In der Geizfalle
Unter Handwerkern tobt ein ruinöser Preiskampf. Die Kunden heizen ihn mit ihrer «Geiz ist geil»-Mentalität weiter an - zu ihrem eigenen Schaden.
Veröffentlicht am 7. Juni 2011 - 09:18 Uhr
Zwei Personen werden verletzt, als in diesem Frühling Teile der Decke des neuen Erlebnisbads Bernaqua im Berner Einkaufszentrum Westside einstürzen. Noch läuft eine Untersuchung zur Ursache. Doch schon vor dem Zwischenfall war das in Rekordzeit aufgestellte Shoppingcenter wegen einer Serie von Baumängeln und Lohndumping auf der Baustelle in die Schlagzeilen geraten. Die Medien spekulierten, ob der Zeit- und Kostendruck zu all den Fehlern geführt habe.
Solchen Druck bekommen Handwerker längst nicht nur auf Grossbaustellen wie dem Westside zu spüren. Auch bei kleinen Aufträgen drücken immer mehr Kunden die Kosten um jeden Preis: Private ahmen Grossinvestoren nach und versuchen, die Preise für handwerkliche Arbeit so weit wie möglich herunterzuhandeln.
Sie holen für jeden noch so kleinen Auftrag ein halbes Dutzend Konkurrenzofferten ein. Als Werkzeug dazu dienen Handwerkerportale wie Renovero.ch. Auf dieser Internetplattform kann jeder Private einen Auftrag ausschreiben. Ein zufälliger Klick zeigt, wie breit die Palette ist: Da möchte ein Bauherr aus Möhlin AG sein Dachgeschoss täfern lassen; Arbeitsbeginn per sofort. In Grasswil BE sucht ein anderer einen Handwerker, der einen Zaun über 18 Meter Länge aufstellt, und ein Hausbesitzer aus Lenzburg AG möchte seine in die Jahre gekommenen Aluminiumfensterläden auffrischen lassen.
Handwerker, die sich für einen solchen Auftrag interessieren, mailen eine Offerte. Das Prinzip ist so simpel wie erfolgreich: Die besseren Karten hat der Billigere. Wie gross die Preisspanne ist, zeigt ein Testlauf des Beobachters: Für die Erstellung eines Stücks Rasen gingen Offerten zwischen 750 und 3500 Franken ein – ein Preisunterschied von satten 73 Prozent für die exakt gleiche Aufgabenstellung (siehe Artikel zum Thema «Handwerkersuche: Wir Schnäppchenjäger»).
Auch der 22-jährige Patrick Roth aus dem Emmental, ein Gärtner mit Leib und Seele, scheut sich nicht, auf diesem Handwerkerportal zu offerieren, obwohl er die «Geiz ist geil»-Mentaliät schlecht findet. Und obwohl der stämmige Handwerker selbst kein Billiggärtner ist, holt er auf diesem Weg Aufträge für das Familienunternehmen in Oberthal BE rein. Die Kunden sind zufrieden, die Firma wird im Internet ausschliesslich positiv beurteilt. «Für 90 Prozent der Ausschreibenden geht es nur um den Preis», sagt Roth. Mit ihnen kann und will er nicht mithalten. «Es gibt eine ganze Reihe von Kleinstfirmen, die die Preise kaputtmachen.» Doch die übrigen zehn Prozent der Kunden gäben sich oft nicht mit dem erstbesten Gärtner zufrieden, sondern seien offen für neue Ideen. Diese Klientel versucht er herauszufiltern – eine Frage des Gefühls, gepaart mit Menschenkenntnis, Instinkt und Erfahrung. Wählerisch darf Gärtner Patrick Roth bei den Aufträgen dennoch nicht sein. Eine Stunde Weg zu einer Baustelle ist keine Seltenheit, Kundenbesuche am Abend sind Alltag, Feierabend hat er häufig erst, wenn der Mond schon am Himmel steht. Und im Winter, wenns schneit, geht es um vier Uhr früh aus den Federn, damit etwa die Emmentaler Poststellen rechtzeitig von Schnee und Eis freigeräumt sind.
