Der rote Ford Escort vibriert und holpert. Der Stossdämpfer am rechten Vorderrad gibt verdächtige Klopfgeräusche von sich. Kurz darauf jaulen die Räder, es gibt einen heftigen Ruck. Der Automechaniker nickt zufrieden: Der Bremstest auf den Rollen war erfolgreich. Dann wird der Wagen hochgehoben: Offensichtlich ist unser Testauto keine Rostlaube, trotz neun Jahren Strasseneinsatz. Dennoch gibt es einiges zu tun: Die Bremsscheiben sind angerostet, und am Bremsschlauch des linken Vorderrads löst sich ein Flüssigkeitstropfen. Es ist tatsächlich Bremsflüssigkeit, wie sich beim Riechtest herausstellt.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Überhaupt sind alle Sinne gefragt: Das Gebläse macht Nebengeräusche, die heizbare Heckscheibe wird angehaucht, um die Funktionstüchtigkeit zu prüfen, und mit einer Lampe wird jeder Winkel untersucht.

Knapp eine Stunde hat er gedauert und 160 Franken gekostet, der 120-Punkte-Test des Touring-Club Schweiz (TCS) in Zürich. In ähnlicher Form wird er auch in den meisten anderen Kantonen angeboten. «Unser Test beurteilt den Zustand des Wagens», erklärt TCS-Experte Beat Wyrsch. «Das lohnt sich beim Kauf und Verkauf einer Occasion, vor dem Vorführen oder wenn grössere Reparaturen bei einem alten Auto nötig sind.» Der TCS-Test ist begehrt: Rund 70'000 Personen jährlich prüfen so die Funktionstüchtigkeit ihrer Vehikel.

Unterschiedlich hohe Kosten
Auch Garagisten offerieren, den Wagen vor der amtlichen Fahrzeugprüfung durchzuchecken. Allerdings sind sie nicht unbedingt objektiv: Je mehr Reparaturen die Werkstatt vorschlägt, desto mehr Geld kann sie verdienen. Aus diesem Grund haben wir unseren Testwagen bei zwei Zürcher Ford-Garagen mit einem sehr dehnbaren Auftrag angemeldet: Welche Reparaturen und Wartungsarbeiten sind nötig, damit der Wagen durch die bevorstehende amtliche Kontrolle kommt?

Um neun Uhr rollen wir in den Hof der Garage A. Der Werkstattmeister übernimmt – zwei Stunden später ist der Escort durchgecheckt. Voraussichtlicher Preis: 1390 Franken; der Kostenvoranschlag von 80 Franken würde bei der Reparatur angerechnet. Entdeckt wurde laut Fresszettel nur die «Bremse vorn». Die restlichen 990 Franken sind Standardpositionen: Unterbodenwäsche, Licht einstellen, Abgaskontrolle, Motornummer reinigen, Jahresservice und Vorführen. Erklärungen zu den Positionen müssen erfragt werden.

Um 11.30 Uhr stehen wir am Empfangstresen der Garage B. Beim Abholen um 16 Uhr gibt der Meister verständliche Erklärungen, sogar mit Zeichnungen. Dieser Service hat aber auch seinen Preis: 2720 Franken soll es hier kosten – doppelt so viel wie bei Werkstatt A. Der Reparaturanteil beträgt 2025 Franken, die Wartungs- und Reinigungsarbeiten belaufen sich auf 695 Franken.

Die Reparaturvorschläge sind konkreter als jene von Garage A: Bremsscheiben und -klötze vorn ersetzen, ebenso die Querlenker und das Stabilisierungsgestänge, plus die Lenkgeometrie einstellen. Laut dem Werkstattmeister sind einige Positionen zwingend, andere vorbeugend sinnvoll. Auch den kleinen Riss im Auspufftopf hat nur diese Werkstatt entdeckt.

Der alte Escort ist nun durchgeprüft, doch schlauer sind wir nicht. Was sollen wir mit so unterschiedlichen Reparaturempfehlungen anfangen?

«Wer einen so unbestimmten Auftrag wie ‹Vorbereiten zum Vorführen› gibt, muss sich nicht wundern», sagt Beat Wyrsch. «Die Werkstatt kann nach Belieben handeln – von vergolden bis praktisch nichts tun.» Unser Auftrag war also ein Freibrief für geschäftstüchtige Garagisten. Laut TCS sind bei einem regelmässig gewarteten Mittelklassewagen nur wenige Handgriffe für zirka 300 Franken fällig (siehe «Prüfungsfit»).

Einheitliche Kriterien
«Einfach mal probieren», lautet die billige Variante zum Thema Vorführen. Repariert wird nur, was die Experten bemängeln. Doch das kann ins Auge und ins Geld gehen, denn bei Beanstandungen muss man nochmals antraben. Pro Vorführung verlangen die kantonalen Prüfstellen zwischen 40 und 75 Franken.

«Der Wagen muss in betriebssicherem und vorschriftsmässigem Zustand verkehren. Das gilt auch für die Fahrt zum Vorführtermin», erklärt Emanuel Schubiger das Gesetz. Der Chefexperte für Fahrzeugprüfungen beim Strassenverkehrsamt Zürich möchte die amtliche Prüfung nicht als billige Alternative zur Werkstatt missbraucht sehen. Im schlimmsten Fall wird die Weiterfahrt verboten, und der Wagen muss per Transporter zur Werkstatt oder zum Schrottplatz.

Über 3,6 Millionen Personenwagen sind in der Schweiz angemeldet, alle zwei bis vier Jahre müssen sie zur amtlichen Nachkontrolle. In der Halle des Strassenverkehrsamts Zürich herrscht emsiges Treiben. 22 Minuten sind pro Auto eingeplant. Kleinere Beulen sind den Experten egal, hier geht es um die Betriebssicherheit des Autos. «Ein vom Hund angebissener Sicherheitsgurt wird zweifellos beanstandet. Denn bei einem Unfall muss er das Mehrfache des Körpergewichts auffangen können», sagt Schubiger.

Das Radargerät auf der Zürcher Teststrecke ist exakter als die meisten Tachos. Der Fahrer des blauen Renault Espace freut sich: «Sechs Kilometer pro Stunde darf ich also künftig schneller fahren.» Im roten Volvo 850 GT des nächsten Kunden hängt ein Holzkreuz am Innenspiegel. Der Experte ist streng, das Kreuz behindere die Sicht. «Es gibt einen Ermessensspielraum», entschuldigt Chefexperte Schubiger die Beharrlichkeit des jungen Mitarbeiters.

Die Prüfkriterien sind überall in der Schweiz einheitlich. Das Fahrzeug muss betriebssicher sein sowie den Bau-, Ausrüstungs- und Umweltschutzvorschriften entsprechen. Sicht- und Funktionskontrollen allein bieten allerdings keine verlässliche Diagnose. «Wir können in der kurzen Zeit nur eine Momentaufnahme machen», sagt Prüfungsexperte Schubiger. Das heisst: Gröbste Mängel sind nach einer bestandenen Fahrzeugprüfung zwar auszuschliessen – eine Garantie für ein tadelloses Auto ist ein Prüfungserfolg aber nicht.