Ab wann man wegen Fieber zum Arzt sollte
Die Temperatur mit Medikamenten zu senken, ist fast immer unnötig. Bei welchen Anzeichen man die Ursache des Fiebers ärztlich abklären lassen sollte.
Veröffentlicht am 16. Oktober 2020 - 15:20 Uhr
An sich ist Fieber eine bewährte Sache. Seit je bekämpft unser Körper damit Viren oder Bakterien. Dennoch greifen viele bei jedem Anflug davon zu fiebersenkenden Mitteln.
«Wer gesund ist und nicht unter weiteren Symptomen wie Kopfschmerzen oder einem entzündeten Hals leidet, sollte das Fieber nicht senken. Dafür gibt es keinen guten Grund», sagt der Infektiologe Pietro Vernazza vom Kantonsspital St. Gallen. Die Studienlage zum Pro und Kontra des Fiebersenkens sei zwar sehr dünn. Es gebe aber durchaus Daten, die zeigen, dass es auch schädlich sein könne. Die körpereigene Abwehr läuft bei Fieber deutlich effizienter, und auch Antibiotika wirken besser. Studien zeigen etwa, dass man sich bei Erkältung und Grippe langsamer erholt, wenn das Fieber gesenkt wird.
Auf ein weiteres Problem machten kanadische Forscher schon 2014 aufmerksam: Wer mit fiebersenkenden Mitteln zugleich auch Begleitsymptome wie Kopfschmerzen, Glieder- und Muskelschmerzen lindert, übergeht die Phase, in der der Körper Ruhe bräuchte. Zudem kommt man auch früher wieder mit anderen zusammen, ist aber noch ansteckend – und verbreitet die Infektion.
Allerdings «schadet es im Allgemeinen nicht, bei harmlosen oder gut mit Antibiotika behandelten Infekten ein fiebersenkendes Mittel einzunehmen», sagt Hansjakob Furrer, Chefinfektiologe am Berner Inselspital. «Schliesslich kommt die Abwehrantwort des Immunsystems durch das Mittel nicht zum Stillstand, sondern fährt nur in einem langsameren Tempo.»
Bei unklarer Sachlage sollte man die Ursache des Fiebers ärztlich abklären lassen. Oliver Senn vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich nennt dazu folgende Anzeichen:
- wenn das Fieber mehrere Tage anhält oder wiederkehrt;
- bei Verdacht auf Covid-19;
- bei Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr unterdrücken, etwa Kortison;
- bei Behandlung mit Antibiotika oder Krebsmedikamenten;
- bei Verwirrung, starken Kopf- und Nackenschmerzen, starkem Erbrechen, Durchfall, Atemnot;
- nach der Rückkehr aus tropischen oder subtropischen Ländern.
Ohnehin aufmerksamer müssen Ältere und Menschen mit chronischen Beschwerden sein. Für die Erwärmung um zwei Grad benötigt der Körper 20 Prozent mehr Energie und dadurch mehr Sauerstoff. «Bei manchem Patienten mit Herzschwäche oder eingeschränkter Lungenfunktion laufen die Organe häufig schon so am Limit. Dann kommt das System durch diese Zusatzbelastung leicht aus dem Gleichgewicht», sagt Infektiologe Furrer. Auch bei Demenz kann Fieber zusätzlich verwirren.
Betroffene mit diesen Vorerkrankungen sollten daher schon ab 38,5 Grad Temperatur den Arzt konsultieren und fiebersenkende Mittel nehmen. Fachleute empfehlen den Wirkstoff Paracetamol. Alternativ kann man auf Ibuprofen oder Aspirin ausweichen, hier sind aber Nebenwirkungen auf Magen und Darm häufiger. Auch bei Bluthochdruck und eingeschränkter Nierenfunktion sind sie nicht erste Wahl.
Grundsätzlich gilt: Die Temperatur in entspanntem Zustand nehmen, also nicht direkt nach körperlicher Aktivität, nach dem Essen, nach längerem Aufwärmen unter einer dicken Decke oder nach dem Baden. Falls die Temperatur im Vergleich zur vorherigen Messung zu hoch oder zu niedrig erscheint, sollte man sie wiederholen.
Digitaler Stabthermometer
Stirnthermometer
Ohrthermometer
Kinder fiebern schneller, häufiger und höher als Erwachsene. Denn ihr Immunsystem ist noch nicht auf Erreger programmiert.
Von Fieber spricht man bei Säuglingen (jünger als drei Monate) bei 38 Grad, im Popo gemessen, zwischen drei und zwölf Monaten ab 38,5 Grad.
«Sofern das Baby allgemein gesund ist und nicht unter den Symptomen des Fiebers leidet, gibt es keinen medizinischen Grund, das Fieber zu senken», sagt Kinderarzt Benedikt Huber vom Kantonsspital Freiburg. Der Infekt stärke das Immunsystem. «Ich empfehle Messen im After und ab zwölf Monaten mit Ohrthermometer.»
Wann es angezeigt ist, das Fieber zu senken, hängt von der Situation ab und sollte mit der Kinderärztin abgesprochen werden.
Bis zum Alter von sechs Monaten sollte man bei Fieber schon am ersten Tag zur Ärztin gehen, später eventuell auch erst am zweiten Tag, bei älteren Kindern reicht es auch nach drei bis fünf Tagen, falls die Temperatur nicht sinkt.
«Sofort in Behandlung sollte man, wenn die Eltern wegen des Zustands beunruhigt sind, weil das Kind abwesend scheint, Atemstörungen hat, erbricht und nicht trinkt – sowie bei Kopfschmerzen und Nackensteife», so Experte Benedikt Huber.
Wenn die Körpertemperatur über 38 Grad steigt, spricht man von Fieber. Es ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom, das bei vielen Krankheitsbildern ausgelöst werden kann. Die erhöhte Temperatur hilft dem Körper, Krankheitserreger zu bekämpfen.
Wie stark der Körper die Temperatur erhöht, hängt auch vom Erreger ab. Bei einer Erkältung geht das Fieber nur langsam hoch, mit zunehmendem Alter laufen harmlose Infekte oft ohne nennenswerte Temperaturerhöhung ab. Denn der Körper hat bereits gegen viele Erreger Antikörper gebildet.
Das Grippevirus verändert sich stetig und kann dem Körper unbekannt sein. So steigt das Fieber schnell und hoch. Auch bei schweren Infektionen wie Meningitis, Blutvergiftung oder bei Hirnverletzungen kann die Temperatur über 41,5 Grad steigen.
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bis 37,4°C: normale Temperatur
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bis 38°C: leicht erhöhte Temperatur
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bis 38,5°C: leichtes Fieber
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bis 39°C: mässiges Fieber
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bis 39,9°C: hohes Fieber