Die Grenzen setzt Roth dort, wo der Qualitätsbetrieb seine Stärken nicht ausspielen kann. Wenn beispielsweise ein privater Bauherr bereits Steinplatten beim Discounter gekauft hat und diese nur noch verlegt werden sollen, offeriert Roth erst gar nicht. Ebenso lässt er kleinste Pflegearbeiten links liegen, und beim Rasenmähen lässt er der Billigkonkurrenz den Vortritt. Mit dieser Strategie läuft das Geschäft, aber reich wird er nicht: Der Familienbetrieb kann ihm einen Bruttolohn von rund 4800 Franken zahlen. Kein Wunder, sind viele seiner Gärtnerkollegen nach der Lehre in den Strassenbau abgewandert. Dort starten die meisten schon mit einem Anfangslohn von über 5000 Franken im Monat.
Welchen Einfluss haben Instrumente wie Renovero auf den Umstand, dass das Handwerk keinen goldenen Boden mehr hat? «Die Handwerker wissen, dass sie bei uns im Wettbewerb stehen, und offerieren entsprechend», sagt Markus Schulte, Mitglied der Geschäftsleitung der Betreiberfirma Olmero. Das treibt die Preise runter und lockt immer mehr Kunden an: Renovero verzeichnet dreistellige Zuwachsraten in den letzten zwölf Monaten. Heute suchen jeden Monat schon 2000 Private günstige Handwerker.
Damit vor lauter Preistreiberei die Qualität nicht ganz unter die Räder kommt, können die Bauherren nach getaner Arbeit ihren Handwerker bewerten. Auffallend viele Firmen und Einmannbetriebe, die sich als «Allrounder» anpreisen, weisen nicht nur am meisten Bewertungen auf, sondern auch den höchsten Anteil negativer Rückmeldungen. Da macht dann manch enttäuschter Kunde seinem Ärger vernehmlich Luft: «Der Arbeitsbeginn wurde mehrfach ohne Begründung (...) verschoben. Schliesslich wurde die Arbeit nach der Hälfte ohne Begründung abgebrochen.» Ein anderer schreibt in seiner Bewertung, er habe wegen «unseriöser Arbeitsweise» mehrere tausend Franken Mehrkosten, und ein Dritter kritisiert seinen Auftragnehmer: «Leider gab es bei der Preisabsprache (verbindliche Offerte) gewisse Missverständnisse.»
An solch einen fragwürdigen Baupartner sind auch die Hirzels aus dem zürcherischen Adetswil geraten. Die Familie wollte ihre Fenster neu streichen lassen und stiess zufällig auf einen scheinbar geeigneten Handwerker. Der Mann kam spontan vorbei und offerierte einen Neuanstrich für 1500 Franken. Anna-Maria Hirzel war vor allem froh, dass sie so rasch einen Maler gefunden hatte. Dass er auch noch so günstig erschien, war nicht mehr als eine angenehme Nebenerscheinung.
Schon bald tauchte jemand mit Pinsel und Farbe auf und strich bei den Hirzels die Fensterrahmen – allerdings gleich auch innen statt wie vereinbart nur die Aussenseite. Das sei doppelt so viel Arbeit wie offeriert, deshalb verdopple sich auch der Preis, erklärte der Geschäftsinhaber der Familie Hirzel, und dieser sei bar und sofort zu zahlen. Damit nicht genug: Die gestrichenen Fenster liessen sich auch bald nicht mehr öffnen. Hirzels bestellten einen Fachmann, den Wetzikoner Maler Ferdinand König. Dessen Urteil war vernichtend: «Da war einer ohne ein Quäntchen Fachwissen am Werk. Nichts geschliffen, nichts grundiert, und gemalt hat er erst noch mit der falschen Farbe. Ein Pfusch.» Der Mann, der mit Pinsel und Farbe angerückt war, entpuppte sich als Angestellter einer Reinigungsfirma. Die falsche Farbe klebte wie Kaugummi, der Neuanstrich wurde zum Sanierungsfall und kostete die Hirzels noch einmal 2500 Franken.
Kein Einzelfall. Beim Experten Luzius Theiler, Berater beim Hausverein Schweiz, melden sich immer häufiger Hausbesitzer, die über schlecht erledigte Handwerker-arbeit klagen – meist ausgeführt von Firmen ohne feste Belegschaft, im Auftrag von Generalunternehmern, die die Löhne ihrer Subunternehmer hemmungslos drücken. Die Präsidentin des Hausvereins, SP-Nationalrätin Hildegard Fässler, hat deshalb im Parlament einen Vorstoss eingereicht, um die Rechte von Bauherren im Fall von Mängeln zu verbessern. So könnten enttäuschte Kunden ihren Frust nicht nur auf dem Feedback-Formular der Handwerkerportale deponieren.
