Sagenhafte 96,7 Prozent aller B-Post-Briefe erreichen ihren Empfänger rechtzeitig, also innert drei Tagen (ohne Samstage) - das sagt die offizielle Post-Statistik. Nur gerade 3,3 Prozent aller Briefe sollen zu spät eintreffen. Die Stichproben, die der Beobachter Ende November und Mitte Februar durchführte, kommen zu einem anderen Resultat: 23 von 200 Briefen waren länger als drei Tage unterwegs, die meisten sechs bis sieben. Das entspricht einer Quote von 11,5 Prozent verspäteten Sendungen.

Alle versandten Kuverts waren korrekt frankiert und adressiert und wurden innerhalb von gut erschlossenen Agglomerationen aufgegeben. Also keine grosse Herausforderung für die Post. Und trotzdem ist das einzig Positive am Resultat, dass kein Brief verlorenging.

Auffallend sind die regionalen Unterschiede: Am langsamsten waren die im Gürbetal, zwischen Bern und Thun gelegen, versandten Briefe. 8 von 20 kamen nur als Schneckenpost an. Auch das Baselbiet schneidet schlecht ab. 40 Prozent der in Liestal und 30 Prozent der in Ettingen BL abgeschickten Testkuverts blieben unterwegs liegen.

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Ein Grossteil der verspäteten Briefe war an einen Privaten in Zürich angeschrieben. «Das deutet auf ein Problem im Raum Zürich hin, eventuell blieb vereinzelt ein ganzer Briefbund unverarbeitet oder verzögerte sich im Transport», sagt Post-Sprecher Oliver Flüeler. «Ab November nimmt die Postmenge im Hinblick auf Weihnachten bereits deutlich zu.» Die Briefe kamen aber auch im Februar zu spät an.
 

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Die Kunden ärgern sich zu Recht

Post-Sprecher Flüeler bedauert jegliche Verspätungen. Das 2007 eröffnete neue Sortierzentrum Zürich-Mülligen laufe «noch nicht immer optimal». Die Beobachter-Stichprobe mit 200 Briefen sei jedoch nicht vergleichbar mit den von einem unabhängigen Institut im Auftrag der Post ermittelten Werten. Grundlage dafür seien 100000 über das ganze Jahr und Land verteilt versandte Testbriefe.

Ein A-Post-Test, den die Zeitschrift «Saldo» im November 2007 durchgeführt hatte, lieferte aber ähnliche Resultate wie die Beobachter-Stichproben: Von 200 Briefen kamen 28 nicht wie versprochen am nächsten Tag an. Diese Ergebnisse sind umso brisanter, als die Post-Aufsichtsbehörde letztes Jahr feststellte, dass die Tarife und die Gewinnmargen der Post im internationalen Vergleich massiv zu hoch sind.

Kein Wunder, ärgern sich viele Kunden. Nicht bloss verspätet, sondern gar verschollen sind im Fall von Patricia Abrecht aus Winterthur gleich sechs Briefe. Unter anderem ging die Bestätigung für einen Kursbesuch ihres Sohnes verloren, obwohl diese nur 300 Meter von Abrechts Haus entfernt abgeschickt worden war. Als sie in einem Leserbrief ihrem Ärger Luft verschaffte, wurde Abrecht zu einer Besichtigung des örtlichen Briefpostzentrums eingeladen. Doch die Image-Aktion misslang: «Ich erhielt den Eindruck, dass vieles nicht richtig funktioniert.» Sie nutzt jetzt vermehrt private Konkurrenzfirmen zur Post.
 

 

«Ein billiges Zückerli»

Formell entzieht sich die Post mit einem Haftungsausschluss für Briefe ohne Zustellnachweis von der Entschädigungspflicht. Wer mit genügend Nachdruck reklamiert, erhält vielleicht eine kleine Entschädigung. So war es im Fall von Roland Zahn aus Bern. Sein A-Post-Brief von Bern-Bethlehem ins fünf Kilometer entfernte Wabern war vier Tage lang unterwegs und erreichte seinen Empfänger erst drei Tage nach dessen 60. Geburtstag. Als sich Zahn bei Post-Konzernchef Ulrich Gygi beschwerte, erhielt er ein knappes Entschuldigungsschreiben - und Briefmarken für vier Franken. «Ein billiges Zückerli für den verspäteten Gratulationsbrief», sagt der enttäuschte Post-Kunde.