Kaufen ohne böse Überraschungen
Was gibt es Schöneres, als mit dem Wohnmobil oder Wohnwagen von Ort zu Ort zu ziehen? Doch damit der Spass beim Camping nicht vergeht, sollte man bereits beim Kauf an ein paar Dinge denken.
aktualisiert am 30. August 2016 - 16:26 Uhr
Immer mehr Schweizer legen sich ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen zu. Waren es 2009 noch rund 2900 Neuzulassungen, hat sich die Zahl bis 2015 mit rund 5500 nahezu verdoppelt. Auch Heinz Hermann* und Fabian Nyffenegger* träumten vom mobilen Zuhause. Aber dann ging so einiges schief.
«Auf keinen Fall das Erstbeste nehmen», rät Josef Willi, Präsident des Schweizerischen Camping- und Caravanning-Verbands. Schliesslich verbringt man im Camper weit mehr Zeit, als man für die blosse Strecke von A nach B benötigt. Man kocht, isst und schläft, ja lebt darin. Zudem ist die Anschaffung in der Regel kostspielig.
Vor dem Kauf sollte man die eigenen Bedürfnisse abstecken. Reist man allein, zu zweit oder als fünfköpfige Familie mit Hund? Gehts ans Mittelmeer oder auf Rundreise? Bleibe ich auf dem Campingplatz oder ziehe ich von Ort zu Ort? Aber auch: Wo stelle ich das Fahrzeug hin, wenn ich nicht unterwegs bin? Ein Abstellplatz kostet schnell mal 200 Franken pro Monat. Fixkosten, die neben Wartung, Strassenverkehrsabgaben und Versicherungsprämien zu berücksichtigen sind.
Unentschlossene mieten am besten erst einmal einen Camper. Danach wissen sie, ob ihnen das Leben auf vier Rädern überhaupt zusagt oder nicht. Ist der Kaufentscheid gefallen, sucht man einen seriösen Händler.
Pascal Berchtold von der Mobilitätsberatung des TCS rät, sich für die Händlersuche online oder in Fachzeitschriften schlauzumachen. Am besten ist oft die Mundpropaganda. Es lohnt sich, im Freundes- und Bekanntenkreis nachzufragen.
Achtung: Garantieausschluss
Es ist zulässig, in einem Kaufvertrag die Garantie auszuschliessen. Damit ein solcher Ausschluss wirksam ist, muss die Formulierung eindeutig sein (zum Beispiel: «unter Ausschluss jeder Gewährleistung»). Dann haftet der Verkäufer nur noch für ausdrücklich gemachte Zusicherungen oder wenn er den Käufer absichtlich getäuscht hat. Beides muss der Käufer beweisen, was oft schwierig ist. Daher die Empfehlung: Kaufen Sie Ihr Occasionsfahrzeug nur dann unter Ausschluss sämtlicher Garantieansprüche, wenn eine Garage oder der TCS das Fahrzeug geprüft hat.
Dann gibt es auch noch den Branchenverband Caravaningsuisse. Angeschlossene Händler müssen beim Beitritt mindestens ein Jahr geschäftet haben und einen Betreibungsregisterauszug vorlegen. Zudem vergewissert sich der Verband vor Ort, dass die Händler eine eigene Werkstatt oder eine geeignete Infrastruktur unterhalten, damit sie Reparaturen selber vornehmen können.
«Mir persönlich ist es wichtig, dass der Händler über eine eigene Werkstatt verfügt, damit er allfällige Mängel unkompliziert beheben kann», sagt Campingprofi Willi. TCS-Experte Berchtold pflichtet ihm bei. Beide Fachmänner warnen zudem vor Kaufabschlüssen, bei denen von Anfang an das Bauchgefühl nicht stimmt.
Bei Heinz Hermann stimmte dieses, als er seinen Wohnwagen vor drei Jahren kaufte. Bis er sein Fahrzeug wiegen liess. «Das Ergebnis war erschütternd: 1810 Kilo betrug nur schon das Gewicht des Gefährts – bei einem zugelassenen Gesamtgewicht von 1900 Kilo.» Hermann hat einen praktisch unbrauchbaren Wohnwagen gekauft. Denn eine Zuladung von 90 Kilo ist viel zu wenig, wenn man mit Sack und Pack verreisen will. Damit hatte er nicht gerechnet. «Im Fahrzeugausweis war ein Leergewicht von 1590 Kilo eingetragen», sagt er.
Was Hermann nicht wusste: Der Verkäufer hatte den Wohnwagen ausgebaut und es versäumt, die Einbauten beim zuständigen Strassenverkehrsamt zu melden und das im Fahrzeugausweis eingetragene Leergewicht anpassen zu lassen. Eine solche Meldepflicht besteht für feste Einbauten über 50 Kilo (beziehungsweise 100 Kilo bei Fahrzeugen über 3500 Kilo Gesamtgewicht). Sonnenstore, Klimaanlage, Veloaufhängung sorgen zwar für mehr Komfort, aber auch für mehr Gewicht. Laut Campingprofi Willi ein häufiges Problem. Sein Rat: «Das zulässige Gesamtgewicht immer im Auge behalten. Im Zweifel gibt es vor dem Kauf nur eins: ab auf die Waage.»