Lucian Hell, 35, Geschäftsführer des Malergeschäfts Oscar Hell in Muttenz BL, sucht man auf Renovero.ch vergeblich: «Dort geht es vor allem um den Preis, nicht um Qualität.» Hell führt den Betrieb in zweiter Generation und ist einer jener Handwerker, denen man den Wohnungsschlüssel ohne Zögern anvertrauen würde. Kein Mann der lauten Worte – aber auch er spricht Klartext, wenn es um den ruinösen Preiskampf geht: Wollte er mit den Günstigsten mithalten, müsste er bei den Aus-gaben sparen. Und das gehe in seiner Branche mit einem Lohnkostenanteil von gegen 80 Prozent nur auf dem Buckel der Mitarbeiter und auf Kosten der Qualität.
Oder man müsse mit zweifelhaften Methoden vorgehen. Maler Hell schildert ein Beispiel: Lediglich gestrichen sei eine Decke oder eine Wand rasch, sagt er. Doch wenn die Farbe auch haften solle, müsse meist auch der Untergrund behandelt werden, und das sei oft wesentlich aufwendiger als der eigentliche Anstrich. «Wer bei Renovero offeriert, rechnet von Anfang an damit, dass er am Ende zusätzliche Kosten einfordern kann, sonst wird seine Rechnung gar nicht aufgehen», ist er überzeugt.
Hell rechnet vor, dass sich eine Decke für ein kleines Zimmer zwar innerhalb einer Stunde streichen lasse. Sobald aber zuerst alte Leimfarbe heruntergewaschen und die Decke gespachtelt werden muss, verfünffacht sich der Aufwand auf einen Schlag – und damit auch der Preis.
Doch auch sein eigener Betrieb vor den Toren Basels, unweit der Landesgrenze, kann sich der Geizspirale nicht entziehen. Längst trifft er nicht mehr nur auf Konkurrenzbetriebe aus der Region. Von immer weiter her schicken Firmen ihre Maler, vielfach sind es Osteuropäer. «Nichts gegen Konkurrenz, aber die Spiesse müssen gleich lang sein», sagt Lucian Hell. Und genau hier liegt das Problem: Es sind nicht nur die Scheinselbständigen, mit denen der Wettbewerb ausgehebelt wird. Vielmehr ist der Muttenzer Maler immer wieder mit Betrieben konfrontiert, die im Kampf um bessere Margen oder ums Überleben zu unerlaubten Mitteln greifen. Da bekommen Angestellte weniger Lohn als gemäss Gesamtarbeitsvertrag vorgeschrieben, ihr Salär kommt unregelmässig, So-zialabgaben werden schon gar nicht gezahlt, weil das Geld fehlt. Wie kann sich Hell gegen solch unlautere Konkurrenten behaupten? «Ich empfehle meinen Kunden nachhaltige Varianten und nehme mir sehr viel Zeit für ihre Bedürfnisse», sagt er. «Das geht nur, weil mein Arbeitstag nicht selten schon um vier Uhr früh beginnt.»
Zu genau solchen Zusatzleistungen rät bedrängten Klein- und Mittelbetrieben auch Thomas Helbling, Professor für Marketing an der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Statt sich am Preiskampf zu beteiligen und die eigene Branche kaputtzumachen, sollten gute Handwerker versuchen, sich mit zusätzlichem Service von der Billigkonkurrenz abzuheben», sagt er. Handwerkerportale im Internet seien problematisch, weil die Kunden die Preise verglichen, die Angebote der Handwerker aber völlig unterschiedlich seien. «Wer eine Zusatzleistung oder bessere Qualität anbietet, verliert so immer», sagt Helbling. Er warnt aber auch die Schnäppchenjäger. Denn oft funktionierten die billigsten Anbieter wie Billig-Airlines: Auf die unschlagbar günstigen Basispreise schlagen sie am Ende alle möglichen Zusatzkosten.
Trotz all diesen Tricks kämpft ein Grossteil der Betriebe in der Baubranche ums nackte Überleben, ungeachtet der anhaltend grossen Nachfrage. Das zeigt eine Erhebung des Baumeisterverbands. «Viele Betriebe müssen froh sein, wenn sie mit ihrer Bautätigkeit keinen Verlust einfahren», sagt Verbandssprecher Martin Fehle.
