Firma Tomabo. In den Räumen der Isenbach in Kloten ging er laut Anklage ein und aus. Von der Isenbach flossen rund 2,3 Millionen Franken für die Lieferung von Betonelementen, für Baumeisterarbeiten oder Baugrundverbesserungen an die Tomabo. Doch die Lieferungen und Leistungen waren allesamt fingiert. Genauso wie die Bauleistungen der Arnold Meier AG, einer anderen von Sutter kontrollierten Firma: Die Rechnungen für «Unkosten Käuferbetreuungen», «Verkaufsunkosten», «Drittmäkler-Honorare»: gemäss Anklage alles fiktiv.
Karl Sutter ist längst zu neuen Ufern aufgebrochen. Er wollte mit seiner Genossenschaft Swiss Mariposa Sailing in Wollerau SZ Segelschiffe bauen, wie der Beobachter 2011 berichtete. Nun ermittelt die St. Galler Staatsanwaltschaft gegen Sutter wegen mehrfacher Veruntreuung.
*alle Namen geändert