Nicht immer kann man das Fahrzeug beim Verkäufer wiegen. Waagen findet man aber auch bei Kehrichtanlagen oder in der Nähe einer Landi, wo Bauern ihre Äpfel wiegen. Am besten fragt man bei der Gemeinde nach. Praktisch können auch mobile Radwaagen sein, die im Campingfachhandel erhältlich sind.
Beim Wohnmobil beträgt das zulässige Gesamtgewicht normalerweise 3500 Kilo. Das ist zugleich die oberste Gewichtsgrenze für Führerausweise der Kategorie B. Wer damit ein schwereres Fahrzeug lenkt, riskiert, dass ihm für mindestens einen Monat das Billett entzogen wird. Erfahrene Camper wissen auch, dass Gewichtskontrollen im Ausland oft strenger und engmaschiger sind als in der Schweiz. Die Einhaltung des Gesamtgewichts sollte daher niemand auf die leichte Schulter nehmen.
Als einen «Schnellschuss» bezeichnet Fabian Nyffenegger heute den Kauf seines Wohnmobils. Er hätte bereits stutzig werden sollen, als ihm der Verkäufer mitteilte, dass das online angepriesene Gefährt schon verkauft worden sei. Er habe aber noch ein anderes, teureres Modell im Angebot.
Äusserlich war es genau das, was sich Nyffenegger vorgestellt hatte. Probe fahren konnte er es aber nicht. Trotzdem kaufte er es ab Platz, unter Ausschluss einer Verkäufergarantie.
«Für die Besichtigung sollte man stets genügend Zeit mitbringen, immer Probe fahren und am besten einen Fachmann mitnehmen. Denn vier Augen sehen mehr als zwei», sagt TCS-Experte Pascal Berchtold. Zudem solle man sich das Serviceheft genau anschauen. Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn die Wartungsarbeiten bei wechselnden Garagen und nicht bei Markenvertretern erfolgt sind.
«Bringen Sie viel Zeit und einen Fachmann mit zur Besichtigung. Vier Augen sehen mehr als zwei.»
Pascal Berchtold, TCS-Experte
Die Ernüchterung kam für Fabian Nyffenegger bereits auf seiner Fahrt nach Hause. Verdächtige Motorengeräusche verhiessen nichts Gutes. Ursache war ein Getriebeschaden. Daneben entdeckte er Mängel wie Rost, defekte Blinker und Leuchten.
Von einem häufigen Ärgernis beim Wohnmobilkauf blieb er immerhin verschont. Oft gibt es undichte Stellen, deren Reparatur sehr schnell sehr teuer werden kann. Daher heisst es bei der Besichtigung: Augen und Nase auf! Eine gewellte Innenverkleidung und ein modriger Geruch lassen auf Feuchtigkeit schliessen. Viele Händler und Garagen bieten Dichtigkeitstests an, denen man das Fahrzeug bei Zweifeln unterziehen sollte.
Heinz Hermann reichte gegen den Verkäufer Klage ein. Vor dem Friedensrichter konnten sich die Parteien nicht einigen. Wegen des hohen Kostenrisikos verzichtete Hermann auf den Weiterzug ans Bezirksgericht. Er nutzt seinen Wohnwagen weiterhin, geht haushälterisch mit der Zuladung um und versucht, möglichst viel Gepäck ins Auto zu laden. Fabian Nyffenegger konnte seinem Verkäufer das mangelhafte Wohnmobil in Kommission geben. Ob dieser es zum gleichen Preis weiterverkaufen kann, ist aber mehr als fraglich. Eine Garantieversicherung hat er abgeschlossen. Ob diese einspringt, ist ebenfalls offen.
Weitere Informationen
Schweizerischer Camping- und Caravanning-Verband (SCCV)
Die Mitglieder der Interessenorganisation geniessen verschiedene Vorteile, zum Beispiel bei Versicherungen oder auf Campingplätzen.
Touring-Club Schweiz (TCS)
Die technischen Zentren des TCS bieten vereinzelt auch Occasionschecks für Wohnmobile an. Erkundigen Sie sich im Vorfeld, welche Zentren zur Verfügung stehen. Die Kosten belaufen sich auf 120 Franken für Mitglieder beziehungsweise 240 Franken für Nichtmitglieder.
Caravaningsuisse
Der Branchenverband der Händler und Vermieter führt ein Online-Verzeichnis der angeschlossenen Mitglieder. Der Verband bietet bei Streitigkeiten mit Mitgliedern Vermittlungsdienste an.
Kann ein Verkäufer eines Gebrauchtwagens die Garantie gänzlich ausschliessen? Welche Reparaturkosten muss der Käufer selber bezahlen? Beobachter-Mitglieder erhalten im Merkblatt «Occasionsauto: Mängel nach dem Kauf» Antworten auf diese und weitere Fragen.