Tatsächlich schreiben über 60 Prozent der Baufirmen so wenig Gewinn oder fahren gar Verluste ein, dass sie die nächste Baukrise kaum überleben werden (siehe Grafiken unten). Und trotz Bauboom gibt es kaum eine andere Branche mit so vielen Firmen, die innerhalb des ersten Jahrs in Konkurs gehen, ausgenommen die Gastronomie. Eine vertiefte Auswertung durch Orell Füssli Wirtschaftmedien zeigt gar, dass in der Branche der Maler und Glaser innerhalb des letzten Jahres mehr als drei von 100 neugegründeten Firmen schon im ersten Jahr die Bilanz deponieren mussten – ein Rekordwert. Die zahlreichen kleinen Einzelfirmen, von denen es gerade auf dem Bau nur so wimmelt, die sich aber gar nicht im Handelsregister eintragen lassen müssen, sind da noch nicht einmal berücksichtigt. Zudem gehen die meisten Betriebe noch nicht im ersten, sondern erst in den darauffolgenden Jahren pleite. Bei den im Handelsregister eingetragenen Malerfirmen war es in den ersten vier Jahren nach der Gründung mehr als jeder Zehnte.
Nicht immer steckt hinter einem Konkurs schiere Not, wie Stefan Meier, der seit 30 Jahren in Wettingen AG ein Gipsergeschäft führt, erfahren musste. Zusammen mit sieben anderen Handwerksfirmen hatte er sich in einer Aargauer Gemeinde an einem Umbau eines öffentlichen Gebäudes beteiligt. Als die Gemeinde zwei Jahre später Garantiearbeiten einforderte, existierten nur noch zwei der acht beteiligten Firmen – alle anderen waren offiziell in Konkurs gegangen. Tatsächlich hatten deren Besitzer einfach eine neue Firma gegründet, um sich elegant ihrer Garantiepflicht zu entledigen. Denn ihre neue Firma konnte nicht für die Fehler der alten belangt werden.
Stefan Meier, der in den neunziger Jahren teils über 30 Gipser beschäftigte, stellte vor zehn Jahren das Massengeschäft ein, weil es sich nicht mehr rechnete. Der 68-Jährige wirkt, als sei er noch Jahre vom Ruhestand entfernt, seine Leidenschaft für gutes Handwerk ist fast mit Händen greifbar. Statt aufs Massengeschäft besann er sich auf sein Spezialgebiet, die Sanierung historischer Bauten: «Dort ist Qualität noch gefragt und wird auch bezahlt.»
Meier wird oft als Experte bei Schadensfällen im Massengeschäft beigezogen. Immer häufiger stösst er auf Pfusch wie in jener Neubausiedlung, bei der sich in den Fassaden Feuchtigkeit staut und Schimmel breitmacht. Er notierte, dass an allen Ecken und Enden gespart und die Arbeit unprofessionell ausgeführt wurde. Fast ein Totalschaden. Das schmerzt ihn: «Allein in den letzten Jahren entstanden wegen Pfuschs so viele Schäden wie in den ganzen 200 Jahren davor.»
Meier will sich nie an Ausschreibungen von Privaten im Internet beteiligen: «Dort bemühen sich nur Firmen um Kunden, die sonst chancenlos wären.»
Der Wettbewerb im Baugewerbe ist so ruinös, dass Firmen versuchen, Arbeiter zu Dumpinglöhnen zu beschäftigen, um Profit zu machen. In Branchen mit einem Gesamtarbeitsvertrag geht das eigentlich nicht, aber ein GAV lässt sich einfach umgehen. Wie das funktioniert, zeigt ein Schreiben einer deutschen Firma an Schweizer Bauunternehmen, das dem Beobachter vorliegt. «Wir benötigen keine Arbeitsbewilligungen, nur einen Bauvertrag», schreiben die Deutschen in dem Brief.
Der Trick dabei: Das deutsche Unternehmen arbeitet als Subunternehmer mit Scheinselbständigen im Auftrag einer Schweizer Firma. Die muss für solche Arbeiter keine Sozialabgaben zahlen. «Alles, was Sie für Ihr Personal bezahlen, müssen Sie bei uns nicht bezahlen. Sie machen dadurch mehr Profit», wirbt der Vermittler aus Deutschland. Kosten für den Schweizer Unternehmer pro scheinselbständigen Arbeiter und Stunde: 40 Franken. Ein Spottpreis. Für den ausländischen Arbeiter, der nicht selten am Ende einer Kette mehrerer Subunternehmen steht, bleiben da oft nur noch sechs bis acht Euro übrig, inklusive Spesen, Ferienentschädigung und 13. Monatslohn. Und das bei einer 62-Stunden-Woche.
Dass solch massives Lohndumping «keine Seltenheit» ist, hat eben erst der Verein Baustellenkontrolle Basel publik gemacht. Er kontrollierte mehr als 1000 Handwerker auf Basler Baustellen. Der Verein ist nicht etwa ein Ableger der Gewerkschaften, sondern wird präsidiert vom Gewerbedirektor und Basler FDP-Nationalrat Peter Malama. Im letzten Jahr verdoppelte man die Zahl der Kontrollen und registrierte noch mehr Verstösse als im Jahr zuvor, nämlich 58 Prozent. Hauptverfehlungen waren nicht irgendwelche Kleinigkeiten, sondern Verstösse gegen Mindestlohnregelungen. Trotz diesen Wildwestzuständen findet Serge Gaillard vom Staatssekretariat für Wirtschaft, dass die flankierenden Massnahmen genügen (siehe Artikel zum Thema «Lohndumping: ‹Es gibt viele Verstösse›»).
Anderer Meinung sind die Gewerkschaften. Die Unia fordert, dass der Bund zusammen mit den Sozialpartnern die Missstände angeht und Druck auf die Kantone ausübt. «Die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit greifen zu wenig», sagt Unia-Sprecher Hans Hartmann. Schlupflöcher wie jenes für Scheinselbständige müssten gestopft werden. Und die Kontrolleure müssten Sanktionen aussprechen können, etwa Scheinselbständige zwingen, die Arbeit zu unterbrechen. Zudem verlangt die Gewerkschaft, dass in allen Branchen Mindestlöhne eingeführt und die Kontrollen vervielfacht werden. Vor allem aber sollen Generalunternehmer und Bauherren haften, wenn einer ihrer Subunternehmer beim Lohndumping erwischt wird.
Solange der Bund keine griffigen Massnahmen gegen Dumpinglöhne beschliesst, werden weiterhin viele Handwerker wie Maler Lucian Hell in aller Herrgottsfrühe aufstehen müssen, werden Gärtnerlehrlinge in den besser bezahlten Strassenbau abwandern und wird Schadenexperten wie Stefan Meier die Arbeit nicht ausgehen. Für ihn kommt die Geizspirale nicht überraschend: «Die öffentliche Hand lebt seit Jahren vor, dass bei einem Auftrag praktisch nur noch der Preis zählt. Diese Haltung haben jetzt die Privaten kopiert. Dass dabei die Qualität auf der Strecke bleibt, werden sie erst realisieren, wenn die Auswirkungen dieser Geizspirale sichtbar werden.»
1. Bauinvestitionen: Private geben viel mehr Geld aus als öffentliche Auftraggeber
Bauausgaben nach Art der Arbeiten, in Milliarden Franken und Prozent, Jahr 2009
2. Löhne: Das verdient ein Handwerker heute
Medianlöhne in ausgewählten Handwerkerberufen (Medianlohn: 50 Prozent verdienen weniger, 50 Prozent mehr) Bruttogehalt ohne 13. Monatslohn für einen 30-jährigen Fachmann mit einer 40-Stunden-Woche, ohne Kaderfunktion
3. Baufirmen: Zwei Drittel machen keinen Gewinn
Firmen im Bauhauptgewerbe, unterteilt nach Ertragslage, in Prozent, Jahre 2006 bis 2009; Ebit («earnings before interest and taxes»): effektiv erwirtschafteter Gewinn (vor Zinsen und Steuern) aus der Bautätigkeit
4. Konkurse: Nur in der Gastronomie sind sie noch häufiger als in der Baubranche
Anzahl Betriebe*, die im ersten Jahr nach der Eröffnung in Konkurs gehen, in Prozent;ab einem Wert von 1,1% spricht man von einer sehr grossen Konkurshäufigkeit
*Es sind nur jene Betriebe erfasst, die im Handelsregister eingetragen waren.
Quellen: BFS (1), Lohnrechner Schweizerischer Gewerkschaftsbund (2), Baumeisterverband, Pricewaterhouse Coopers (3), Orell Füssli Wirtschaftsinformationen (4)
Infografik: Beobachter/DR